07.01.2013 Aufrufe

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Schneider · Komplexität und Policy-Forschung 313<br />

Weitere Beobachtungen bei einer Abduktion erhärten daher in der Regel<br />

die Plausibilität oder führen zum Ausschluss. Abduktion sollte letztlich als<br />

eine spezifische Phase im dynamischen Forschungsprozess betrachtet werden,<br />

in dem theoretisch inspirierte Hypothesen aufgestellt, überprüft, erweitert<br />

und wieder überprüft werden. Man könnte versucht sein, dieses Pattern-<br />

Matching zwischen Beobachtung und Modell als eine Form der Interpretation<br />

zu bezeichnen. Im Unterschied zum rein interpretativen Ansatz würde<br />

hierdurch jedoch nicht im Vordergrund stehen, die Motive der Beteiligten<br />

und den Sinn von Interaktionen empathisch zu verstehen, sondern das Ziel,<br />

das Spektrum möglicher Interpretationen genau zu explizieren und mögliche<br />

»Fehlinterpretationen« im Sinne rivalisierender Hypothesen systematisch<br />

auszuschließen.<br />

5 Schluss<br />

Wir kehren damit an den Ausgangspunkt der Betrachtung von Erklärungsstrategien<br />

zurück. Wie <strong>Fritz</strong> W. <strong>Scharpf</strong> (2000) zu Recht feststellt, besitzt<br />

Policy-Forschung sowohl einen besonders komplexen Erkenntnisgegenstand<br />

als auch ein spezifisches Erkenntnisinteresse: Es geht um die Produktion<br />

und Mobilisierung von Wissen, wie mittels politischer Interventionen gesellschaftliche<br />

Probleme gelöst, Sozialsysteme erhalten, repariert oder verbessert<br />

werden können. Policy-Erklärungen beziehen sich auf komplexe Makround<br />

Meso-Situationen mit vielen Akteuren und Interaktionsbeziehungen, bei<br />

denen das Bestreben, den Policy-Prozess deduktiv aus Gesetzmäßigkeiten<br />

ableiten zu wollen, vollkommen illusorisch wäre. Realistischer und der gesellschaftlichen<br />

Komplexität angemessener ist die Konstruktion von prinzipiell<br />

unvollständigen Erklärungsskizzen im Sinne von Abduktion, wo Erklärungs-Schemata<br />

nie endgültig sind, sondern in beständiger Konfrontation<br />

mit dem jeweiligen Explanans iterativ weiterentwickelt werden.<br />

In dieser Hinsicht ist Interpretation und Narration letztlich gar nicht so<br />

weit entfernt von Pattern-Matching und Abduktion (vgl. zum Beispiel die<br />

Sichtweise von Kaplan 1986: 679–680). Das Gemeinsame dieser Erklärungsstrategien<br />

ist, dass allesamt (Re-)Konstruktionen von vermuteten Zusammenhängen<br />

und Kausalmechanismen darstellen. Unterschiede bestehen letztlich<br />

nur in der Frage der Überprüfung sowie in der Entwicklung von Verfahren,<br />

wie rivalisierende Konstruktionen behandelt werden. Während interpretative<br />

Ansätze hier eher zum epistemologischen Relativismus neigen, wird bei

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!