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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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262 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

schaftseinheit im entstehenden Nationalstaat waren, und dieser unitarische<br />

Diskurs wurde so eine der Triebkräfte bei der Gründung des Bundesstaates<br />

(zunächst 1867 in Form des Norddeutschen Bundes, der dann 1871 zum<br />

Deutschen Reich erweitert wurde). Schon in der Gründungsphase errang der<br />

deutsche Nationalstaat einen Unitarisierungsvorsprung vor anderen zeitgenössischen<br />

Bundesstaaten wie den USA und der Schweiz.<br />

Diese Beobachtungen könnten nun auch zum Verständnis jener Entwicklungen<br />

beitragen, die in einer als »zentralisiert« beschriebenen Struktur gesellschaftlicher<br />

Großorganisationen mündeten. Die Rolle der Spitzenverbände<br />

in der deutschen politischen Ökonomie weist ja bemerkenswerte Ähnlichkeiten<br />

mit den korporatistischen Repräsentationsmonopolen auf, wie man<br />

sie in kleineren europäischen Ländern beobachtet hat. Und die Ausbildung<br />

dieser Repräsentationsmonopole könnte im deutschen Fall ein Begleitphänomen<br />

jenes Prozesses sein, in dem die unitarische Orientierung zur Hegemonie<br />

gelangte. Denn in der Entwicklungsgeschichte der bundesstaatlichen Institutionen<br />

und jener der großen Spitzenverbände zeigen sich bemerkenswerte<br />

zeitliche Zusammenhänge: Insbesondere wurden beide von den zwei folgenreichen<br />

großen Entwicklungskrisen des deutschen Nationalstaates erfasst.<br />

Die unitarische kulturelle Orientierung hatte ihre Wurzeln im Programm<br />

der nationalen Einheit, und ihr Bezugsrahmen war spätestens seit 1871 die<br />

kleindeutsche Staatsgründung geworden. Die Dominanz unitarischer verfassungspolitischer<br />

Konzeptionen hat sich in den zwei großen Krisen dieser<br />

nationalstaatlichen Einheit behauptet, nämlich 1918/1919 und 1945–1949.<br />

Beide Male erwies sich das insbesondere am breiten Konsens politischer<br />

Lager darüber, dass die Rechtseinheit Voraussetzung der Wirtschaftseinheit<br />

sei, und dass dazu auch eine am Primat der Wirtschaftseinheit ausgerichtete<br />

Finanzverfassung gehöre. Zugleich brachten diese beiden Kriegs- und Nachkriegskrisen<br />

auch einen deutlichen Schub in der Ausbildung von organisatorischen<br />

Repräsentationsmonopolen: Im Ersten Weltkrieg bereitete die Indienstnahme<br />

der organisierten Interessen <strong>für</strong> die Kriegswirtschaft nicht nur<br />

den Zusammenschluss der früher rivalisierenden Spitzenverbände der Industrie,<br />

sondern auch die Einbeziehung der Gewerkschaften in eine institutionalisierte<br />

Kooperation der Sozialpartner vor. Die Weimarer Republik tat<br />

ein Übriges, indem sie den Spitzenverbänden einen privilegierten Zugang<br />

zur Ministerialverwaltung eröffnete. 2<br />

2 Das ergab sich aus einer Bestimmung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien<br />

von 1926 (Hennis 1961: 28).

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