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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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240 IV · Föderalismus und Unitarismus<br />

hatte immerhin zur Kenntnis genommen, dass Commonwealth-Länder wie<br />

Australien und Kanada Parlamentarismus und Föderalismus dauerhaft vereint<br />

hatten. Für die Staatsrechtslehre der Kaiserzeit hatten die Systeme der<br />

»Kolonien« noch keinen »Bildungswert«. Aber auch Friedrich bevorzugte<br />

noch die Exekutive mit fester Amtszeit, so wie er Empfehlungen <strong>für</strong> die Europäische<br />

Gemeinschaft abgab, obwohl er <strong>für</strong> die Gemeinschaft die Wahl<br />

der Exekutive durch die beiden Kammern vorsah, ein System, das in Richtung<br />

parlamentarisches System zu tendieren schien (ebd.: 823).<br />

Im älteren Institutionalismus herrschte ein rationales symmetrisches Bild<br />

der »states’ rights« vor; Staaten wurden als kompetenzgleich gedacht. Dieses<br />

Modell schien dem Denken der klassischen Moderne angemessen. In der<br />

Postmoderne mit ihren Patchworks von der Kunst bis zur privaten Lebensführung<br />

hat sich die Toleranz gegenüber Asymmetrien verstärkt. Eine neoliberale<br />

Theorie, als Ausdruck der Individualisierung selbst von kollektiven<br />

Akteuren in der postmodernen Gesellschaft, hat den Asymmetrismus des<br />

Denkens verstärkt.<br />

Der institutionalistische Ansatz, der glaubte pauschal Fragen beantworten<br />

zu können wie »how federal government should be organized?« (Wheare<br />

1963: 53), wurde seit den siebziger Jahren durch einen aufgeklärten Neo-<br />

Institutionalismus ersetzt. Dieser Ansatz verband sich vielfach mit dem Rational-Choice-Ansatz<br />

und analysierte die Interessen der Akteure in dynamischer<br />

Form. Damit wurden auch Motive der Asymmetrisierung bestehender<br />

und entstehender Föderationen analysierbar, die im älteren Institutionalismus<br />

zu kurz kamen. Es waren vor allem zwei Dynamiken, die den Föderalismus<br />

asymmetrisch werden ließen:<br />

– der Aufstand der Ethnien und Regionen, die sich im Nationsbildungsprozess<br />

zu kurz gekommen wähnten,<br />

– und die wirtschaftlichen Ungleichgewichte, die durch Globalisierung,<br />

Europäisierung, Migration und Umweltzerstörung innerhalb der Nationalstaaten<br />

entstanden waren.<br />

Toleranz gegen die Asymmetrisierung des Föderalismus ist angebracht. Die<br />

Erkenntnis, dass es einen wirklich symmetrischen Föderalismus auch in den<br />

alten Föderationen nicht gibt, die noch eine gleiche Repräsentation aller<br />

Mitgliedschaften kennen, ist überfällig. Die Dynamik des gesellschaftlichen<br />

Wandels hat die Frage, »ob« eine Föderation überleben kann, wieder neben<br />

die Routinefrage gestellt, »wie« eine Föderation organisiert werden sollte.<br />

Die dritte Welle der Demokratisierung in Süd- und Osteuropa hat mit<br />

zahlreichen Verfassungsgebungsprozessen den Blick <strong>für</strong> die Abstriche ge-

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