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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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230 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

6 Bedingungen <strong>für</strong> konstruktive Vetostrategien<br />

Anders als dies in der Vetospieler-Theorie unterstellt wird, ist also davon<br />

auszugehen, dass institutionell verankerte Vetopositionen nicht generell die<br />

Reform- und Innovationsfähigkeit von Politik beeinträchtigen. Und anders<br />

als dies in populären Thesen immer wieder verkündet wird, lässt sich durch<br />

theoretische Überlegungen wie durch empirische Forschung belegen, dass<br />

Politikverflechtung nicht zwangsläufig die Blockadeanfälligkeit von Politik<br />

erhöht. Mit welchen Folgen in der Mehrebenenverflechtung zu rechnen ist,<br />

hängt von den Strategien der Vetospieler ab. Diese können innovative Politik<br />

verhindern, und Beispiele da<strong>für</strong> gibt es genügend. Sie können aber auch<br />

konstruktiv zu politischen Problemlösungen und zu Reformen beitragen.<br />

Die Schwäche der Vetospieler-Theorie liegt in ihrer Annahme einer determinierenden<br />

Wirkung von Institutionen, die sie trotz ihrer akteurtheoretischen<br />

Terminologie impliziert. Tsebelis schließt aus der Existenz von Vetospielern<br />

beziehungsweise aus ihren durch interne Strukturen vermeintlich<br />

vorgegebenen Handlungsweisen auf Politikergebnisse. Für komparative<br />

Untersuchungen mit quantitativen Methoden ist diese Reduktion der realen<br />

Komplexität erforderlich. Wenn wir aber die Funktionslogik der Politik in<br />

Mehrebenenstrukturen verstehen wollen, so müssen wir das Zusammenwirken<br />

von Handlungsbedingungen und Handlungsstrategien betrachten. Politische<br />

Entscheidungen ergeben sich aus den interdependenten Strategien der<br />

Akteure, und diese werden angewandt unter Berücksichtigung der Optionen<br />

und im Rahmen der Restriktionen, die durch Institutionen vorgegeben sind<br />

(Mayntz/<strong>Scharpf</strong> 1995). Die jeweiligen Vetopositionen sind dabei nur eine<br />

der relevanten Bedingungen.<br />

Andere Bedingungen, welche die Strategien von Vetospielern beeinflussen,<br />

können aus Situationen oder gesellschaftlichen Entwicklungen entstehen.<br />

Politische oder wirtschaftliche Krisen führen regelmäßig dazu, dass<br />

Vetos, welche die Handlungsfähigkeit eines politischen Systems blockieren,<br />

als illegitim betrachtet werden. In diesen Fällen nimmt in intergouvernementalen<br />

Verhandlungen der Druck, einen Konsens zu erreichen, zu, und<br />

Parlamente verzichten auf störende Interventionen. Auch Vetos, die besondere<br />

Interessen auf Kosten einer problemlösenden Entscheidung stützen,<br />

können Legitimationsprobleme aufwerfen, auf die Inhaber von Vetomacht<br />

achten müssen. Diese Faktoren resultieren aus den Zufälligkeiten von Ereignissen,<br />

weshalb über sie nur schwer generalisierbare Aussagen gemacht<br />

werden können.

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