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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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308 V · Erklärung und Verallgemeinerung<br />

4.2 Rationale Geschichte und deduktive Modellierung<br />

Der entgegengesetzte Pol des hier diskutierten Spektrums von Erklärungsstrategien<br />

ist der deduktive Ansatz, der in der Policy-Forschung schon immer<br />

eine bevorzugte Vorgehensweise von Ökonomen (vgl. Tullock/Wager<br />

1978) war und seit der Verbreitung des »Rational-Choice-Ansatzes« in der<br />

Politikwissenschaft nicht gerade bescheiden als »analytischer Ansatz«<br />

schlechthin auftritt (Shepsle/Bonchek 1997; Hinich/Munger 1997). Eine<br />

daran orientierte policy-analytische Anwendung hat kürzlich Munger (2000)<br />

vorgelegt.<br />

Irritierend an dieser Strömung ist die implizite Unterstellung, dass Rational<br />

Choice die einzige Theorie in den Sozialwissenschaften sei, die in der<br />

Lage wäre, eine systematische Analyse zu leisten (vgl. hierzu kritisch Elster<br />

2000: 693). Bereits ein kursorischer Überblick über die Vielfalt von Policy-<br />

Modellen (vgl. etwa Dye 1987; McCool 1995; Lester/Stewart 1996; Sabatier<br />

1999) zeigt, dass sich im Spektrum analytischer Ansätze viele andere<br />

interessante Kandidaten tummeln. Im Prinzip ist jede Anwendung einer sozial-<br />

und politikwissenschaftlichen Theorie, aus der sich allgemeine Regeln<br />

oder Quasi-Gesetzmäßigkeiten <strong>für</strong> einen Policy-Prozess ableiten lassen, eine<br />

Variante des deduktiven Ansatzes.<br />

Wird das deduktive Vorgehen auf eine Ereignisfolge angewandt, dann<br />

könnte man dies als eine deduktive Narration bezeichnen. Die Ereignisse<br />

werden dann nicht nur aus einer empathischen, aus der Perspektive der Akteure<br />

folgenden Position interpretiert, sondern aus allgemeinen Gesetzmäßigkeiten<br />

logisch abgeleitet. Eine Variante dieser Erklärungsstrategie hat<br />

kürzlich eine Gruppe renommierter amerikanischer Sozialwissenschaftler<br />

mit ihrem »Analytical-narratives«-Projekt vorgelegt (Bates et al. 1997,<br />

2000). Hierbei werden historische Prozesse – Rivalität zwischen Eliten im<br />

alten Italien, Verfassungspolitik in den USA des 19. Jahrhunderts, Militärpolitik<br />

im alten Frankreich – mit der Rational-Choice-Theorie modelliert.<br />

Insofern ist »analytical narrative« ein falsches Etikett, wie John Elster (Elster<br />

2000: 693–694) zurecht kritisiert. Richtiger wäre »Rational-Choice-History«,<br />

da es hier nicht um allgemeine Analyse, sondern um eine deduktive<br />

Erklärung historischer Fakten auf der Basis unterstellten individuell-rationalen<br />

Verhaltens geht.<br />

Elster beurteilt dieses »exzessiv-ambitionierte« Vorgehen als grundsätzlich<br />

illusionär:

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