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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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228 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

Europäische Union, in der auf die Konferenz der nationalen Parlamente und<br />

des Europäischen Parlaments hingewiesen wird, die allerdings bislang keine<br />

praktische Bedeutung erlangen konnte. Wichtig <strong>für</strong> die Entwicklung informeller<br />

Kontakte sind dagegen die regelmäßigen Treffen der Europaausschüsse<br />

der nationalen Parlamente in der COSAC (»Conférence des organes<br />

specialisés dans les affaires communautaires«; Maurer 1996), in denen zwar<br />

selten eine Abstimmung von Positionen und Interessen gelingt, die aber als<br />

Forum <strong>für</strong> Information und Diskussion geschätzt werden (Fuchs 2001: 25).<br />

Wenngleich man das Gewicht dieser Kommunikationsbeziehungen nicht<br />

überbewerten sollte, so bieten sie gleichwohl die Chance, dass die nationalen<br />

Parlamente direkt, und nicht nur indirekt durch Vermittlung ihrer Regierungen,<br />

in die Willensbildungsprozesse auf europäischer Ebene eingebunden<br />

sind. Grundsätzlich sind diese Strategien geeignet, dem Dilemma kollektiven<br />

Handelns im Mehrebenensystem unter den institutionellen Bedingungen<br />

eines parlamentarischen Systems seine Brisanz zu nehmen. Parlamente werden<br />

dadurch nicht zu internen Vetospielern, aber sie können ihren durch institutionelle<br />

Reformen erreichten Einfluss besser nutzen, um ihre Ziele in<br />

der Politikverflechtung zu verwirklichen, ohne die Gefahr einer blockierten<br />

Politik zu provozieren.<br />

Unabhängig davon können selektiv eingesetzte Vetos externer Akteure<br />

aber auch dazu dienen, Lernprozesse auszulösen. Eine selten, nur in ausgewählten<br />

Fällen ausgesprochene Ablehnung von Vereinbarungen der Regierungen<br />

durch ein Parlament gilt als Krisensignal. Solche Ereignisse durchbrechen<br />

die Routinen der intergouvernementalen Konfliktregelung und stellen<br />

die Handlungsfähigkeit der Regierungen in Frage. In der Regel lösen sie<br />

intensive Bemühungen um eine Lösung aus. Verweigert etwa in der EU das<br />

Parlament eines Mitgliedstaats die Ratifikation einer Vertragsänderung, so<br />

führt dies regelmäßig nicht zu einem politischen Stillstand, sondern zu neuen<br />

Verhandlungen mit dem Ziel, die Blockade zu überwinden. Der selektive<br />

Widerspruch einzelner externer Vetospieler kann auf diese Weise Prozesse<br />

induzieren, welche auf längere Sicht Politikinnovationen generieren.<br />

Vetomacht kann schließlich dadurch in einer konstruktiven Weise zur<br />

Geltung kommen, dass sie genutzt wird, um die Befassung mit Themen anzustoßen,<br />

statt unerwünschte Ergebnisse zu verhindern. Dass entsprechende<br />

Strategien erfolgreich sein können, lässt sich in der Praxis immer wieder<br />

beobachten. So weisen empirische Untersuchungen zur Rolle der deutschen<br />

Landtage in der Politikverflechtung darauf hin, dass diese Politikinnovationen<br />

anstoßen können, wenn sie auf die Agendagestaltung Einfluss nehmen<br />

(am Beispiel der Drogenpolitik: Kalke 2001). Eine ähnliche Funktion erfüllt

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