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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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M.G. Schmidt · »Komplexe Demokratietheorie« nach drei Jahrzehnten 163<br />

wurzelten unterschiedlichen Belastbarkeit der Mitgliedstaaten. Im Ergebnis<br />

ist die Problemlösungsfähigkeit der europäischen Politik ausgerechnet in jenen<br />

Politikfeldern gering, in denen die nationalstaatlichen Systeme des<br />

»demokratisch zivilisierten Kapitalismus«, so <strong>Scharpf</strong>, durch den ökonomischen<br />

Standortwettbewerb unter großen Anpassungsdruck geraten sind.<br />

Erweitert wird die Problemlösungslücke auf nationalstaatlicher Ebene<br />

durch zwei EU-Effekte, so <strong>Scharpf</strong> weiter: Die Vollendung des Binnenmarktes<br />

und die Währungsunion verschärfen die Standortkonkurrenz zwischen<br />

den Mitgliedern der EU und fordern deren Beschäftigungs- und Sozialpolitik<br />

besonders heraus. Ferner müssen die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten<br />

auch die politischen Folgeprobleme jener Entscheidungen aufarbeiten, die auf<br />

europäischer Ebene legitimiert wurden, ohne dass alle betroffenen Gruppen in<br />

ihren Interessen befriedigt worden wären. (<strong>Scharpf</strong> 1999b: 681)<br />

Die Folgeprobleme der EU-Politik fallen demnach, so die komplexe Demokratietheorie,<br />

größtenteils in den politischen Systemen der EU-Mitgliedstaaten<br />

an. Soweit die Bilanz der Schwächen der Demokratie in der europäischen<br />

Politik. Aber kann sich die EU nicht im Gegenzug auf Output-Legitimität<br />

berufen, auf Anerkennungswürdigkeit und faktische Anerkennung<br />

kraft Problemlösung? Tatsächlich gibt es Gründe <strong>für</strong> diese Sicht – von der<br />

Friedensstiftung im Kreis der Mitgliedstaaten über Wohlfahrtssteigerung bis<br />

zur Demokratie- und Rechtsstaatsförderung im Kreis aktueller oder potenzieller<br />

Beitrittskandidaten zur EU, um nur einige viel zitierte Beispiele zu<br />

erwähnen, die von der komplexen Demokratietheorie erstaunlicherweise nur<br />

am Rande benannt werden. Die komplexe Demokratietheorie fügt diesen<br />

Gründen weitere hinzu. Faktisch habe die Politik, die in der EU durchgesetzt<br />

wird, »jeweils ausreichende Legitimationsgrundlagen« (<strong>Scharpf</strong> 1999b: 680),<br />

so die angesichts der langen Mängelliste überraschende Diagnose. Zu den<br />

Legitimationsgrundlagen der EU zählt die komplexe Demokratietheorie in<br />

der Fassung vom Ende des 20. Jahrhunderts vor allem das durch Verträge<br />

gestützte EU-Recht, ferner die Legitimierung durch den Intergouvernmentalismus<br />

in der EU, an dem demokratisch gewählte Regierungen der Mitgliedstaaten<br />

mitwirken, sodann die »legitime Expertokratie« (<strong>Scharpf</strong> 1999b:<br />

675) der EU mit ihren Erfolgen vor allem bei der Beseitigung von Wettbewerbshindernissen,<br />

der Markterzeugung und der Schaffung der Währungsunion.<br />

Die Legitimierungsgrundlagen sind überdies in den vielfältigen europäischen<br />

Willensbildungsprozessen zu suchen, die <strong>für</strong> eine Vielzahl von nationalen<br />

Beamten, Interessenorganisationen und Experten offen sind, ein

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