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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Der Begriff der Verhandlungsdemokratie und<br />

die vergleichende Policy-Forschung<br />

Roland Czada<br />

Ein Hauptproblem der vergleichenden Policy-Forschung liegt in der typologischen<br />

Konstruktion und empirischen Erfassung von politischen Systemeigenschaften,<br />

die sich auf Politikergebnisse auswirken. Die herkömmlichen<br />

Systemtypologien der vergleichenden Regierungslehre können diesen Anspruch<br />

kaum erfüllen. Das Konzept der Verhandlungsdemokratie als Gegentyp<br />

zur reinen Mehrheitsdemokratie scheint jedoch fruchtbare Perspektiven<br />

aufzutun. Der Begriff der »Verhandlungsdemokratie« beziehungsweise<br />

»Konsensdemokratie« (Lijphart 1999) bedeutet, auf eine kurze Formel gebracht,<br />

dass wesentliche politische Entscheidungen nicht mit Stimmenmehrheit,<br />

sondern auf dem Wege von Aushandlungsprozessen getroffen werden.<br />

Dahinter steht die realistische, in der normativen Demokratietheorie ebenso<br />

wie in der klassischen Regierungslehre oft vernachlässigte Vorstellung, dass<br />

Wähler- und Abstimmungsmehrheiten nur eine unter vielen verschiedenen<br />

Handlungsressourcen im politischen Prozess darstellen.<br />

Tatsächlich umfasst das Konzept, so wie es neuerdings von Lijphart<br />

(1999) und Schmidt (2000) verwendet wird, auch Entscheidungen, die nicht<br />

direkt am runden Tisch verhandelt, sondern von einzelnen Akteuren im<br />

Wissen um die Existenz mächtiger »Gegenspieler« im politischen System<br />

getroffen werden. Wenn zum Beispiel eine Gesetzgebungsmehrheit das Einspruchspotenzial<br />

eines Verfassungsgerichtes antizipiert oder eine Gewerkschaft<br />

ihre Lohnforderungen an der Stabilitätspolitik einer autonomen Zentralbank<br />

ausrichtet, kann streng genommen nur von einer virtuellen Verhandlungssituation<br />

gesprochen werden. Das Konzept umfasst insofern die<br />

positive, in direkten Verhandlungen erzielte, als auch die negative, auf dem<br />

Wege wechselseitiger Kenntnisnahme und vorausschauender Berücksichtigung<br />

erreichte Koordination autonomer politischer Akteure (Mayntz/<br />

<strong>Scharpf</strong> 1975: 145–150; <strong>Scharpf</strong> 1993a). Das entscheidende Merkmal von<br />

Verhandlungsdemokratien liegt also allein in der Bedeutung politischer

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