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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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58 I · Reformen und Innovationen<br />

landwirtschaftlichen Bevölkerung. Allerdings war ihre bäuerliche Klientel<br />

in der Zollfrage gespalten. Weil die »liberalen« Bauern eine Kopie der autoritären<br />

deutschen Sozialreformen ablehnten, lehnten die Liberalen entsprechende<br />

Vorschläge ab. Ihre allgemeinen Wertorientierungen erscheinen als<br />

heterogen, die Prämissen der Policywahl auf Modernisierungsprojekte, soziale<br />

Inklusivität und politische Emanzipation ausgerichtet. Die unmittelbaren<br />

Policypräferenzen betrafen Sozialreformen, die den »median voter« zu mobilisieren<br />

versprachen.<br />

Die Be<strong>für</strong>worterkoalition war nicht mit dezidierten und hinreichend organisierten<br />

Gegnern konfrontiert. Ihre Initiativen stießen zwar auf den Widerspruch<br />

privilegierter gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere der Unternehmerschaft.<br />

Da jedoch die schwedische Bourgeoisie über die Freihandelsfrage<br />

und die populäre Forderung nach Wahlrechtsausweitung gespalten<br />

war, misslang es ihr, gegenüber der Sozialreform eine einheitliche Position<br />

zu formulieren (Hentilä 1978). Infolgedessen genoss die Konservative Partei<br />

im Politikentwicklungsprozess weit gehende Freiheit des »agenda building«.<br />

Allerdings blieben die Sozialdemokraten (SAP) zunächst in skeptischer<br />

Distanz. Sie waren im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts noch orthodox-marxistisch<br />

orientiert. Nach den Wahlrechtsreformen 1907–1909 und<br />

dem gescheiterten Generalstreik von 1909 trat jedoch ein Profilwandel ein.<br />

Man hatte erkannt, dass parlamentarische Mehrheiten nur nach einer Öffnung<br />

gegenüber den Mittelschichten zu gewinnen waren. Zur Zeit der Vorbereitung<br />

des Rentengesetzes von 1913 war der Wandel der SAP vom proletarischen<br />

Laborismus zum inklusiven Demokratieverständnis und <strong>für</strong>sorglichen<br />

Etatismus noch nicht abgeschlossen. In Ermangelung einer dezidierten sozialpolitischen<br />

Position verhielt man sich uneinheitlich: Die Parteiführung<br />

und die Gewerkschaften lehnten den Gesetzentwurf, unter anderem wegen<br />

des Verzichts auf Arbeitgeberbeiträge, strikt ab; die Parlamentsfraktion unter<br />

Hjalmar Branting entschied sich zur Annahme.<br />

Der parlamentarische Entscheidungsprozess hat eine bis 1890 zurückreichende<br />

Vorgeschichte. Bereits 1890, 1893 und 1898 hatten die Konservativen<br />

Gesetzesinitiativen <strong>für</strong> eine Arbeiterrente eingebracht. Sie waren jedoch<br />

an den Liberalen gescheitert. Diese hatten regelmäßig <strong>für</strong> die Einbeziehung<br />

der Bauern plädiert und wollten diese gleichzeitig von der Beitragspflicht<br />

ausnehmen. Als daraufhin im Entwurf von 1898 ein Staatszuschuss vorgesehen<br />

wurde, verweigerte die konservative Oberhausmehrheit die Zustimmung.<br />

Der nächste Anlauf wurde 1905 von dem außerparlamentarischen<br />

Committee for Public Pensions eingeleitet. Seine Vorschläge waren nicht<br />

auf die Arbeiterfrage beschränkt und gewannen rasch die Unterstützung der

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