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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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Benz · Konstruktive Vetospieler in Mehrebenensystemen 209<br />

litik umso mehr beeinträchtigt, je größer die Zahl der Vetospieler ist, je größer<br />

die ideologische Distanz zwischen diesen ist und je homogener die kollektiven<br />

Akteure sind, die über Vetomacht verfügen (das heißt je weniger<br />

diese durch interne Konflikte belastet sind oder, anders formuliert, je handlungsfähiger<br />

sie sind).<br />

Wenngleich Tsebelis explizit darauf hinweist, dass er Politikinnovation<br />

nicht bewertet, sondern lediglich als analytisches Kriterium zur Bestimmung<br />

von Politikergebnissen verwendet, so liegen doch die normativen Implikationen<br />

dieser Thesen auf der Hand. Vetomacht wird von denen begrüßt,<br />

welche die Begrenzung von Herrschaftsgewalt der Regierenden als essenzielle<br />

Voraussetzung von Freiheit und Demokratie betrachten. Diese Position,<br />

welche auf liberale Theoretiker der Gewaltenteilung wie Montesquieu, Lokke<br />

und Madison zurückgeführt werden kann, findet sich heute vor allem in<br />

ökonomischen Theorien der Politik und neokonservativen politischen Programmen,<br />

die im Staat mehr ein Problem als eine Institution zur Lösung gesellschaftlicher<br />

Probleme sehen. Für Vertreter dieser Position müssten sich<br />

etwa eine Konsensdemokratie oder ein präsidentielles Regierungssystem mit<br />

einem Gleichgewicht zwischen Legislative und Exekutive, ein kooperativer<br />

Bundesstaat sowie Kontrollinstitutionen wie ein Verfassungsgericht oder eine<br />

direkte Demokratie als Elemente einer guten Verfassung erweisen, zumal<br />

diese eine Berücksichtigung aller wichtigen Interessen ermöglichen (Lijphart<br />

1999). Wenn man hingegen davon ausgeht, dass wichtige Probleme nur<br />

gelöst werden können, wenn politische Entscheidungen in einem politischen<br />

System, sei es einem Staat, einem Staatenverbund oder einem internationalen<br />

Regime, zu einschneidenden Veränderungen führen, so ist Vetomacht<br />

eher negativ zu bewerten. Ideal wäre dann ein parlamentarisches System<br />

nach dem Vorbild des Westminster-Modells in einem Einheitsstaat. Dementsprechend<br />

wird von Anhängern dieser Position etwa das Mehrebenensystem<br />

der Europäischen Union kritisiert und die Blockadeanfälligkeit des<br />

deutschen Bundesstaats beklagt.<br />

Für beide Positionen gibt es gute Argumente. Deswegen lassen sich aus<br />

den Ergebnissen vorliegender empirischer Untersuchungen, die die Vetospieler-Theorie<br />

im Wesentlichen bestätigen (Tsebelis 2000; mit Einschränkungen:<br />

Lijphart 1999), keine Schlussfolgerungen <strong>für</strong> eine Verfassungsoder<br />

Institutionenpolitik ableiten. Die jeweilige Verfassungsordnung ist<br />

Ausdruck von Wertentscheidungen einer politischen Gesellschaft, die eine<br />

Mehrheitsdemokratie oder eine Konsensdemokratie begründen können.<br />

Dass etwa in die Verfassung der Bundesrepublik relativ viele Sicherungen<br />

gegen eine einseitige Machtausübung durch die Regierung sowie gegen dra-

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