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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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von Beyme · Die Asymmetrisierung des postmodernen Föderalismus 241<br />

stärkt, die wir vom symmetrisch-rationalistischen Denken machen müssen.<br />

Schließlich sind alle drei sozialistischen Föderationen, die einst bestanden,<br />

zerbrochen (Sowjetunion, ýSSR, Jugoslawien). Nur in Russland kam es zu<br />

einem Neuansatz des Föderalismus. Er war freilich stark behindert durch<br />

den Verlust großer Territorien der Sowjetunion, die ein Minimum an Symmetrie<br />

in die Asymmetrie hätten bringen können, wie die Ukraine oder Kazachstan.<br />

Aber auch in etablierten Föderationen hat ein Paradigma-Wandel stattgefunden.<br />

Der »Beteiligungsföderalismus«, der nicht zuletzt durch <strong>Fritz</strong> W.<br />

<strong>Scharpf</strong>s Forschungen international in Misskredit geraten ist, löste den Ruf<br />

nach mehr »Wettbewerbsföderalismus« aus. »Wettbewerb statt Gleichschritt«<br />

lautete die Parole. Die Nachhutgefechte der Gleichheitsbe<strong>für</strong>worter<br />

konnten die Einsicht nicht verhindern, dass jede Zunahme an Wettbewerb<br />

eo ipso auch die Asymmetrie des Systems verstärkt. Wettbewerbsföderalismus<br />

muss nicht nur mit Asymmetrien leben, sondern er setzt sie sogar voraus,<br />

um Anreizstrukturen <strong>für</strong> innovatives Verhalten zu entwickeln (Sturm<br />

2000: 32).<br />

Der »Klassenkampf von unten« – die Forderungen der armen Gebietseinheiten<br />

– ist inzwischen durch »Klassenkampf von oben« ergänzt worden.<br />

Reiche Länder wie Bayern und Baden-Württemberg sehen in der egalitären<br />

Verteilungspraxis des Beteiligungsföderalismus zunehmend einen Malus <strong>für</strong><br />

gutes Wirtschaften. Deutschland ist nicht nur wegen seiner Institutionen,<br />

sondern vor allem wegen seiner integrativen Ideologie gern unter die unitarischen<br />

Bundesstaaten gerechnet worden. Die deutsche Geschichte hat neben<br />

der Schubkraft einer Ideologie auch den einheitsstiftenden Akteur hervorgebracht,<br />

der in nachholender Modernisierung die Angleichung der Lebensverhältnisse<br />

forcierte. Dabei handelte es sich nicht nur um Relikte bürokratischen<br />

Machbarkeitswahnes. In einem Land mit 12 Millionen Vertriebenen<br />

schien die integrative Botschaft von Art. 72 GG wenigstens bei der konkurrierenden<br />

Gesetzgebung eine notwendige Konzession mit der Verheißung<br />

der »Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse«. Neben einer alten<br />

vornationalstaatlichen Tradition aus dem Geist tätiger Nächstenliebe im<br />

protestantischen Pietismus, der sich vor allem in der preußischen Landesuniversität<br />

Halle mit der Aufklärung verband und zur Ideologie der preußischen<br />

Verwaltungseliten wurde, gab es in allen deutschen Territorien die<br />

Lehren von der »guten Polizey«, die dem Absolutismus ein kleinstädtischmilderndes<br />

Gepräge verlieh.<br />

Die »Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse« war auch 1949 in Deutschland<br />

ein Euphemismus gewesen. Bei den Verfassungsänderungen nach der

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