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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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208 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

2 Vetospieler in der Politikverflechtung<br />

Das Konzept der Vetospieler hat in den letzten Jahren in der internationalen<br />

Politikwissenschaft beträchtliche Aufmerksamkeit gefunden. Mit dem Begriff<br />

»veto points« hat Ellen Immergut in ihrer vergleichenden Untersuchung<br />

zur Gesundheitsreform die Grundidee bereits formuliert (Immergut<br />

1990), implizit findet sie sich aber auch in Arbeiten zum deutschen Föderalismus<br />

(Lehmbruch 1976; <strong>Scharpf</strong> 1985, 1989; <strong>Scharpf</strong>/Reissert/Schnabel<br />

1976), in denen auf die Blockademacht einzelner Länder oder des Bundesrats<br />

im kooperativen Bundesstaat hingewiesen wurde. George Tsebelis<br />

(1995, 1999, 2000) hat durch seine stringente Theorie der Vetospieler dem<br />

Konzept zum Durchbruch verholfen. Dass dieses eine weite Verbreitung erfahren<br />

hat, liegt zweifellos an der Sparsamkeit der Erklärung und damit an<br />

der hohen Generalisierungsfähigkeit.<br />

Der unbestrittene Nutzen der Vetospieler-Theorie liegt darin, dass sie<br />

politische Prozesse in komplexen interorganisatorischen Strukturen eines<br />

Regierungssystems erfasst. Sie berücksichtigt alle Institutionen, die potenziell<br />

oder real auf politische Entscheidungen einwirken, und dies mit einem<br />

einfachen, <strong>für</strong> die vergleichende Forschung nützlichen Konzept. Insofern<br />

eignet sie sich besonders <strong>für</strong> die Untersuchung von Mehrebenensystemen<br />

und nicht-hierarchischen interorganisatorischen Strukturen, welche neuerdings<br />

auch als »multilevel governance« bezeichnet werden. Die Theorie lässt<br />

sich mit quantitativen Methoden testen, und Tsebelis und andere Vertreter<br />

der komparativen Politikforschung haben sich eifrig darum bemüht (vgl. die<br />

Zusammenfassung in Tsebelis 2000: 467–468). Sie kann aber auch qualitative<br />

Untersuchungen und Fallstudien anleiten, denen sie ein stringentes Analysekonzept<br />

bietet. Gerade deswegen sollte sie nicht einfach als zu reduktionistisch<br />

abgetan werden.<br />

Die Vetospieler-Theorie will die Innovations- beziehungsweise Reformfähigkeit<br />

von politischen Systemen oder institutionellen Strukturen in Politikfeldern<br />

erklären. Die wichtigste Aussage lautet dabei, dass die Wahrscheinlichkeit<br />

von Entscheidungen, die den Status quo ändern, beziehungsweise<br />

das Ausmaß der Veränderung gering ist, wenn neben den eigentlich<br />

<strong>für</strong> eine Entscheidung zuständigen Akteuren noch weitere Akteure involviert<br />

sind, die über Vetomacht verfügen und daher Entscheidungen, die ihren<br />

Interessen widersprechen, verhindern können. Tsebelis (1995) hat diese<br />

These präzisiert, indem er drei Bedingungen <strong>für</strong> geringe Politikinnovationen<br />

nennt, die in vergleichenden Untersuchungen als unabhängige Variable operationalisiert<br />

werden könnten. Demnach ist die Fähigkeit zu innovativer Po-

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