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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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190 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

dischen und mitteleuropäischen Wohlfahrtsstaaten, die es verbieten, von einem<br />

einheitlichen korporatistischen Wohlfahrtsstaatstypus zu sprechen. Es<br />

liegt nahe, insbesondere die arbeitsmarktpolitischen Differenzen (Ausmaß<br />

aktiver Arbeitsmarktpolitik, Frauenerwerbsquote) ebenso auf institutionelle<br />

Besonderheiten wie auf sozialdemokratische Dominanz zurückzuführen.<br />

4 Verhandlungsdemokratie und Sozialpolitik<br />

Im folgenden Abschnitt soll der Zusammenhang von Verhandlungsdemokratie<br />

und Sozialpolitik ausführlicher diskutiert werden. Es wurde bereits<br />

erwähnt, dass Verhandlungssysteme politikfeldspezifische Merkmale aufweisen.<br />

Während zum Beispiel die Politikverflechtung zwischen Bund und<br />

Ländern in der deutschen Hochschulpolitik eine Rolle spielt, ist die Zentralbankautonomie<br />

<strong>für</strong> die Bildungspolitik unerheblich. Umgekehrt ist in der<br />

Geldpolitik die Zentralbankautonomie von weit größerer Bedeutung als die<br />

Frontstellung zwischen Bundestag und Bundesrat. Die Sozialpolitik dagegen<br />

ist ein Feld, auf dem alle in der Literatur genannten gegenmajoritären Kräfte<br />

eine mehr oder weniger starke Interessenposition einnehmen. In der redistributiven<br />

Wohlfahrtsstaatspolitik entfaltet sich das Wechselspiel zwischen<br />

Konkordanz, Korporatismus und Politikverflechtung auf exemplarische<br />

Weise. Es ist daher kein Zufall, wenn Forschungsbeiträge zur Verhandlungsdemokratie<br />

und generell zu verhandelten politischen Problemlösungen<br />

immer wieder auf die Sozialpolitik als Anwendungsfeld zurückgreifen<br />

(Wiesenthal 1981; Schmidt 1982; <strong>Scharpf</strong> 2000; Lehmbruch 2000), obwohl<br />

in vielen anderen Politikfeldern, etwa der technischen Normung (Voelzkow<br />

1996), das Mehrheitsprinzip ebenfalls sehr deutlich gegenüber anderen Entscheidungsprinzipien<br />

zurücktritt. Aus einer theoretischen Perspektive spielt<br />

hier der Zusammenhang von Umverteilung und Verhandlungszwang eine besondere<br />

Rolle. Einerseits ist Umverteilung durch Verhandlungen höchst<br />

voraussetzungsvoll, wenn nicht gar unmöglich – zumindest, solange wechselseitige<br />

Interessenbefriedigung und nicht argumentatives Überzeugen das<br />

zentrale Prinzip von Verhandlungen darstellt. Andererseits finden sich in<br />

der Sozial- und Wirtschaftspolitik die prominentesten Beispiele <strong>für</strong> Bündnisse<br />

und Verhandlungslösungen, gerade wenn es um umverteilungswirksame<br />

Entscheidungen geht.<br />

Es erscheint merkwürdig, dass Politikwissenschaftler, insbesondere, wenn<br />

sie spieltheoretisch argumentieren, stets auf die Unmöglichkeit freiwilliger

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