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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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212 III · Die Handlungsfähigkeit der Demokratie<br />

Prozesse zu blockieren. Vielmehr setzen Akteure Blockadedrohungen strategisch<br />

ein, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Natürlich kann der Fall eintreten,<br />

dass Akteure den Status quo als optimal bewerten und daher eine<br />

Entscheidung verhindern wollen. Normalerweise wird eine Blockade aber<br />

negativ bewertet, wenn Probleme Gegenstände von öffentlichen Verhandlungen<br />

geworden sind. Mit dem Verzicht auf eine Entscheidung können Politiker<br />

in demokratischen Staaten kaum Zustimmung gewinnen. Wenn Akteure<br />

eine von ihnen präferierte Lösung von Konflikten herbeiführen wollen, so<br />

müssen sie also Strategien wählen, mit denen eine Blockade vermieden<br />

wird. Beim Einsatz von Vetomacht befinden sie sich in einem Dilemma<br />

kollektiven Handelns, weil Blockadedrohungen und Vetos zwar <strong>für</strong> die<br />

Durchsetzung individueller Interessen nützlich sein können, aber Folgen haben,<br />

die alle Beteiligten vermeiden wollen. Mit Elinor Ostrom (1998) gehe<br />

ich aber davon aus, dass erfahrene Akteure normalerweise Blockadegefahren<br />

erkennen und darauf reagieren. Strategische Anwendung von Vetomacht<br />

kann problematische Lösungen bewirken, sie kann aber auch konstruktiv<br />

sein und die Politikergebnisse verbessern.<br />

Die nachfolgende Analyse befasst sich mit der oben genannten spezifischen<br />

institutionellen Struktur der Politikverflechtung im parlamentarischen<br />

Regierungssystem, klammert also eine ganze Reihe der von Tsebelis berücksichtigten<br />

Vetoinstitutionen aus, etwa Verfassungsgerichte, autonome<br />

Zentralbanken oder Referenden. Diese werden zwar <strong>für</strong> eine Verringerung<br />

von Politikinnovationen verantwortlich gemacht, allerdings wird dies in den<br />

betroffenen Ländern selten kritisiert. 2 Im Übrigen vermute ich, dass die<br />

Unterscheidung zwischen Typen von Vetospielern, auf die im Folgenden<br />

Wert gelegt wird, <strong>für</strong> die Vetospieler-Theorie generell bedeutsam ist.<br />

Grundsätzlich muss beachtet werden, dass Vetospieler in unterschiedlichen<br />

Sequenzen eines politischen Prozesses ihren Einspruch erheben können.<br />

Die Wirkung des Vetos und die Chance, damit Politikergebnisse zu beein-<br />

2 Tatsächlich können diese unabhängigen Institutionen nicht generell da<strong>für</strong> verantwortlich<br />

gemacht werden, dass Innovationen verhindert werden. Verfassungsgerichte wie direktdemokratische<br />

Verfahren können auch Impulse <strong>für</strong> Veränderungen auslösen oder innovative<br />

Entscheidungen herbeiführen. Zugegeben, die Justiz neigt zu konservativen Entscheidungen<br />

und hat die Aufgabe, die Verfassung zu bewahren. Aber das deutsche Bundesverfassungsgericht<br />

leitet aus dem Grundgesetz immer wieder Aufträge an den Gesetzgeber<br />

ab, die etwa in der Sozialpolitik innovativ wirken. Der Strukturkonservatismus der direkten<br />

Demokratie hängt davon ab, wie diese ausgestaltet ist. Volksabstimmungen über Sachfragen<br />

führen häufig zu einer Blockierung von Reformen, während Volksinitiativen genau<br />

das Gegenteil bewirken können.

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