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Festschrift für Fritz W. Scharpf - MPIfG

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von Beyme · Die Asymmetrisierung des postmodernen Föderalismus 253<br />

Die Schweiz oder Belgien gehen am weitesten in der peniblen Regelung, in<br />

welchen Gebieten eine Ethnie das exklusive Recht auf eine Schulsprache<br />

hat. Das funktioniert mittelfristig noch am besten dort, wo der Konflikt dyadisch<br />

angelegt ist, wie in einigen Regionen Belgiens, Kanadas und der<br />

Schweiz. Wo es zu einer ethnischen Gemengelage kommt, wie in Brüssel,<br />

in Bosnien-Herzegowina und in weiten Bereichen Osteuropas bleibt die<br />

Balance instabil.<br />

Wichtiger als die territoriale Abgrenzung aber scheint die Verwirklichung<br />

eines Minimums an Zivilgesellschaft und der generellen Respektierung von<br />

Minderheitenrechten (Knop et al. 1994: 7). Die Migrationen im Zeitalter der<br />

Globalisierung werden solche künstlich stabilisierten Grenzen zunehmend<br />

aushöhlen. Der Traum von der Symmetrie der regionalen Kräfte ist immer<br />

neuen asymmetrischen Dynamiken ausgesetzt. Die Forderung nach sozialer<br />

Gerechtigkeit erzwingt periodisch territorialen Wandel. Die Balance zwischen<br />

den Interessen bei territorialen Konflikten ist deshalb schwer zu finden,<br />

weil alle Deklamation <strong>für</strong> das evolutionär progressive Element des Föderalismus<br />

nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass auch prämoderne Solidarbestände<br />

akkomodiert werden müssen, die sich rationaler Erörterung nur<br />

schwer erschließen (Evers 1994: 64).<br />

Die Flucht in den Terminus »Subsidiarität« in der EU, um die Empfindlichkeiten<br />

Großbritanniens und Frankreichs zu schonen, hat das Dilemma<br />

nicht verkleinert. Das terminologische Ausweichmanöver zeigt, dass die Postmoderne<br />

gegenüber den prämodernen Elementen föderalen Denkens wieder<br />

toleranter geworden ist. Ein Begriff, der aus der katholischen Soziallehre<br />

stammt und <strong>für</strong> funktionale Gruppierungen gedacht war, wurde territorialisiert,<br />

ohne den semantischen Konflikt der Interpretation zu beenden. Das<br />

Europäische Parlament hat einmal lapidar festgestellt, dass Subsidiarität im<br />

Zweifel »Föderalismus« bedeute. Aber auch damit ist noch wenig gewonnen,<br />

weil der Kampf um die gewünschte Form des Föderalismus damit noch<br />

nicht entschieden ist, wie die boomende Literatur über immer neue Epitheta-<br />

Föderalismen zeigt (verflochtener oder subsidiärer Föderalismus, Beteiligungs-<br />

oder Differenzierungsföderalismus etc.) (vgl. Evers 1994: 73). Diese<br />

semantischen Bemühungen werden umso intensiver, je näher sie an die normative<br />

Ebene heranrücken, zum Beispiel an die Frage, welche Form der Föderalismus<br />

der Europäischen Union annehmen soll (Sidjanski 2001: 73).<br />

In der Föderalismusliteratur wurde »Konfliktmanagment« von »Konfliktlösung«<br />

abgegrenzt (Burgess/Gagnon 1993: 18). Konfliktlösungen gibt es allenfalls<br />

im Hinblick auf die Fortexistenz eines Gemeinwesens, wie in Belgien

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