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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

Finnland hatte somit eine Reihe von Zusicherungen<br />

abzugeben, etwa zum Sprachgebrauch in den Schulen,<br />

zur Beschränkung der Möglichkeit des Grunderwerbs<br />

durch nicht ansässige Personen, zur Finanzierung<br />

der Autonomie und zur Überwachungsfunktion des<br />

<strong>Völker</strong>bunds. Diese Garantien wurden im Rahmen<br />

einer Übereinkunft zwischen Finnland und Schweden<br />

geleistet, die vom <strong>Völker</strong>bund am 27. Juni 1921<br />

anerkannt wurde. Dieser Akt wiederum wurde mit<br />

dem „Garantiegesetz <strong>für</strong> Åland“ 1922 ins finnische<br />

Rechtssystem übernommen. 176<br />

Versammlung (Lagting), eine Landesregierung<br />

(Landskapsstyrelse) und einen „Gouverneur“ als<br />

direkten Vertreter der finnischen Regierung. Dieser<br />

wird von der finnischen Regierung im Einvernehmen<br />

mit dem Präsidenten des Lagtings ernannt.<br />

Zusätzlich zur internen Selbstverwaltung bilden die<br />

Åland Inseln, trotz der geringen Bevölkerungszahl<br />

von 27.000 Einwohnern, einen eigenen Wahlkreis <strong>für</strong><br />

das finnische Parlament, <strong>für</strong> welches alle volljährigen<br />

Åländer wahlberechtigt sind.<br />

106<br />

Die Autonomie der Åland-Inseln ist 1951 und 1991 in<br />

zwei großen Reformen ausgebaut worden. Die erste<br />

Revision war nach dem 2. Weltkrieg angeregt worden,<br />

als in Finnland eine neue Politikergeneration ans Ruder<br />

kam. Das 1951 erneuerte Autonomiegesetz führte das<br />

„Recht auf Ansässigkeit“ (oder „Regionsbürgerschaft“)<br />

ein, obwohl Elemente eines solchen Rechts bereits<br />

vorher bestanden. Man schuf „nationale“ Symbole<br />

wie eine aländische Flagge, Briefmarken und ein<br />

Nationalmuseum. In den folgenden Jahrzehnten<br />

entwickelte sich eine Bewegung zur weiteren<br />

Stärkung der Autonomie, die die Verabschiedung<br />

des 3. Autonomie-gesetzes durchsetzen konnte<br />

(Nr. 1144 vom 16.8.1991, in Kraft seit 1.1.1993). 177<br />

Diese in beiderseitigem Einverständnis zwischen<br />

der finnischen Regierung und der aländischen<br />

Versammlung beschlossene Reform sollte die<br />

Gesetzgebungsbefugnisse von Staat und autonomer<br />

Inselregion besser definieren, neue Befugnisse an Åland<br />

übertragen und die Autonomie im wirtschaftlichen<br />

Bereich durch spätere Kompetenzübertragung<br />

stärken. Von nun an waren ausreichende Kenntnisse<br />

der schwedischen Sprache als Voraussetzung zum<br />

Erwerb der Regionsbürgerschaft nötig.<br />

3.4.2 Die Institutionen der Autonomie 178<br />

Die Åland Inseln haben eine gewählte, gesetzgebende<br />

S. 36-37.<br />

176 Dieses Abkommen wird oft zitiert als ein Beispiel <strong>für</strong> ein<br />

dauerhaftes bilaterales Abkommen. Das Åland- Abkommen hatte<br />

keinen rechtlich bindenden Charakter, entwickelte sich später jedoch<br />

zu <strong>Völker</strong>gewohnheitsrecht und verpflichtet damit Finnland<br />

zur Achtung der Autonomie der Åländer. Der Text findet sich bei<br />

Hurst Hannum (ed.), Documents on Autonomy and Minority Rights,<br />

Dordrecht 1993, S. 141-143<br />

177 Autonomiegesetz <strong>für</strong> Åland, 1991, in: http://www.finlex.fi/<br />

pdf/saadkaan/E9911144.PDF<br />

178 Ein guter Überblick über den Aufbau dieser Autonomie wird<br />

geboten von Farima Daftary, Insular autonomy: a framework for<br />

conflict settlement? A comparative study of Corsica and the Åland<br />

Islands, ECMI working papers, Flensburg 2000, S.13-22<br />

Der Lagting (Landtag) besteht aus einer Kammer<br />

mit 30 Mitgliedern und wird alle vier Jahre mit<br />

Verhältniswahlrecht gewählt. Nur Åländer mit<br />

Regionsbürgerschaft haben das aktive und<br />

passive Wahlrecht. Die Regierung von Åland, das<br />

Landskapsstyrelse, umfasst zwischen 5 und 7<br />

Mitglieder, die vom Landtag gewählt werden. Es<br />

darf kein Minderheitenkabinett gebildet werden.<br />

Die Regierung stützt sich auf eine Verwaltung und<br />

einen zentralen Stab an der Spitze, die in sechs<br />

Einzelbereiche alle den Åland-Inseln übertragenen<br />

Befugnisse verwaltet.<br />

Die Gesetzgebungs- und Verwaltungs-kompetenzen<br />

des Zentralstaats und der Inseln sind zwar 1991 neu<br />

definiert worden, doch ist die Abgrenzung immer<br />

noch nicht ganz klar. Der Landtag kann folgende<br />

Bereiche selbstständig regeln: Bildung, Kultur und<br />

Denkmalpflege, Gesundheits- und Sozialwesen,<br />

Industrieförderung, interne Kommunikation, sozialer<br />

Wohnbau und Mietenrecht, Landpacht, Gemeindeordnung,<br />

zusätzliche Einkommenssteuer, öffentliche<br />

Ordnung und Sicherheit, Postdienst, Rundfunk und<br />

Fernsehen, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei,<br />

Umwelt-schutz, Bergbaurechte. Der Landtag kann in<br />

allen Bereichen gesetzgebend tätig werden, die nicht<br />

ausdrücklich dem finnischen Staat vorbehalten sind.<br />

Der finnische Staat bleibt nur mehr <strong>für</strong> die Bereiche<br />

Verfassungsrecht, Außenpolitik, Steuerrecht, Strafund<br />

den größten Teil des Zivilrechts, Gerichtswesen,<br />

Sozialversicherung, Schiff- und Luftfahrt, Zoll- und<br />

Währungspolitik zuständig.<br />

Bei der Kompetenzenaufteilung besteht derzeit<br />

noch eine gewisse Flexibilität, da einige<br />

Zuständigkeitsbereiche von Helsinki nach Mariehamn<br />

und umgekehrt verschoben werden können. So kann<br />

z.B. vereinbart werden, Åland weitere Kompetenzen<br />

zu übertragen, die heute noch überwiegend<br />

Angelegenheit des finnischen Staates sind wie<br />

z.B. die Bevölkerungsstatistik, das Handels- und

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