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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

Der Friedensvertrag von Versailles 1919 verlangte die<br />

„Befragung“ der Bevölkerung bestimmter umstrittenen<br />

Gebiete wie der Ostkantone Belgiens bezüglich ihres<br />

politischen Status. Diese Befragung wurde jedoch nicht<br />

als echtes Referendum mit geheimer Stimmabgabe<br />

abgehalten. Stattdessen wurden jene Einheimischen,<br />

die nicht Belgier werden wollten und eine Rückkehr<br />

ihres Gebiets zu Deutschland wünschten, gezwungen,<br />

sich mit vollem Namen und Adresse registrieren zu<br />

lassen. Mit dieser Methode verhinderte die belgische<br />

Militär-verwaltung in einem Klima der Einschüchterung<br />

eine freie und faire Volksabstimmung, da viele<br />

deutschsprachige Bewohner des Gebiets infolge einer<br />

solchen „Registrierung“ die Ausweisung aus ihrer<br />

Region be<strong>für</strong>ch-teten.<br />

118<br />

3.6 Die Deutschsprachige<br />

Gemeinschaft Belgiens<br />

Bevölkerung<br />

72.000<br />

(geschätzt 2005)<br />

Fläche 894 km 2<br />

Hauptstadt<br />

Eupen<br />

Amtssprachen Deutsch und Französisch<br />

Autonomie seit 1973/1994<br />

http://en.wikipedia.org/<br />

3.6.1 Geschichte<br />

Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens bildet<br />

den größten Teil des sog. Ostkantons Belgiens, der<br />

seinerseits zur Provinz Lüttich gehört. Fast alle der<br />

72.000 Bewohner der neun Gemeinden dieses Gebiets<br />

sind deutscher Muttersprache. Dem Ostkanton<br />

gehören außer den deutschsprachigen Gemeinden die<br />

Gemeinden von Malmedy und Waimes (Weimses) an,<br />

die zur französischsprachigen Gemeinschaft gehören.<br />

Diese Region war bis 1920 als „Grafschaft Eupen und<br />

Malmedy“ Teil der Rheinprovinzen Preußens, wurde aber<br />

nach der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg im<br />

Zuge des Friedensvertrags von Versailles von Belgien<br />

annektiert. In Belgien wurde dieses Gebiet auch als<br />

„cantons rédimés“ (befreite Kantone) und später als<br />

Ost-Belgien oder Deutsch-Belgien bekannt. 193<br />

193 http://en.wikipedia.org/wiki/German_speaking_community_in_Belgium<br />

Mitte der 20er Jahre traten Deutschland und Belgien<br />

in Verhandlungen und das Königreich Belgien schien<br />

geneigt, die Region wieder Deutschland zu verkaufen. An<br />

dieser Stelle intervenierte die französische Regierung,<br />

die die gesamte Nachkriegsordnung gefährdet sah<br />

und die belgisch-deutschen Verhandlungen wurden<br />

eingestellt.<br />

Die neuen Kantone waren eben 20 Jahre bei Belgien,<br />

als Nazi-Deutschland 1940 einmarschierte. Die<br />

Mehrheit der Bevölkerung der Ostkantone begrüßte die<br />

Besatzer, da sie sich als Deutsche betrachteten. Doch<br />

nach der Kapitulation 1945 wurden die Ost-Kantone<br />

wieder von Belgien übernommen. Da der deutschsprachigen<br />

Bevölkerung dieser Kantone Kollaboration<br />

mit Nazi-Deutschland vorgeworfen wurde, versuchten<br />

die belgischen und wallonischen Behörden, das<br />

Gebiet sozial und kulturell noch stärker in den Staat<br />

zu integrieren.<br />

3.6.2 Der Aufbau der Autonomie<br />

Die deutschsprachige Gemeinschaft bildet eine<br />

autonome Gebietskörperschaft öffentlichen Rechts<br />

auf einem genau umgrenzten Gebiet Belgiens. Wie<br />

z.B. auch Nunavut in Kanada stellt diese Autonomie<br />

ein asymmetrisches Element im föderalen Aufbau<br />

des belgischen Staats dar, um die Interessen der<br />

kleinsten Volksgruppe Belgiens, den „Deutsch-<br />

Belgiern“ (rund 0,7% der Gesamtbevölkerung)<br />

Genüge zu leisten. Zur Zeit besteht Belgien aus drei<br />

Regionen (Flandern, Wallonien und Brüssel), die<br />

Gliedstaaten eines Föderalstaat entsprechen. Parallel<br />

dazu gibt es in Belgien drei ethnisch-sprachlich<br />

definierte Gemeinschaften, die wallonische, die

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