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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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3.12.3 Die Autonomieregelung<br />

Das Nunavut-Gesetz führt die Gesetzgebungsorgane<br />

<strong>für</strong> Nunavut ein, die aus einem Kommissar und der<br />

Legislativen Versammlung bestehen. Jedes der 19<br />

Mitglieder dieser Versammlung wird direkt in einem<br />

der Wahlkreise Nunavuts gewählt, und zwar von<br />

den legal ansässigen Bewohnern Nunavuts, die zu<br />

85% aus Inuit bestehen. 15 der 19 Mitglieder der<br />

Versammlung müssen auch ethnische Inuit sein. Da die<br />

Gesamtbevölkerung Nunavuts nur 25.000 Personen<br />

umfasst, könnte nämlich schon eine vorübergehend<br />

angelegte Siedlung von Bergwerksarbeitern die<br />

Zusammensetzung der regionalen Wählerschaft<br />

wesentlich ändern. Somit sieht das Autonomiegesetz<br />

vor, dass auf jeden Fall mindestens 15 Mitglieder der<br />

Versammlung Inuit sein müssen.<br />

Das Nunavut-Gesetz legt die Gesetz-gebungskompetenzen<br />

der autonomen Versammlung in Abgrenzung<br />

zu den Zuständigkeiten des kanadischen Bundesparlaments<br />

fest. Sie kann allgemeine Gesetze <strong>für</strong> die<br />

Bevölkerung Nunavuts verabschieden und die Durchführungs-gesetze<br />

zur Verwirklichung des Inuit Land<br />

Claims Agreement sowie Gesetze bezüglich der Einfuhr<br />

gefährlicher Stoffe nach Nunavut erlassen. Außerdem<br />

hat sie das ausschließliche Recht zu bestimmen, wer<br />

im Sinne des Nunavut Land Claims Agreement und den<br />

daraus folgenden Rechten und Ansprüchen als Inuit zu<br />

gelten hat. Auf jeden Fall werden allgemeine Einwanderungs-<br />

und Staatsbürgerschafts-fragen nach wie vor<br />

von der zuständigen Bundesbehörde geregelt.<br />

Die Befugnisse der Versammlung von Nunavut<br />

sind in dreifacher Hinsicht begrenzt. Zum ersten<br />

unterscheidet die kanadische Verfassung zwischen<br />

den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der<br />

Provinzen. So sind Verteidigung, Bankwesen, Post und<br />

Telekommunikation, die Geldpolitik, das Steuersystem<br />

und Währungsfragen ausschließlich Sache des<br />

Bundes. Zum zweiten ist die Bundesverfassung das<br />

Grundrecht des Staates, und jedes Gesetz Nunavuts,<br />

das in Widerspruch zur Verfassung steht, ist ungültig.<br />

Zum dritten kann das Bundesparlament im Fall<br />

der Verfassungs-widrigkeit von Nunavut-Gesetzen<br />

Sachbereiche anders regeln.<br />

Nunavut hat somit keine Befugnisse in der Außen-,<br />

Verteidigungs- und Schifffahrtspolitik. Es gibt keine<br />

speziellen Pässe <strong>für</strong> Nunavut und die Zoll- und<br />

Grenzkontrolle erfolgt generell durch kanadische<br />

Bundesbehörden. Doch können Personen, die keine<br />

ethnischen Inuit sind, ohne Einverständnis der Inuit<br />

nicht nach Nunavut einreisen und dort verbleiben,<br />

wobei einige Ausnahmen gelten. Militärmanöver<br />

3 Territorialautonomie am Werk<br />

dürfen in der Region nur nach Verhandlungen mit der<br />

zuständigen Agentur Nunavuts und des Abschlusses<br />

einer entsprechenden Übereinkunft abgehalten<br />

werden.<br />

Das Nunavut-Gesetz hat den Obersten Gerichtshof<br />

von Nunavut als Berufungs- und Höchstgericht des<br />

autonomen Territoriums konstituiert. Richter dieses<br />

Gerichts werden vom Gouverneur ernannt. Der Oberste<br />

Gerichtshof Kanadas ist die letzte Berufungsinstanz<br />

<strong>für</strong> Zivil- und Strafrechtsfälle in ganz Kanada.<br />

Wer hat das Recht, den politischen Status von Nunavut<br />

zu ändern? Nunavuts Status als autonomes Territorium<br />

ist vom kanadischen Parlament beschlossen worden<br />

und jede bedeutsame Änderung seiner Struktur<br />

oder seines Status bedarf der Zustimmung dieses<br />

Parlaments. Das Nunavut Land Claims Agreement<br />

sieht vor, dass nichts innerhalb dieses Abkommens<br />

„...bestimmen kann, dass die Inuit nicht als indigenes<br />

Volk Kanadas gelten und Kap. 2.7.1 unterliegen, und<br />

nichts ihr Recht berühren darf, in den Genuss der den<br />

zukünftig anerkannten indigenen <strong>Völker</strong>n Kanadas<br />

gewährten Rechten zu kommen“ (Art. 2.7.3).<br />

Auf internationaler Ebene sind die Inuit Nunavuts<br />

Mitglieder der „Inuit Circumpolar Conference“(ICC),<br />

die seit 1977 die rund 130.000 Inuit der Arktis<br />

repräsentiert. Die ICC ist im VN-Wirtschafts- und<br />

Sozialrat als Nichtregierungsorganisation akkreditiert<br />

und vertritt die Anliegen der Inuit in internationalen<br />

Umweltschutzfragen, in sozialen und kulturellen<br />

Fragen auf internationaler Ebene. In jüngster Zeit<br />

hat die Konferenz mehrfach auf Umweltbedrohungen<br />

hingewiesen, die durch die Erwärmung der<br />

Erdatmosphäre und die Verschmutzung der arktischen<br />

Meere die Lebenswelt der Inuit bedrohen.<br />

Vor der Einrichtung des autonomen Nunavut<br />

unterstanden die Inuit dem Kommissar <strong>für</strong> die<br />

Nordwestterritorien und dem Department of Indian<br />

Affairs and Northern Development. Das Nunavut-<br />

Gesetz änderte diese Struktur und schuf die Figur<br />

des C.E.O.(chief executive officer), dem Chef der<br />

Regionalregierung, der vom Gouverneur Kanadas<br />

in Nunavut auf Vorschlag der gesetzgebenden<br />

Versammlung zusammen mit einem Exekutivrat<br />

(Regierung) ernannt wird. Der erste CEO des<br />

autonomen Nunavut, der 34 Jahre alte Rechtsanwalt<br />

Paul Okalik, wurde am 1. April 1999 ernannt und ist<br />

heute (2006) noch im Amt.<br />

Die Verwaltung des riesigen Gebiets wird durch zehn<br />

entfernt voneinander gelegene Gemeinschaften<br />

abgewickelt, während die Gesamtkoordination bei<br />

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