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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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3 Territorialautonomie am Werk<br />

und IV des Autonomiestatuts folgende:<br />

1. die administrative Abgrenzung der<br />

Gemeinden der Region festzulegen;<br />

2. Gesetzentwürfe zur rationellen Nutzung und<br />

Erhaltung der natürlichen Ressourcen der<br />

Region zu erstellen;<br />

3. von den in der Region tätigen Beamten der<br />

Staatsministerien und zentralen Agenturen<br />

Berichte anzufordern und Aufklärung zu<br />

verlangen;<br />

4. eine regionale Regierung aus Mitgliedern der<br />

Regionalräte zu bilden;<br />

5. den eventuellen Rücktritt von Mitgliedern<br />

seiner Regierung akzeptieren;<br />

6. die Integration, Beteiligung und Entwicklung<br />

von Frauen in allen Aspekten des politischen,<br />

sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Lebens zu fördern;<br />

7. der Regionalregierung eine Geschäftsordnung<br />

zu geben;<br />

8. alle weiteren Befugnisse und Aufgaben<br />

mit welchen er vom Statut oder anderen<br />

Gesetzen beauftragt wird.<br />

Die Wahlrechtsbestimmungen des Autonomie-statuts<br />

konnten jedoch nicht verhindern, dass ein wachsender<br />

Anteil der Sitze der Regionalräte von Angehörigen<br />

der Mestizo-Mehrheit eingenommen wird, und zwar<br />

aus zwei Gründen: zum einen wegen der höheren<br />

Geburtenrate der Mestizos, zum anderen aufgrund der<br />

Migration aus Zentral- und West-Nicaragua.<br />

3.13.4 Neue Herausforderungen <strong>für</strong> die<br />

autonomen Regionen<br />

Zumindest offiziell werden die autonomen<br />

Atlantikregionen Nicaraguas immer wieder als eines der<br />

hervorragenden Beispiele interner Selbstbestimmung<br />

in Zentral- und Südamerika präsentiert. Tatsächlich<br />

sind gewisse Erfolge erzielt worden: kollektive<br />

Eigentumsrechte auf Grund und Boden sind in der<br />

nationalen Verfassung festge-schrieben worden,<br />

territoriale Selbstverwaltung ist <strong>für</strong> die ethnischen<br />

Minderheiten eingerichtet worden, interkulturelle<br />

Bildungsprogramme in verschiedenen indianischen<br />

Sprachen sind etabliert worden, dezentralisierte<br />

Gesundheits- und Bildungspogramme befinden sich<br />

in der Umsetzungsphase. Derartige Autonomierechte<br />

unterscheiden sich wesentlich vom Großteil ähnlicher<br />

Situationen in Mittel- und Südamerika, wo den<br />

indigenen <strong>Völker</strong>n in den besten Fällen nur ein sehr<br />

beschränktes Ausmaß an Selbstverwaltung auf<br />

kommunaler Ebene und einige kulturelle Gruppenrechte<br />

zuerkannt worden sind. Dieser Prozess trifft immer<br />

noch auf starke Opposition seitens der Regierungen<br />

und herrschender Eliten. Einige wichtige Gesetze zur<br />

Kontrolle und Nutzung natürlicher Ressourcen und<br />

des Grund und Bodens sowie die Übertragung von<br />

Zuständigkeiten <strong>für</strong> grundlegende öffentliche Dienste<br />

konnten veabschiedet werdent, doch verbleiben einige<br />

kritische Hindernisse <strong>für</strong> die volle Verwirklichung der<br />

Autonomie der Atlantikregionen: 226<br />

1. der geringere Beteiligung der indigenen <strong>Völker</strong><br />

und afrokaribischen Gemeinschaft an der politischen<br />

Vertretung.<br />

Seit Ende des bewaffneten Konflikts 1987 hat die Atlantikregion<br />

infolge der steigenden Einwanderung armer<br />

Mestizenfamilien aus dem zentralen und westlichen<br />

Nicaragua eine demographische Verschiebung<br />

erlebt. Heute übersteigt ihr Bevölkerungsanteil 70%.<br />

Dies führte zu einer sinkenden Vertretung der indigenen<br />

Gemeinschaften auf politischer Ebene, was vor<br />

allem in der Zusammensetzung des Regionalrates der<br />

RAAS ins Auge sticht. 227 Dies führte dazu, dass heute<br />

eine mestizische Mehrheit in der Region über zentrale<br />

Fragen der Autonomie befindet, einschließlich so<br />

wichtiger Rechte der indigenen <strong>Völker</strong> und afrokaribischen<br />

Gemeinschaften wie der Zugang zum Land und<br />

den natürlichen Ressourcen. Somit ist heute in den<br />

Regionen eine neue Qualität der Territorialautonomie<br />

gefordert, nämlich Formen der konkordanzdemokratischen<br />

Einbeziehung aller Gruppen in die politische<br />

Machtausübung zu entwickeln.<br />

2. Keine vollständige Legalisierung und Demarkierung<br />

der kollektiven Eigentumsrechte der indigenen <strong>Völker</strong><br />

Trotz der Sondergesetze über die Landrechte der<br />

indigenen <strong>Völker</strong> von 2003 hat die Regierung<br />

Nicaraguas noch immer nicht <strong>für</strong> die volle Legalisierung<br />

und Demarkierung der kollektiven Eigentumsrechte<br />

der indigenen <strong>Völker</strong> gesorgt. Dies brachte die größte<br />

politische Kraft der Indigenen der Region, die YATAMA<br />

(„Abkömmlinge der Mutter Erde“) dazu, eine Kampagne<br />

226 Vgl. Miguel Gonzales (2004), S. 11-12<br />

227 Diese Entwicklung ist an den Wahlergebnissen klar abzulesen.<br />

Nur 20 von 48 Mitgliedern des Regionalrats der RAAN waren<br />

in der Amtsperiode 2002-2006 Indianer, während 1990-94 die Indianer<br />

noch 28 und die Mestizen nur 17 Räte und andere Ethnien<br />

3 Räte stellten. Noch dramatischer aus der Sicht der Indianervölker<br />

stellt sich die Entwicklung in der RAAS dar: während 1990-94 von<br />

47 Mitgliedern 13 Indígena waren, ist deren Zahl in der Legislatur<br />

2002-2006 auf nur mehr 10 Räte geschrumpft. Dagegen stieg der<br />

Anteil der Kreolen und Mestizen auf 37. Dennoch ist in der RAAN<br />

heute mit Hurtado Baker ein Vertreter der indigenen YATAMA-Partei<br />

an der Spitze der Regierung in Koalition mit der Sandinistischen<br />

Partei.<br />

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