Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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3 Territorialautonomie am Werk<br />
identifizieren, also eine Art Willensnation bilden.<br />
Grundkriterium bildet jedenfalls die Bereitschaft,<br />
sich mit der katalanischen <strong>Gesellschaft</strong> und ihrer<br />
spezifischen Kultur und Sprache zu integrieren. Das<br />
Konzept nationaler Identität Kataloniens lässt sich<br />
somit als pluralistisch und inklusiv beschreiben.<br />
Aufgrund starker Migrationsbewegungen der<br />
vergangenen Jahrzehnte kann die kann die katalanische<br />
<strong>Gesellschaft</strong> heute schon als multikulturelle und<br />
mehrsprachige <strong>Gesellschaft</strong> bezeichnet werden. Die<br />
katalanische Sprache und Kultur wird dabei begriffen<br />
als übergreifende, gemeinschaftsstiftende Klammer.<br />
Wie ist die Autonomie Kataloniens verankert und<br />
welche Garantien gegen eine einseitige Abänderung<br />
des Statuts Kataloniens durch den Zentralstaat sind<br />
vorhanden? Wie die übrigen Autonomiestatute ist das<br />
Statut Kataloniens nicht mehr als ein Staatsgesetz,<br />
doch ist <strong>für</strong> eine Abänderung auch die Zustimmung<br />
der betroffenen Autonomen Gemeinschaft erforderlich.<br />
Theoretisch wird die Autonomie durch den besonderen<br />
Verfahrensweg ihrer Verabschiedung und Abänderung<br />
abgesichert, denn sowohl die Zustimmung<br />
Madrids wie Barcelonas ist da<strong>für</strong> erforderlich. Das<br />
Verfassungsgericht ist die letztentscheidende<br />
Instanz <strong>für</strong> die Interpretation des Statuts. Es gibt nur<br />
Hypothesen bezüglich der Möglichkeiten der Berufung<br />
vor Internationalen Gerichten, bei Verletzung des<br />
Statuts, weshalb die Autonomie im Wesentlichen<br />
eine innerstaatliche Angelegenheit bleibt. Das<br />
letzte Wort bei der Abänderung des katalanischen<br />
Autonomiestatuts spricht jedenfalls das Volk im Wege<br />
einer Volksabstimmung. Doch auch diesbezüglich kann<br />
das spanische Parlament eingreifen und Modalitäten<br />
einer solchen Volksabstimmung vorgeben, die<br />
wiederum vom Verfassungsrecht ausgelegt werden.<br />
Die Souveränität des katalanischen Volkes wird<br />
somit durch das höchste Gericht beschränkt, das ein<br />
Autonomiestatut auch nach erfolgter Volksabstimmung<br />
noch abändern kann.<br />
Katalonien hat auch einige Befugnisse im Zivilrecht, das<br />
sich von jenem anderer Autonomer Gemeinschaften<br />
leicht unterscheidet. Auch hier werden dem<br />
katalanischen Gesetzgeber Grenzen seitens des<br />
Verfassungsgerichts gesetzt.<br />
müssen zur Aufteilung der Kosten der Tätigkeiten und<br />
Dienstleistungen des Staats im Gebiet der Autonomen<br />
Gemeinschaft.<br />
Katalonien hat jedenfalls seine Finanzautonomie<br />
ausbauen können und mehr Spielraum <strong>für</strong> regionale<br />
Steuern und die Verhandlung der jährlich an den Staat<br />
abzutretenden Finanzvolumen des Steueraufkommens<br />
erhalten. Derzeit kann Katalonien 33% des Aufkommens<br />
der Einkommenssteuer der Region behalten. Auch diese<br />
Neuerungen sind von den spanischen Konservativen<br />
des PP vor dem Verfassungsgericht angefochten<br />
worden.<br />
Die katalanische Sprachenpolitik wird auf internationaler<br />
Ebene als eine der weitestreichenden Regelungen<br />
zur Anerkennung und öffentlichen Verwendung der<br />
autochthonen Sprache angesehen. Das Katalanische<br />
ist zur “lengua propia”, der in Katalonien heimischen<br />
Sprache, erklärt worden, also seiner Hauptsprache. Seit<br />
2006 hat jeder Bürger Kataloniens nicht nur das Recht,<br />
sondern auch die Pflicht, Katalanisch zu erlernen. Die<br />
Parlamentarische Versammlung des Europarats hat<br />
kürzlich das katalanische System der Sprachimmersion<br />
und andere Formen der Positivdiskrimierung zur<br />
Stärkung des Katalanischen begrüßt. Diese Formen<br />
der Immersion sollen das Katalanische als Sprache<br />
der sozialen Inklusion stärken. Katalanisch und<br />
Kastilianisch sind in Katalonien ko-offizielle Sprachen.<br />
Die öffentliche Verwaltung ist verpflichtet, die Bürger<br />
in der von ihnen gewählten Sprache zu bedienen. Doch<br />
in der Praxis ist im Alltag immer noch das Kastilianische<br />
dominant. Somit werden weitere Anstrengungen als<br />
nötig erachtet, um das Katalanische zu fördern und<br />
zu der in allen Bereichen des öffentlichen Lebens<br />
verwendeten Sprache zu machen. Die Oberschüler<br />
können frei entscheiden, in welcher Sprache sie<br />
ihre Reifeprüfung ablegen wollen. Die Autonome<br />
Verwaltung und die Gemeinden bevorzugen das<br />
Katalanische <strong>für</strong> öffentliche Rechtsakte, doch werden<br />
alle Gesetze und Verordnungen von rechts wegen in<br />
beiden Sprachen veröffentlicht. Jeder Beamte muss<br />
beide Amtssprachen beherrschen, was in speziellen<br />
Prüfungen festgestellt wird. Im Justizsystem und<br />
in einigen Staatsverwaltungen ist immer noch das<br />
Spanische vorherrschend.<br />
Kataloniens neues Finanzsystem ist nicht mehr<br />
jenes, das im Baskenland als “concierto economico”<br />
bezeichnet wird. Dies bedeutet, dass die autonome<br />
Regierung die Steuern selbst einhebt und eigenständig<br />
verausgabt, während der Zentralstaat und die<br />
Autonome Gemeinschaft eine Übereinkunft finden<br />
Das Baskenland und Katalonien haben seit den<br />
späten 1970er Jahren eine Vorreiterrollen bei der<br />
Weiterentwicklung des Autonomieprozesses gespielt.<br />
Die Autonomie Kataloniens von 2006 hat einen hohen<br />
Standard <strong>für</strong> den gesamten Staat gesetzt und damit<br />
den Weg geebnet <strong>für</strong> die Verbesserung des gesamten<br />
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