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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

Anhang – Teil 5<br />

Die wichtigsten Merkmale<br />

eines modernen<br />

Föderalstaats<br />

1) Die verfassungsrechtliche Verankerung der<br />

vertikalen Verteilung der Staatsaufgaben (Befugnisse)<br />

zwischen dem Zentralstaat und den konstitutiven<br />

Gliedstaaten.<br />

Schweizer Ständerat und der Bundesrat in Deutschland<br />

und Österreich vertreten die einzelnen Gliedstaaten<br />

bzw. Kantone, Bundesländer oder Provinzen. Ihre<br />

Mitglieder werden entweder direkt gewählt oder von<br />

den Parlamenten der Gliedstaaten delegiert. Oft haben<br />

alle Gliedstaaten dieselbe Anzahl von Vertretern in<br />

der zweiten Kammer unabhängig von ihrer Größe und<br />

Bevölkerung. Von der Zusammensetzung und Macht<br />

dieser Kammer ist immer ein entscheidendes Merkmal<br />

des föderalen Charakters eines Staats”. 411<br />

2) Die rechtliche Gleichstellung dieser Gliedstaaten<br />

untereinander: alle verfügen über ungefähr denselben<br />

Rang und Umfang an Zuständigkeiten.<br />

3) Gewählte Parlamente und Regierungen in jedem<br />

Gliedstaat, die auch meist über eigene Verfassungen<br />

oder Statuten verfügen.<br />

4) Die Beteiligung der Gliedstaaten an den<br />

Entscheidungsprozessen auf föderaler Ebene im<br />

Rahmen spezifischer Institutionen (vor allem über<br />

eine zweite Kammer des Bundesparlaments, die in<br />

anderer Weise gewählt wird als die erste Kammer des<br />

Parlaments)<br />

5) Die Gleichheit aller Bürger bei der Wahl der<br />

Volksvertretungen auf Bundesebene und in Bezug auf<br />

Bundesangelegenheiten.<br />

294<br />

Im klassischen Bundesstaat verfügen die einzelnen<br />

konstitutiven Territorialeinheiten (Gliedstaaten) auch<br />

über eigene Staatlichkeit einschließlich des Rechts<br />

auf Sezession. Der Föderalcharakter (von foedus,<br />

Abkommen oder Bund) eines Staats beinhaltete<br />

auch das Recht. Einseitig von einem Bund oder<br />

Vertrag zurückzutreten. Heute ist in den meisten<br />

Bundesstaaten kein derartiges Recht in den jeweiligen<br />

Verfassungen vorgesehen. In der Mehrzahl der<br />

heutigen Bundesstaaten haben alle Gliedstaaten<br />

dasselbe Ausmaß an Zuständigkeiten (symmetrische<br />

Machtverteilung), doch sind auch Abweichungen von<br />

diesem klassischen Muster zu beobachten.<br />

In asymmetrischen Bundesstaaten genießen einige<br />

Gliedstaaten einen größeren Machtumfang als andere<br />

Einheiten. „In nahezu allen heutigen Bundesstaaten<br />

setzt sich das Bundesparlament aus zwei Kammern<br />

zusammen. Eine Kammer vertritt die gesamte<br />

Staatsbevölkerung als solche, die andere die einzelnen<br />

Gliedstaaten. Der Senat der USA und Kanadas, der<br />

411 “Ethnische Unterschiede sind manchmal, aber nicht immer<br />

von Bedeutung. Regionale Verschiedenheiten sind von unterschiedlichem<br />

Gewicht. Doch ein Aspekt scheint in fast jedem Bundesstaat<br />

von herausragender Bedeutung zu sein: die Verteilung der Befugnisse<br />

zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten und damit zusammenhängend<br />

ein demokratisches Element, und somit ist Föderalismus eine<br />

spezifische Form von Demokratie: in der vertikalen Gewaltenteilung<br />

haben die konstitutiven Einheiten ihre eigenen Kompetenzen<br />

neben jenen der Zentralregierung. Diese Einheiten nehmen an der<br />

Politikgestaltung auf Bundesebene teil über ihre eigene Vertretung,<br />

i.d.R. eine zweite Kammer des Bundesparlaments.” Rudolf Bernhardt,<br />

Autonomy and Federalism, in Yoram Dinstein (ed.), Models<br />

of Autonomy, Tel Aviv 1981, S.24

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