Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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2.8 Vorteile von<br />
Autonomie<br />
Worin bestehen die wesentlichen Vorteile von<br />
Autonomie? Dies lässt sich naturgemäß am<br />
besten im Wege der Auswertung der empirischen<br />
Erfahrungen der heute in aller Welt funktionierenden<br />
Territorialautonomien darstellen, was in Kapitel 3<br />
und 4 geschehen wird. Vorteile können überdies nur<br />
dann formuliert werden, wenn die Grundanliegen<br />
von Autonomie geteilt werden. Doch sollte schon vor<br />
der Analyse bestehender Territorialautonomien kurz<br />
beleuchtet werden, welche positiven Effekte Territorialautonomie<br />
theoretisch haben kann, gegenüber den<br />
hypothetischen Risiken und Gefahren von Autonomie<br />
(Kap. 2.9).<br />
2.8.1 Vorteile von Autonomie<br />
1. Territorialautonomie verleiht Minderheiten,<br />
Minderheitenvölkern oder regionalen Gemeinschaften<br />
ein Mindestmaß an hoheitlicher Macht. Regionale<br />
Gemeinschaften können exekutive, legislative und<br />
judikative Befugnisse wahrnehmen, indem regionale<br />
Institutionen gewählt werden anstatt bloß auf nationaler<br />
Ebene politisch vertreten zu sein mit geringer Aussicht<br />
auf Einfluss und Machtbeteiligung. Lokale Probleme,<br />
die ansonsten vielleicht eine nationale Krise ausgelöst<br />
hätten, werden von der betroffenen Bevölkerung direkt<br />
gelöst. Autonomie verstärkt die politische Partizipation<br />
der Menschen.<br />
2. Territorialautonomie bietet, in Verbindung<br />
mit der Einhaltung von Rechtsstandards und dem<br />
Minderheitenschutz in der allgemeinen Politik eines<br />
Staates, nationalen Minderheiten eine bessere<br />
Chance auf die Erhaltung ihrer Kulturen, Sprachen<br />
und Identitäten. Sie versetzt Minderheiten in die Lage,<br />
die Hauptverantwortung <strong>für</strong> die Verwirklichung ihrer<br />
kulturellen Rechte und ihre kulturellen Entfaltung<br />
zu übernehmen. Autonomie ist eine Bedingung <strong>für</strong><br />
kulturelles Überleben.<br />
3. Territorialautonomie kann da<strong>für</strong> sorgen, dass<br />
Forderungen nach Sezession zurückgestellt oder<br />
beendet werden. Die Flexibilität dieses Instruments<br />
ermöglicht Kompromisse in verschiedenster Hinsicht<br />
bei der Gewaltenteilung und institutionellen<br />
2 Das Konzept der politischen Autonomie<br />
Ausformung. Autonomie ist eine Form interner<br />
Selbstbestimmung. Wenn die nationale Minderheit<br />
oder das Minderheitenvolk über ausreichend Freiheit<br />
und Mittel zur Identitätserhaltung verfügt, besteht<br />
kein dringender Bedarf mehr <strong>für</strong> Sezession. Autonomie<br />
kann Selbstbestimmung erlauben, ohne neue Grenzen<br />
und Staaten zu schaffen.<br />
4. Territorialautonomie kann die<br />
politische Integration ethnischer Gruppen und<br />
Minderheitenvölker in den Staat fördern. Autonomie<br />
erhöht die Möglichkeiten <strong>für</strong> regionale politische<br />
Kräfte einschließlich früherer militanter Gruppen, am<br />
politischen System teilzuhaben. Diese Teilhabe kann<br />
den politischen Pluralismus innerhalb ethnischer<br />
Gruppen und Minderheiten verstärken, was seinerseits<br />
die Integration in das demokratische Gesamtsystem<br />
fördert (nicht in die nationale <strong>Gesellschaft</strong>).<br />
5. Territorialautonomie trägt zur Stärkung der<br />
Verfassung und Lösung politischer Fragen auf der<br />
Grundlage des Verfassungsrechts bei. Autonomiearrangements<br />
setzen auf Rechtsstaatlichkeit,<br />
Gewaltenteilung und die Rolle unabhängiger<br />
Institutionen wie z.B. der Gerichtsbarkeit. Die<br />
Institutionen und Verfahren zur Regelung der<br />
Beziehungen zwischen dem Zentralstaat und der<br />
regionalen Gemeinschaft müssen auf rechtlich<br />
verankerten<br />
Streitschlichtungsverfahren,<br />
gegenseitigem Respekt und Kompromiss gegründet<br />
sein, wobei es auf Qualitäten der Partnerschaft<br />
ankommt.<br />
6. Territorialautonomie erlaubt die Lösung<br />
ethnischer Probleme ohne Ethnizität als einziges<br />
Paradigma festzuschreiben. Ihr Schwerpunkt liegt<br />
nämlich auf der geographischen Dimension einer Region<br />
und nicht so sehr auf der ethnischen Gruppe allein.<br />
Einige Formen der Autonomie stärken sehr wohl die<br />
Rolle der Ethnizität, wie etwa in Reservaten <strong>für</strong> indigene<br />
<strong>Völker</strong>, wo die kulturelle Dimension und das Bedürfnis<br />
des Schutzes der Gruppenidentität die Abgrenzung<br />
nach außen betont. Eine wichtige Eigenschaft<br />
von Territorialautonomie ist dagegen, dass sie nur<br />
funktionieren kann, wenn eine nationale Minderheit<br />
in geographisch konzentrierter Form siedelt und eine<br />
absolute oder relative Mehrheit in diesem Gebiet bildet.<br />
Das Bewusstsein einer Gruppe, hinsichtlich einer<br />
Vielzahl politischer Verantwortungsbereiche auf dem<br />
eigenen Gebiet selbst zuständig zu sein, verleiht einer<br />
Minderheit Sicherheit. Wenn die territoriale Dimension<br />
einer Autonomie im Vordergrund steht, verringert sie<br />
ethnische Spannungen.<br />
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