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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

heute die Grundlage der Autonomie von Kuna Yala.<br />

Im Rahmen ihrer Autonomie entwickelten die Kuna ein<br />

System direkter Demokratie, das 49 eigenständige<br />

Gemeinschaften im „Allgemeinen Kongress der<br />

Kuna“ zusammenführt. Jede Gemeinschaft hat ihre<br />

eigenen Regeln und ist eigenständig gegenüber den<br />

anderen. Jede Gemeinschaft entsendet vier Delegierte<br />

in den „Allgemeinen Kongress“ zur Diskussion und<br />

Entscheidung von Fragen, die alle Kuna betreffen.<br />

Wenn Panamas Zentralregierung irgendein Projekt in<br />

diesem Gebiet durchführen will, muss der „Allgemeine<br />

Kongress der Kuna“ einverstanden sein, denn ihm<br />

steht bei Entscheidungen innerhalb des autonomen<br />

Territoriums das letzte Wort zu.<br />

Die Institutionen der Comarca Kuna Yala sind somit<br />

folgende:<br />

a) der Allgemeine Kongress der Kuna-Kultur (Congreso<br />

General Kuna de la Cultura)<br />

b) der Allgemeine Kongress (die eigentliche autonome<br />

Versammlung)<br />

c) die Sailagan Dummagan oder Caciques und die<br />

lokalen Sailas<br />

d) die lokalen Kongresse (Dorfgemeinschaften)<br />

Die höchste Instanz von Kuna Yala ist zwar der<br />

Kulturkongress, doch die eigentliche politische Autorität<br />

kommt in Kuna Yala dem Allgemeinen Kongress zu, der<br />

sich aus Vertretern aller Kuna-Gemeinschaften des<br />

autonomen Territoriums zusammensetzt und zweimal<br />

im Jahr tagt. Jede Gemeinschaft hat eine Stimme,<br />

unabhängig von ihrer Bevölkerung und der Größe<br />

ihres Territoriums. Andere Teile des Statuts definieren<br />

die Rolle und die Pflichten der sailas, der Vorsitzenden<br />

der einzelnen Gemeinschaften auf politischem,<br />

administrativem Gebiet und in der Gerichtsbarkeit.<br />

Staatliche Institutionen, insbesondere jene im<br />

Bildungswesen und in der Verteidigung, werden zwar<br />

akzeptiert, doch die in Kuna Yala tätigen Lehrpersonen<br />

und Soldaten müssen Kuna sein. Panama hat im Jahr<br />

2000 nach dem Muster seines Nachbarn Costa Rica<br />

seine Armee abgeschafft.<br />

Das Bildungssystem ist zweisprachig und interkulturell<br />

und wird in Partnerschaft zwischen dem Kuna-<br />

Kulturkongress und den staatlichen Schulbehörden<br />

geführt. Der Kuna-Kulturkongress ist auch befugt,<br />

religiöse Sekten zuzulassen, sofern ihre Tätigkeit nicht<br />

in Widerspruch zur Kuna-Religion steht. In der carta<br />

organica, dem Autonomiestatut, werden auch die<br />

Formen des Gemeinschaftseigentums, das matrilokale<br />

Eherecht und zahlreiche Aspekte der Kuna-Kultur<br />

geregelt.<br />

Die Bewohner von Kuna Yala erhielten gemäß<br />

Autonomiegesetz von 1953 das Recht, ihre<br />

Küstengewässer und die Kautschukvorkommen<br />

ausschließlich selbst zu nutzen. Doch behielt sich<br />

der Zentralstaat das Recht vor, bei „nationalen<br />

Prioritäten“ in Kuna Yala intervenieren zu dürfen.<br />

Die Zentralregierung ist immer noch <strong>für</strong> die Vergabe<br />

von Schürflizenzen und Explorationsgenehmigungen<br />

zuständig, muss jedoch Kompensationszahlungen an<br />

die betroffene Bevölkerung leisten.<br />

Der Landbesitz ist in Kuna Yala kommunitär geregelt,<br />

wobei aber auch Privatbesitz an Häusern und im<br />

Hofbereich zugelassen ist. Das kommunale Land<br />

ist offiziell parzelliert und wird jeweils einer Familie<br />

zur Bewirtschaftung überlassen. Auch einige<br />

Genossenschaften und lokale Gemeinschaften besitzen<br />

Grund und Boden. Die wichtigste Lebensgrundlage<br />

sind Fisch, Ackerbau und Wild. In jüngster Zeit hat<br />

Kuna Yala einen sehr dynamischen Aufschwung des<br />

Tourismus erlebt. Auf Tagestouren besuchen immer<br />

mehr Touristen das Gebiet und kaufen die berühmten<br />

mola-Textilien.<br />

In der Kuna-<strong>Gesellschaft</strong> gibt es noch verschiedene<br />

Elemente der matrilinearen Organisation, mit einer<br />

starken Rolle der Frauen im öffentlichen Leben mit<br />

Ausnahme der Politik. Alle natürlichen Ressourcen und<br />

die Artenvielfalt als solche sind zum gemeinsamen<br />

Eigentum des Volks der Kuna erklärt worden. Für jede<br />

Art von privater oder staatlicher Ausbeutung von<br />

Bodenschätzen ist die Genehmigung der Regierung<br />

der Kuna unverzichtbar. Die Entwicklung des Tourismus<br />

ist ebenso den Bewohnern von Kuna Yala vorbehalten<br />

und soll mit eigenen Gesetzen geregelt werden, um<br />

die Kuna-Kultur zu erhalten. 1996 hat der allgemeine<br />

Kuna-Konmgress das „Tourismusstatut <strong>für</strong> Kuna Yala“<br />

verabschiedet, das strenge Auflagen <strong>für</strong> eine sozialund<br />

umweltverträgliche Entwicklung des Tourismus im<br />

autonomen Gebiet setzt.<br />

3.14.3 Das Verhältnis zwischen Staat<br />

und autonomer Region<br />

Die Beziehungen zwischen den Kuna und dem Staat<br />

Panama waren lange konfliktträchtig. Während die<br />

Kuna nach einer effizienteren und besser verankerten<br />

Autonomie strebten, verfolgten die Zentralregierungen<br />

ökonomische Interessen und gerieten damit der<br />

Autonomie Kuna Yalas ins Gehege. Aus zwei Beispielen<br />

der jüngsten Geschichte Kuna Yalas tritt klarer hervor,<br />

wie die Kuna ihre Interessen gegenüber staatlicher

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