Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
152<br />
<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
heute die Grundlage der Autonomie von Kuna Yala.<br />
Im Rahmen ihrer Autonomie entwickelten die Kuna ein<br />
System direkter Demokratie, das 49 eigenständige<br />
Gemeinschaften im „Allgemeinen Kongress der<br />
Kuna“ zusammenführt. Jede Gemeinschaft hat ihre<br />
eigenen Regeln und ist eigenständig gegenüber den<br />
anderen. Jede Gemeinschaft entsendet vier Delegierte<br />
in den „Allgemeinen Kongress“ zur Diskussion und<br />
Entscheidung von Fragen, die alle Kuna betreffen.<br />
Wenn Panamas Zentralregierung irgendein Projekt in<br />
diesem Gebiet durchführen will, muss der „Allgemeine<br />
Kongress der Kuna“ einverstanden sein, denn ihm<br />
steht bei Entscheidungen innerhalb des autonomen<br />
Territoriums das letzte Wort zu.<br />
Die Institutionen der Comarca Kuna Yala sind somit<br />
folgende:<br />
a) der Allgemeine Kongress der Kuna-Kultur (Congreso<br />
General Kuna de la Cultura)<br />
b) der Allgemeine Kongress (die eigentliche autonome<br />
Versammlung)<br />
c) die Sailagan Dummagan oder Caciques und die<br />
lokalen Sailas<br />
d) die lokalen Kongresse (Dorfgemeinschaften)<br />
Die höchste Instanz von Kuna Yala ist zwar der<br />
Kulturkongress, doch die eigentliche politische Autorität<br />
kommt in Kuna Yala dem Allgemeinen Kongress zu, der<br />
sich aus Vertretern aller Kuna-Gemeinschaften des<br />
autonomen Territoriums zusammensetzt und zweimal<br />
im Jahr tagt. Jede Gemeinschaft hat eine Stimme,<br />
unabhängig von ihrer Bevölkerung und der Größe<br />
ihres Territoriums. Andere Teile des Statuts definieren<br />
die Rolle und die Pflichten der sailas, der Vorsitzenden<br />
der einzelnen Gemeinschaften auf politischem,<br />
administrativem Gebiet und in der Gerichtsbarkeit.<br />
Staatliche Institutionen, insbesondere jene im<br />
Bildungswesen und in der Verteidigung, werden zwar<br />
akzeptiert, doch die in Kuna Yala tätigen Lehrpersonen<br />
und Soldaten müssen Kuna sein. Panama hat im Jahr<br />
2000 nach dem Muster seines Nachbarn Costa Rica<br />
seine Armee abgeschafft.<br />
Das Bildungssystem ist zweisprachig und interkulturell<br />
und wird in Partnerschaft zwischen dem Kuna-<br />
Kulturkongress und den staatlichen Schulbehörden<br />
geführt. Der Kuna-Kulturkongress ist auch befugt,<br />
religiöse Sekten zuzulassen, sofern ihre Tätigkeit nicht<br />
in Widerspruch zur Kuna-Religion steht. In der carta<br />
organica, dem Autonomiestatut, werden auch die<br />
Formen des Gemeinschaftseigentums, das matrilokale<br />
Eherecht und zahlreiche Aspekte der Kuna-Kultur<br />
geregelt.<br />
Die Bewohner von Kuna Yala erhielten gemäß<br />
Autonomiegesetz von 1953 das Recht, ihre<br />
Küstengewässer und die Kautschukvorkommen<br />
ausschließlich selbst zu nutzen. Doch behielt sich<br />
der Zentralstaat das Recht vor, bei „nationalen<br />
Prioritäten“ in Kuna Yala intervenieren zu dürfen.<br />
Die Zentralregierung ist immer noch <strong>für</strong> die Vergabe<br />
von Schürflizenzen und Explorationsgenehmigungen<br />
zuständig, muss jedoch Kompensationszahlungen an<br />
die betroffene Bevölkerung leisten.<br />
Der Landbesitz ist in Kuna Yala kommunitär geregelt,<br />
wobei aber auch Privatbesitz an Häusern und im<br />
Hofbereich zugelassen ist. Das kommunale Land<br />
ist offiziell parzelliert und wird jeweils einer Familie<br />
zur Bewirtschaftung überlassen. Auch einige<br />
Genossenschaften und lokale Gemeinschaften besitzen<br />
Grund und Boden. Die wichtigste Lebensgrundlage<br />
sind Fisch, Ackerbau und Wild. In jüngster Zeit hat<br />
Kuna Yala einen sehr dynamischen Aufschwung des<br />
Tourismus erlebt. Auf Tagestouren besuchen immer<br />
mehr Touristen das Gebiet und kaufen die berühmten<br />
mola-Textilien.<br />
In der Kuna-<strong>Gesellschaft</strong> gibt es noch verschiedene<br />
Elemente der matrilinearen Organisation, mit einer<br />
starken Rolle der Frauen im öffentlichen Leben mit<br />
Ausnahme der Politik. Alle natürlichen Ressourcen und<br />
die Artenvielfalt als solche sind zum gemeinsamen<br />
Eigentum des Volks der Kuna erklärt worden. Für jede<br />
Art von privater oder staatlicher Ausbeutung von<br />
Bodenschätzen ist die Genehmigung der Regierung<br />
der Kuna unverzichtbar. Die Entwicklung des Tourismus<br />
ist ebenso den Bewohnern von Kuna Yala vorbehalten<br />
und soll mit eigenen Gesetzen geregelt werden, um<br />
die Kuna-Kultur zu erhalten. 1996 hat der allgemeine<br />
Kuna-Konmgress das „Tourismusstatut <strong>für</strong> Kuna Yala“<br />
verabschiedet, das strenge Auflagen <strong>für</strong> eine sozialund<br />
umweltverträgliche Entwicklung des Tourismus im<br />
autonomen Gebiet setzt.<br />
3.14.3 Das Verhältnis zwischen Staat<br />
und autonomer Region<br />
Die Beziehungen zwischen den Kuna und dem Staat<br />
Panama waren lange konfliktträchtig. Während die<br />
Kuna nach einer effizienteren und besser verankerten<br />
Autonomie strebten, verfolgten die Zentralregierungen<br />
ökonomische Interessen und gerieten damit der<br />
Autonomie Kuna Yalas ins Gehege. Aus zwei Beispielen<br />
der jüngsten Geschichte Kuna Yalas tritt klarer hervor,<br />
wie die Kuna ihre Interessen gegenüber staatlicher