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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

3.8 Die Autonome<br />

Republik Krim (Ukraine)<br />

128<br />

Bevölkerung (2002) 2.000.192<br />

Fläche 26.100 km 2<br />

Hauptstadt<br />

Sinferopol<br />

Ethnische<br />

Russen: 1,180.000 (58,3%)<br />

Zusammensetzung Ukrainer: 492.000 (24,3%)<br />

Tataren: 243.400 (12%),<br />

kleinere ethnische Gruppen:<br />

5,4%<br />

Amtssprachen<br />

Russisch, Ukrainisch,<br />

Tatarisch<br />

Autonomie seit 1994<br />

http://en.wikipedia.org/<br />

Die Krim ist eines der wenigen Beispiele <strong>für</strong> die<br />

Errichtung einer autonomen Region innerhalb eines<br />

Einheitsstaates Osteuropas. Zur Lösung des Konflikts<br />

um die Halbinsel Krim mussten drei antagonistische<br />

Kräfte zusammenfinden: der ukrainische Nationalismus,<br />

der russische Irredentismus (die absolute Mehrheit der<br />

Bevölkerung der Krim sind immer noch Russen) und<br />

die Krim-Tataren, die eigentliche indigene Volksgruppe,<br />

die Stalin im Mai 1944 kollektiv deportieren ließ.<br />

Symbolisch, literarisch und historisch gesehen weist<br />

die Halbinsel Krim mehrere Identitäten auf: 207<br />

„Die Krim ist in den verschiedenen nationalen<br />

Mythologien unterschiedlich verortet. Für die<br />

Ukrainer war sie der Außenposten der Kosaken<br />

zum Meer, <strong>für</strong> die Russen war sie das Kronjuwel<br />

des Zarenreichs und ein Schauplatz militärischer<br />

Glorie oder zumindest von glorreichen Niederlagen,<br />

das emotionsbeladenste Symbol des früheren<br />

Sowjetreichs, das Moskau 1991 verlor. Für die<br />

Krimtataren ist die Halbinsel ihr angestammtes<br />

Heimatland.“<br />

Die Krimtataren haben keine echte Schutzmacht, denn<br />

auch die autonome Republik Tatarstan in Russland kann<br />

trotz der Beziehungen auf kultureller Ebene kaum eine<br />

solche Rolle auf politischer Ebene übernehmen. Doch<br />

versuchen die Organisationen der rund 6,5 Millionen<br />

Tataren - sowohl der tatarischen Diaspora wie auch<br />

der Russischen Föderation - Einfluss auf die Ukraine<br />

zugunsten der Krimtataren zu nehmen. Russland als<br />

solches erhob seinerseits zunächst irredentistische oder<br />

gar sezessionistische Forderungen bezüglich der Krim,<br />

akzeptierte aber später die Rolle einer Schutzmacht<br />

207 Wilson, A. (2002), The Ukrainians: Unexpected Nation, New<br />

Haven, Yale Nota Bene, 2002, zitiert in Bill Bowring, The Crimean<br />

autonomy – Innovation or anomaly? in: Weller/Wolff ( 2005), S.75<br />

<strong>für</strong> die nationale Minderheit der Russen auf der Krim,<br />

die ebenfalls auf eine lange Siedlungsgeschichte auf<br />

der Halbinsel zurückblicken kann.<br />

3.8.1 Die Entstehung der Autonomie<br />

Die Halbinsel Krim, die südlichste Region der Republik<br />

Ukraine, hat eine lange Geschichte des Zusammenlebens<br />

verschiedener Volksgruppen. Abgesehen von vielen<br />

Mythen und Legenden ist heute nachgewiesen,<br />

dass die Tataren erst an der Seite der mongolischen<br />

„Goldenen Horden“ im 13. Jahrhundert in die Krim<br />

einfielen und sich mit anderen, schon länger dort<br />

seßhaften Volksgruppen vermischten. 1441 wurde das<br />

unabhängige tatarische Khanat auf der Krim begründet,<br />

das wiederholt unter osmanische Herrschaft geriet,<br />

auf Dauer erst 1745. 1783 besetzte und annektierte<br />

das russische Zarenreich die Krim. Im 19. Jahrhundert<br />

erfuhr die Krim eine zunehmende Russifizierung, die<br />

Tausende von Tataren in die Emigration zwang. Der<br />

Exodus der Tataren beschleunigte sich nach dem<br />

Krimkrieg 1853-56, den das Osmanenreich verlor.<br />

Dieser Krieg verwüstete die Halbinsel auch in seiner<br />

Sozialstruktur nachhaltig. Die Tataren mussten infolge<br />

der kriegsbedingten Zerstörung, der Verfolgung durch<br />

die Russen und Landkonfiszierungen ihr Heimatland<br />

in Massen verlassen. Wer Emigration, den Hunger<br />

und die Krankheiten überlebte, ließ sich vor allem<br />

in der Dobrogea in Anatolien und anderen Gebieten<br />

des osmanischen Reichs nieder. Zum ersten Mal seit<br />

dem 13. Jahrhundert waren die Tataren zur Minderheit<br />

auf der Krim geworden, während die Mehrheit in der<br />

Diaspora lebte. Schließlich entschloss sich Russland,<br />

die tatarische Emigration zu stoppen, da immer mehr<br />

fruchtbares Land unbearbeitet blieb. Während des<br />

russischen Bürgerkriegs 1917-18 war die Krim eine<br />

Hochburg der antibolschewistischen Weißen Armee<br />

und hier erlitten die „Weißen“, geführt von General

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