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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

258<br />

abgeleitet werden. Yash Ghai 386 fasst die Bedingungen<br />

<strong>für</strong> den Erfolg eines Autonomiesystems folgendermaßen<br />

zusammen, wobei er von der Annahme ausgeht, dass<br />

„Konflikt menschlichen Gruppen und Organisationen<br />

innewohnt. Die Kernfrage ist, ob Konflikt in einem<br />

zivilen Prozess mit fairen Regeln, durch Dialog und<br />

Verhandlung ausgetragen wird, im Rahmen der<br />

Zusammenarbeit und Versöhnung“. 387<br />

1. Autonomie wird wahrscheinlich dann eingerichtet,<br />

wenn die internationale Gemeinschaft in die<br />

Konfliktlösung einbezogen wird. Internationaler Druck<br />

zur Akzeptanz von Autonomie ist durch die Bereitschaft<br />

der Konfliktparteien erleichtert worden, Autonomie bei<br />

internationaler Garantieleistung einzurichten. Die EU<br />

und die OSZE z.B. haben eine rasche Integration in die<br />

EU angeboten, wenn eine Autonomielösung erreicht<br />

werden sollte.<br />

2. <strong>Autonomiesysteme</strong> gelingen wahrscheinlich besser<br />

in Staaten mit einer langen Tradition von Demokratie<br />

und Rechtsstaatlichkeit.<br />

3. Autonomien gelingen wahrscheinlich eher, wenn<br />

ein autonomes Gebiet klein ist, wenig Ressourcen<br />

aufweist und insgesamt <strong>für</strong> den Staat von marginaler<br />

Bedeutung ist.<br />

4. Autonomien gelingen eher, wenn es keinen Streit<br />

über die staatliche Souveränität gibt.<br />

5. Autonomien gelingen eher, wenn mehrere<br />

Volksgruppen durch sie begünstigt werden.<br />

6. Autonomien werden leichter gewährt und haben<br />

eher Erfolg, wenn sie nicht explizit auf Ethnizität<br />

gründen.<br />

7. <strong>Autonomiesysteme</strong>, die in einer demokratischen<br />

Weise mit offener Beteiligungsmöglichkeit ausgehandelt<br />

worden sind, haben bessere Erfolgschancen als jene,<br />

die von oben herab diktiert worden sind.<br />

8. <strong>Autonomiesysteme</strong>, die ständige Beratung und<br />

Mechanismen zur Neuverhandlung einschließen, haben<br />

eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit. Unabhängige<br />

Streitschlichtungsinstanzen sind bei einer langfristigen<br />

Lösung unerlässlich.<br />

9. Autonomien gelingen eher, wenn es eine eingebaute<br />

Flexibilität gibt, um ständige Weiterentwicklung des<br />

Systems zu ermöglichen.<br />

10. Eine sorgfältiger Aufbau der Institutionen ist<br />

386 Yash Ghai (2000), International Conflict Resolution after the<br />

Cold War, National Academics Press, Hong Kong, S. 506<br />

387 “Autonomie wird als auf lange Sicht erfolgreich betrachtet,<br />

wenn sie auf Dauer eingerichtet worden ist und demokratische<br />

Strukturen die Interessen der autonomen Einheit vertreten. Autonomie<br />

ist in kurzfristiger Perspektive positiv, wenn sie Mechanismen<br />

etabliert hat, die zur friedlichen Lösung politischer Konflikte führen.”<br />

Vgl. Andi Gross, DOC 9824, 3. Juni 2003, S. 45, unter: http://<br />

www.coe.int/<br />

wesentlich <strong>für</strong> das Gelingen einer Autonomie.<br />

Andi Gross nennt in seinem Report an den Europarat<br />

folgende Grundfaktoren <strong>für</strong> den Erfolg von<br />

Autonomieregelungen: 388<br />

a) Die rechtliche Ausgestaltung<br />

Die Geschichte hat gezeigt, dass die Legitimation einer<br />

Autonomie besser begründet ist, wenn das betroffene<br />

Territorium klar abgegrenzt und die kulturelle<br />

Dimension klar definiert ist.<br />

b) Geopolitische und demographische Aspekte<br />

Die Entfernung einer autonomen Region vom<br />

Sitz der Zentralregierung kann die Beziehungen<br />

zwischen den zwei Regierungsebenen beeinflussen.<br />

Schlüsselfaktoren sind die Zahl und Größe der<br />

ethnischen Gruppen, aus welchen sich die Bevölkerung<br />

der Region zusammensetzt, das Verhältnis zwischen<br />

diesen Gruppen und zwischen ihnen und der<br />

Zentralregierung und das Verhältnis zwischen den<br />

Minderheiten und der Mehrheitsbevölkerung eines<br />

Staats.<br />

c) Politische und institutionelle Aspekte<br />

Der Erfolg eines Autonomiesystems hängt von<br />

gewissen politischen Grundbedingungen ab, wie<br />

z.B. von der Qualität der Beziehungen zwischen der<br />

autonomen Einheit, dem Staat und den Nachbarstaaten<br />

sowie von klaren Regelungen <strong>für</strong> die Aufteilung der<br />

Zuständigkeiten zwischen den zentralen Behörden und<br />

diesen Einheiten. Wenn die Region und der Zentralstaat<br />

dieselben Anliegen teilen, wird der Zentralstaat mehr<br />

Machtbereiche und Befugnisse abtreten.<br />

d) Soziale, finanzielle und institutionelle Aspekte<br />

Die materiellen, finanziellen Ressourcen, die die<br />

autonomen Einheiten in die Lage versetzen, ihre<br />

autonomen Befugnisse auch wirklich auszuüben,<br />

müssen gut geregelt sein.<br />

e) Kulturelle Aspekte<br />

Wenn die Angehörigen einer Minderheit einer<br />

besonderen Region einen substanziellen Anteil der<br />

Bevölkerung dieser Region bildet, sollten geeignete<br />

Maßnahmen zur Erhaltung ihrere Identität ergriffen<br />

werden.<br />

f) Achtung der Menschenrechte<br />

Diese Frage ist in <strong>Autonomiesysteme</strong>n von ganz<br />

388 Europarat, Positive experiences of autonomous regions as a<br />

source of inspiration for conflict resolution in Europe (Berichterstatter:<br />

Andi Gross), DOC 9824, 3 June 2003, http://www.coe.int/. In<br />

diesem Report bezeichnet Andi Gross die Åland Inseln und Südtirol<br />

als die beiden historisch gesehen erfolgreichsten Beispiele von Autonomie.

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