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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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3 Territorialautonomie am Werk<br />

anderen System zugeteilt, um eventuelle ungleiche<br />

Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlkreisen<br />

auszugleichen. Die Wählerschaft der Färöer wählt auch<br />

direkt zwei Abgeordnete zum dänischen Folketing,<br />

ebenfalls <strong>für</strong> eine Amtszeit von 4 Jahren.<br />

Auf den Färöern gibt es eine lokale Gerichtsbarkeit<br />

<strong>für</strong> nicht so schwer wiegende Fälle des Zivil- und<br />

Strafrechts. Gravierende Fälle und Berufungsprozesse<br />

in 1. Instanz werden vom Hohen Gericht von Torshavn<br />

behandelt. Der entsprechende Appellations-gerichtshof<br />

ist das dänische Höchstgericht in Kopenhagen.<br />

1948 erhielten die Färöer die Zuständigkeit, alle<br />

regionalen Angelegenheiten eigenständig zu<br />

regeln. Diese schließen heute auch das Wahlrecht,<br />

die Gemeindeordnung, das Gesundheits- und<br />

Bildungswesen, die Sozialhilfe, das Handelsrecht und<br />

lokale Steuerwesen ein. Die autonomen Institutionen<br />

können die regionale Wirtschaftspolitik, z.B. über die<br />

Kompetenzen in der Raumordnung, Landwirtschaft,<br />

Industrie und Fischerei und im sog. „Meeresressourcenmanagement“<br />

frei gestalten. Finanziert werden die<br />

autonomen Zuständigkeitsbereiche vor allem durch die<br />

Abtretung des lokalen Aufkommens der Einkommens-,<br />

Mehrwert- und anderer indirekter Steuern an die<br />

autonome Inselregion sowie durch einen zusätzlichen<br />

Jahresbeitrag der dänischen Regierung. Die Färöer<br />

können auch eigene Steuern einführen, einschließlich<br />

von Abgaben auf die Einfuhren.<br />

Alle dänischen Gesetze müssen, bevor sie auf den<br />

Inseln in Kraft treten können, dem Landeshauptmann<br />

vorgelegt werden. Die dänische Regierung bleibt<br />

zuständig <strong>für</strong> die Verteidigung, Außenpolitik, die<br />

Justiz- und Währungspolitik. Dennoch ist es den<br />

Färöern gestattet, eigenständig Verhandlungen mit<br />

Drittländern im Bereich Handel und Fischerei zu führen.<br />

Ein Sonderberater <strong>für</strong> die Angelegenheiten der Färöer<br />

ist im dänischen Außenministerium <strong>für</strong> die Koordination<br />

dänischer und färöerischer Interessen abgestellt,<br />

Streitigkeiten bezüglich der Kompetenzenabgrenzung<br />

zwischen Zentralstaat und den Färöern werden von<br />

einem gemeinsamen Komitee geschlichtet.<br />

Die rechtliche Definition eines Bewohners der Färöer<br />

enthält keine Erwähnung irgendeines ethnischen<br />

oder sprachlichen Kriteriums. Die spezifische<br />

„Färöer Nationalität” wird durch den Pass der Färöer<br />

kenntlich. Färöerisch ist als Hauptsprache der Inseln<br />

anerkannt, doch kann auch Dänisch im Verkehr mit der<br />

öffentlichen Verwaltung verwendet werden. Gemäß<br />

Autonomiegesetz ist die gesamte Verantwortung <strong>für</strong><br />

kulturelle Angelegen-heiten den Färöer Institutionen<br />

übertragen.<br />

3.5.3 Jüngste Entwicklungen<br />

Die Färöer sind als autonomes Gebiet Teil des<br />

souveränen Staats Dänemark. 186 Laut Autonomiegesetz<br />

haben die Inseln kein Recht, das Rechtsverhältnis<br />

mit Dänemark einseitig abzuändern. Dennoch kamen<br />

die Färöer und die dänische Regierung im Juni 1998<br />

überein, eine Volksabstimmung über den politischen<br />

Status der Färöer zuzulassen. Entsprechend dem<br />

Wunsch der Mehrheit der Färöer sind die Inseln von der<br />

Mitgliedschaft in der EU ausgenommen, der Dänemark<br />

angehört.<br />

Einst waren die Färöer eine Art norwegische Kolonie,<br />

doch nachdem die norwegischen Könige eine<br />

zentralisierte Herrschaft errichteten, wollten die<br />

Färöer eigenständig bleiben. Diese Tradition lebt in<br />

den heutigen Färöer Institutionen weiter. 1967 traten<br />

die Färöer der EFTA als ein “bezüglich Handelsfragen<br />

autonomes, dänisches Inselgebiet” bei, verließen<br />

sie aber wieder am 1.1.1972, als Dänemark der<br />

Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG beitrat.<br />

Seitdem haben die Färöer eine Reihe von günstigen<br />

bilateralen Handelsabkommen mit der EU und<br />

einzelnen EU-Mitgliedern abgeschlossen.<br />

Die Parteipolitik der Färöer artikuliert sich längs<br />

zweier thematischer Achsen. Zum einen die Frage<br />

des Verhältnisses zu Dänemark mit der Bandbreite an<br />

Positionen von der Beibehaltung des Status Quo bis hin<br />

zur vollen Souveränität; zum anderen das traditionelle<br />

Themenspektrum skandina-vischer Innenpolitik. Nach<br />

den Wahlen von 2004 sind im Landesparlament vier<br />

Parteien vertreten: die Volkspartei mit 8 Sitzen, die<br />

Unionistische Partei mit 7 Sitzen, die Sozialdemokraten<br />

mit 7 Sitzen und die Republikanische Partei mit 8 Sitzen.<br />

Erstere drei Parteien bilden derzeit die Regierung, die<br />

B. Eidesgaars zum Premierminister bestimmt hat.<br />

Seine Regierung betont, dass eine Erweiterung der<br />

Autonomie im Rahmen des Königreichs Dänemark<br />

und auf Grundlage des Autonomiegesetzes von 1948<br />

vorangetrieben werden sollte. Zunächst sollte aber<br />

die Färöer Verwaltung und Wirtschaft überhaupt in die<br />

Lage versetzt werden, eine freie Assoziation oder gar<br />

Unabhängigkeit zu meistern.<br />

Zwei Unabhängige und die Republikanische Partei mit<br />

186 International Committee of Lawyers for Tibet, Forms of<br />

Autonomy, New York 1999, S.132<br />

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