Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Minderheiten unverzichtbar sind.<br />
- Einzelpersonen und Gruppen haben das<br />
Recht, zu entscheiden, ob sie ihre Namen in der<br />
Minderheitensprache führen wollen, und ihre Namen<br />
amtlich anerkennen zu lassen.<br />
- Unter Berücksichtigung der Vorgabe bildungspolitischer<br />
Richtlinien durch die Regierungsbehörden können<br />
Institutionen der Minderheiten die Lehrpläne <strong>für</strong> den<br />
Unterricht in ihren Minderheitensprachen, Kulturen<br />
oder beidem festlegen.<br />
- Minderheiten können ihre eigenen Symbole und<br />
andere Ausdrucksformen ihrer Kultur bestimmen und<br />
gebrauchen.<br />
(B) Territoriale Maßnahmen<br />
19. In allen Demokratien gibt es Vorkehrungen <strong>für</strong> die<br />
Regierungsführung auf verschiedenen<br />
territorialen Ebenen. Die Erfahrungen in Europa und<br />
andernorts zeigen, dass es sinnvoll ist, bestimmte<br />
legislative und exekutive Funktionen von der<br />
zentralen auf die regionale Ebene zu verlagern, wobei<br />
es um mehr geht als eine Dezentralisierung der<br />
zentralen staatlichen Verwaltung von der Hauptstadt<br />
in regionale oder lokale Dienststellen. In Anwendung<br />
des Subsidiaritätsprinzips sollten die Staaten eine<br />
solche Delegierung von Befugnissen nach territorialen<br />
Gesichtspunkten, einschließlich spezifischer<br />
Selbstverwaltungsfunktionen insbesondere dann<br />
in Erwägung ziehen, wenn dadurch die Chancen<br />
von Minderheiten verbessert werden, in sie selbst<br />
betreffenden Angelegenheiten Regierungsgewalt<br />
auszuüben.<br />
20. Geeignete lokale, regionale oder autonome<br />
Verwaltungsbehörden, die den spezifischen<br />
historischen und territorialen Verhältnissen nationaler<br />
Minderheiten entsprechen, können eine Reihe von<br />
Funktionen übernehmen, um den Anliegen dieser<br />
Minderheiten wirksamer Rechnung zu tragen. Zu den<br />
Funktionen, <strong>für</strong> die solche Verwaltungsbehörden primär<br />
oder zu einem überwiegenden Teil verantwortlich<br />
sind, gehören die Bildung, Kultur, der Gebrauch der<br />
Minderheitensprache, die Umwelt, lokale Planung,<br />
die natürlichen Ressourcen, Wirtschaftsentwicklung,<br />
das örtliche Polizeiwesen, und Unterkunft, Gesundheit<br />
sowie andere Sozialdienste.<br />
- Zu den Funktionen, die von zentralen und regionalen<br />
Behörden gemeinsam wahrgenommen werden,<br />
gehören Steuern, Justizverwaltung, Fremdenverkehr<br />
und Verkehr.<br />
21. Die lokalen, regionalen und autonomen Behörden<br />
müssen die Menschenrechte aller, einschließlich der<br />
Rechte aller ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden<br />
Minderheiten, achten und gewährleisten.<br />
IV. GARANTIEN<br />
Anhang und Bibliografie<br />
(A) Verfassungsmäßige und rechtliche Absicherungen<br />
22. Maßnahmen zur Selbstverwaltung sollten rechtlich<br />
verankert sein und Änderungen sollten ganz allgemein<br />
nicht denselben Verfahren unterliegen wie einfache<br />
Gesetze. Maßnahmen zur Förderung der Teilnahme von<br />
Minderheiten an Entscheidungen können per Gesetz<br />
oder durch andere geeignete Mittel gesetzt werden.<br />
- Maßnahmen in Form von Gesetzen im Verfassungsrang<br />
brauchen in der Regel zu ihrer Verabschiedung und<br />
Novellierung eine größere Mehrheit im Parlament oder<br />
die öffentliche Zustimmung.<br />
- Änderungen von Selbstverwaltungs-Maßnahmen im<br />
Gesetzesrang bedürfen oft einer qualifizierten Mehrheit<br />
im Gesetzgebungsorgan, in autonomen Gremien<br />
oder Vertretungsgremien nationaler Minderheiten<br />
beziehungsweise in beiden.<br />
- Regelmäßige Überprüfungen der die Selbstverwaltung<br />
und Teilnahme von Minderheiten an Entscheidungen<br />
betreffenden Maßnahmen können eine sinnvolle<br />
Gelegenheit sein, um festzustellen, ob sie in Anbetracht<br />
der Erfahrungen oder geänderter Verhältnisse<br />
abgeändert werden sollten.<br />
23. Es können auch vorläufige oder schrittweise<br />
einzuführende Maßnahmen erwogen werden, durch<br />
die neue Formen der Mitsprache erprobt und entwickelt<br />
werden können. Diese Maßnahmen können auf dem<br />
Gesetzesweg oder auf informelle Weise <strong>für</strong> eine<br />
bestimmte Zeit geschaffen und - je nach ihrem Erfolg -<br />
erweitert, abgeändert oder aufgehoben werden.<br />
(B) Beschwerden<br />
24. Die wirksame Teilnahme nationaler Minderheiten<br />
am öffentlichen Leben bedarf ständiger<br />
Konsultationsmechanismen zur Verhütung von<br />
Konflikten und zur Beilegung von Streitigkeiten,<br />
erforderlichenfalls ergänzt durch zweckgebundene<br />
oder alternative Mechanismen. Derartige Methoden<br />
sind unter anderem:<br />
- die gerichtliche Konfliktregelung, zum Beispiel die<br />
gerichtliche Überprüfung von Rechtsvorschriften<br />
oder Verwaltungsmaßnahmen, was voraussetzt, dass<br />
der Staat über eine unabhängige, <strong>für</strong> jedermann<br />
zugängliche und unparteiische Rechtssprechung<br />
verfügt, deren Entscheidungen Folge geleistet wird,<br />
und<br />
- zusätzliche Streitbeilegungsmechanismen wie<br />
Verhandlung, Feststellung des Sachverhalts,<br />
Vermittlung, Schiedsspruch, ein Ombudsmann <strong>für</strong><br />
nationale Minderheiten und eigene Kommissionen,<br />
die als Ansprechstelle und Mechanismen <strong>für</strong> die<br />
Behandlung von Beschwerden über Fragen der<br />
Regierungsführung dienen können.<br />
289