Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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Föderalsystem kennt offiziell keine Autonomie, doch<br />
kommt der „Commonwealth“-Status Puerto Ricos und<br />
der Nördlichen Marianen einer Autonomie sehr nahe.<br />
Diese kurze Auflistung zeigt, dass auch empirisch<br />
Föderalstaaten und Autonomielösungen deutlich<br />
auseinander gehalten werden können.<br />
Zwei weitere Formen von territorialer Machtteilung<br />
müssen von Territorialautonomie klar unterschieden<br />
werden nämlich Reservate und lokale<br />
Selbstverwaltung. Reservate wurden zunächst in<br />
den USA zur Beherrschung und Segregation der<br />
verbliebenen Indianervölker eingeführt. Später fand<br />
diese Spielart von Selbstverwaltung Nachahmung<br />
in Südamerika, Afrika 10 und in einigen Ländern<br />
Asiens. Heutige Reservate, zumeist in den USA,<br />
Kanada und Brasilien, zielen auf den Schutz der<br />
Rechte indigener <strong>Völker</strong> auf ihrem angestammten<br />
Territorium. Den Reservaten ist zumindest in einigen<br />
Bereichen die Abweichung vom staatlichen Zivil- und<br />
Strafrecht gestattet, um ihre kulturellen, religiösen<br />
und politischen Traditionen zu wahren. Reservate<br />
entspringen der Idee des „Schutzgebiets“ mit einer<br />
begrenzten Souveränität der jeweiligen Titularnation,<br />
der seine Bewohner persönlich anzugehören haben.<br />
Doch bleiben Reservate von Entscheidungsprozessen<br />
und demokratischen Institutionen des Gesamtstaates<br />
fast völlig ausgeschlossen. Territorialautonomien<br />
bilden hingegen aufgrund von Verfassungen<br />
und Autonomiestatuten einen integralen Teil der<br />
Rechtsordnung eines Staates und sind all seinen<br />
staats- und völkerrechtlichen Bindungen unterworfen.<br />
In jüngster Zeit haben immer mehr indigene <strong>Völker</strong><br />
ihre politischen Forderungen und Vorschläge eher an<br />
Formen politischer Autonomie denn an Formen von<br />
Reservaten ausgerichtet. Auch Territorial-autonomie<br />
kann nämlich mit dem Recht auf Kontrolle von Migration<br />
und Mobilität von Nicht-Mitgliedern der autochthonen<br />
<strong>Völker</strong> oder Volksgruppen ausgestattet werden. 11<br />
Institutionen der lokalen Selbstverwaltung sind im<br />
Zuge der Dezentralisierung eines zuvor zentralistisch<br />
organisierten Staatswesens mit begrenzten<br />
Verwaltungsbefugnissen versehen worden. Diese<br />
Beziehung zwischen Peripherie und Zentrum kann<br />
aus zwei Gründen nicht als Machtverteilung im<br />
Sinne von Autonomie verstanden werden: zum<br />
10 Geschichtlich längst diskreditiert ist das einst in Südafrika<br />
angewandte Konzept des “Bantustans” als Heimatland (homeland)<br />
<strong>für</strong> die schwarze indigene Bevölkerung, von letzterer gleichgesetzt<br />
mit ethnischer Diskriminierung, Segregation und Unterdrückung.<br />
11 Dies geschah z.B. in Nunavut (Inuit Kanadas) und in Grönland<br />
(ebenfalls Inuit), in der Cordillera-Region der Philippinen (Volk der<br />
Igorot) und in Panamas Comarca Kuna Yala (Volk der Kuna).<br />
2 Das Konzept der politischen Autonomie<br />
einen wird Dezentralisierung nur auf der Basis<br />
von Staatsgesetzen durchgeführt, aber nicht<br />
verfassungsrechtlich verankert, auf der anderen<br />
Seite fehlt das notwendige Element der autonomen<br />
Gesetzgebungsbefugnisse. Typisches Beispiel ist<br />
Frankreich, das seine départements und Regionen mit<br />
wachsenden Verwaltungsbefugnissen ausstattete und<br />
gewählte Regionalräte einführte, ohne jedoch echte<br />
Legislativbefugnisse zu gewähren.<br />
Neben Autonomie und Föderalstaat finden in vielen<br />
Staaten Formen der Gewaltenteilung zwischen<br />
verschiedenen Regierungsebenen Anwendung. Diese<br />
zielen primär darauf, staatliche Verwaltung effizienter<br />
zu gestalten und mehr demokratische Partizipation<br />
zu erlauben. Demgegenüber beinhaltet Territorialautonomie<br />
eine zusätzliche Qualität, nämlich das<br />
Grundanliegen des Schutzes der Rechte ethnischkultureller<br />
Gemeinschaften oder in Ausnahmefällen<br />
der Aufrechterhaltung eines besonderen politischen<br />
Systems (Hong Kong). Dieser Qualitätsunterschied<br />
muss klar vor Augen bleiben. Papua Neu Guinea, z.B.,<br />
übertrug im Rahmen seiner Dezentralisierung den<br />
Provinzen mehr Befugnisse, doch Bougainville wurde<br />
nach langem Konflikt eine weitreichende Autonomie<br />
eingeräumt. Eine begrenzte Übertragung von<br />
Kompetenzen an „Provinzräte“ (Sri Lanka, Indonesien)<br />
oder regionalistische Organisations-formen können<br />
nicht als Autonomie bezeichnet werden, da der<br />
besondere Zweck territorialer Gewalten-teilung<br />
und die entsprechende rechtliche Verankerung und<br />
Ausstattung fehlt. Offiziell vergebene Etiketten können<br />
täuschen.<br />
Autonomie und Föderalismus (auch asymmetrischer<br />
Föderalismus) müssen trotz der bestehenden<br />
Hybridformen (Spanien und Russland) klar<br />
auseinander gehalten werden. Grundlegendes<br />
Unterscheidungsmerkmal bleibt die Frage der<br />
Einbindung in die Entscheidungsprozesse auf<br />
zentralstaatlicher Ebene. In einem Bundesstaat sind<br />
alle Gliedstaaten gemeinschaftlich am Zentralstaat<br />
beteiligt, während autonome Regionen sich zwar selbst<br />
regieren, doch in der Regel keine besondere Einwirkung<br />
auf die Entscheidungsprozesse des Zentralstaats<br />
haben. Sie partizipieren in demokratischer Form<br />
an den staatlichen Institutionen, haben jedoch im<br />
Unterschied zu den Gliedstaaten eines Bundesstaates<br />
kein eigenes Vertretungsorgan etwa in Form einer<br />
zweiten Kammer des Parlaments. Doch angesichts der<br />
komplexen Regulierungsformen moderner Staaten<br />
gibt es auch Ausnahmen. 12<br />
12 Einen guten Überblick über alle denkbaren Lösungen zur territorialen<br />
Gewaltenteilung bietet die Venediger Kommission, A gene-<br />
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