Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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5 Schlussfolgerungen<br />
die Anliegen von Anwohnern bearbeitet, welche nicht<br />
zapatistisch sind. Die Zapatisten erklärten den Aufbau<br />
der Autonomiestrukturen zum strategischen Schritt,<br />
um der ihrer Meinung nach ignoranten offiziellen<br />
Politik gegenüber der indigenen Bevölkerung Mexikos<br />
entgegenzutreten. Bereits seit 1995 existierten<br />
auf kommunaler Ebene 38 autonome Gemeinden,<br />
die nun in den fünf Regionen zusammengefasst<br />
wurden. Zur Autonomie gehören der Aufbau<br />
eines regierungsunabhängigen Gesundheits- und<br />
Bildungssystems, einkommenschaffende Projekte<br />
sowie Infrastrukturprojekte.<br />
Eine eigene Gesetzgebung, z.B. zum Schutz der<br />
Tropenwälder, ist in Arbeit. Die EZLN, die seit 1994<br />
keine weiteren militärischen Aktionen durchgeführt<br />
hat, betrachtete diesen Akt als konsequenten Schritt<br />
auf der Grundlage des Abkommens von San Andrés<br />
bezüglich Kulturautonomie und der Rechte der<br />
indigenen <strong>Völker</strong>. Die fünf autonomen Gebiete der<br />
zapatistischen Bewegung von Chiapas. Die meist sehr<br />
armen und wirtschaftlichen rückständigen Gemeinden<br />
erklärten sich zum selbstverwalteten Gebiet, sorgten<br />
<strong>für</strong> eigene Gesundheitsdienste, ein Grundschulsystem,<br />
ein Kleinhandelsnetz <strong>für</strong> die lokale Versorgung, einige<br />
Produktionstätigkeiten in Genossenschaftsform. Der<br />
Kern des Autonomieanspruchs betrifft allerdings die<br />
Forderung nach kultureller Identität: die Erhaltung<br />
der indigenen Sprachen und Religionen, der Bräuche<br />
und Werte, der indigenen Gemeinschaften. Rund ein<br />
drittel der neuen Repräsentativorgane sind mit Frauen<br />
besetzt, was die Zapatisten jedoch als unzureichend<br />
betrachten.<br />
Laut Stellungnahmen der EZLN stellt die zapatistische<br />
Bewegung die Souveränität Mexikos und Chiapas nicht<br />
in Frage. Autonomie wird als Mittel zur Erreichung<br />
zweier Oberziele gesehen: zum einen Gleichheit<br />
als mexikanische Staatsbürger, also ein Ende der<br />
wirtschaftlichen und sozialen Diskriminierung<br />
der indigenen Volksgruppen und Kleinbauern im<br />
Allgemeinen, zum anderen die volle Anerkennung<br />
der indigenen <strong>Völker</strong> von Chiapas. Rund 20% der vier<br />
Millionen Einwohner von Chiapas gehören nämlich<br />
10 verschiedenen indigenen <strong>Völker</strong>n an. Obwohl die<br />
„Caracoles de Chiapas“ de facto autonom sind, werden<br />
sie im vorliegenden Text nicht als Territorialautonomie<br />
betrachtet, da sie rechtlich vom mexikanischen Staat<br />
nicht anerkannt sind und den in Kapitel 2.10 genannten<br />
Kriterien nicht entsprechen.<br />
12. Araukanien (Mapuche-Region in Chile)<br />
Das indigene Volk der Mapuche in Chile fordert seit<br />
einigen Jahren eine Territorialautonomie <strong>für</strong> Wallmapu<br />
(Mapuche-Bezeichnung <strong>für</strong> den spanischen Begriff<br />
Araucanía, zu Deutsch Araukanien). Im August 2009<br />
schlug der „Zentralrat aller Länder“ (Consejo de todas<br />
las tierras) die Schaffung einer selbstregierten Region<br />
südlich des Bio Bio-Flusses vor, ausgehend vom Recht<br />
auf Selbstbestimmung und Autonomie gemäß der<br />
UN-Erklärung zu den Rechten der indigenen <strong>Völker</strong><br />
von 2007. Der Generalrat der Mapuche verglich seine<br />
Projekt mit jenem der bestehenden Territorialautonomie<br />
in Nicaraguas Atlantikküste und in Nunavut. Die neue<br />
Autonomie sollte von der chilenischen Regierung<br />
finanziert werden, weil „Chile seit der Eroberung,<br />
Besetzung und Konfiszierung der Länder der Mapuche<br />
eine ökonomische, kulturelle und moralische Schuld<br />
gegenüber den Mapuche hat.“ (36) Am 15. August<br />
2009 kamen ein Dutzend indianische Gemeinschaften<br />
überein, die „Territoriale Allianz der Mapuche“ zu<br />
bilden, um sich gemeinsam <strong>für</strong> politische Autonomie<br />
in Chile einzusetzen. Eine andere politische Bewegung<br />
der Mapuche, Wallmapuren, konstituierte sich 2009<br />
als erste offizielle Mapuche-Partei Chiles mit dem<br />
Hauptziel der Regionalautonomie. Der Entwurf einer<br />
solchen Autonomie sieht nicht nur eine dezentralisierte<br />
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