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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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182<br />

<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

Nordostens Nagaland, Assam, Manipur, Meghalaya,<br />

Mizoram, Tripura und Arunachal Pradesh in Art.<br />

371 Sonderrechte zu. 276 Dabei ist die Anerkennung<br />

von traditionellem Stammesrecht, traditionellen<br />

Entscheidungsverfahren, Landrechten und die<br />

Schaffung von autonomen Regionen und Distrikten<br />

vorgesehen, wann immer ein Stammesvolk oder<br />

ethnische Minderheit dies verlangen sollte.<br />

Weitere Sonderbestimmungen wurden <strong>für</strong> die<br />

Verwaltung der Stammesgebiete in den Staaten<br />

Assam, Meghalaya, Tripura und Mizoram in Kraft<br />

gesetzt (6. Abschnitt, Art. 244). 277 Darin werden<br />

die Stammesgebiete nach der Reorganisation der<br />

Gliedstaaten des Nordostens wie oben erläutert als<br />

autonome Distrikte etabliert, nämlich das North<br />

Cachar Berggebiet, die Mikir Berge, Karbi Anglong, das<br />

Khasi Berggebiet, die Jaintia Berge, die Garo Berge,<br />

Pawai, Laktar, die Tripura Stammesgebiete und jene<br />

der Chakma, Mara und La in Mizoram. Diese Distrikte<br />

werden entweder von den gewählten Distrikträten<br />

oder Regionalräten verwaltet, die im Wesentlichen<br />

<strong>für</strong> die Regelung der Wassernutzungsrechte,<br />

Waldnutzung, den Wanderfeldbau, Eigentums- und<br />

Erbschaftsrechte, Eherechte und traditionelle Sitten<br />

und Bräuche zuständig sind. Darüber hinaus haben<br />

die Regional- bzw. Distrikträte auch das Recht, Steuern<br />

auf Grund und Boden und andere kleinere Steuern<br />

einzuheben. 278 Die Autonomie der Distrikt- und<br />

Regionalräte wird auch insofern vom 6. Abschnitt der<br />

Verfassung geschützt, als kein Rechtsakt oder Gesetz<br />

des jeweiligen Gliedstaats ohne ihre Zustimmung<br />

auf ihr Gebiet Anwendung findet. Die Anwendbarkeit<br />

von Unionsgesetzen auf diese Regionen und Distrikte<br />

erfordert die Zustimmung des Gouverneurs im Fall des<br />

Gliedstaats Assam und jene des Staatspräsidenten im<br />

Fall der übrigen Gliedstaaten des Nordostens. 279 Die<br />

institutionelle Regelung dieser Territorialautonomien ist<br />

jedoch mit anderen Institutionen des bundesstaatlichen<br />

Aufbaus verzahnt, was die konkrete Ausübung von<br />

Autonomie schwächt, was sich vor allem bei der<br />

Finanzierung bemerkbar macht. Die Verwaltung der<br />

Distrikt- und Regionsfonds wird durch Erlässe des<br />

Gouverneurs geregelt. Die Darlehen und Zuschüsse der<br />

276 Eine Übersicht über diese Problematik findet sich bei Gurudas<br />

Das (2004), Identity and Autonomy in India’s North-East: the<br />

Constitutional Framework, unter: http://www.mcrg.in/civilsocietydialogue3.htm<br />

277 Sanjay Barbora (2005), Autonomy in the Northeast: The Frontiers<br />

of Centralized Politics, Ranabir Samaddar (ed.), The Politics of<br />

Autonomy – Indian Experiences, Kolkata, S.196-215<br />

278 A. Kumar Das (1996), The Constitution of India, S. 124-130<br />

279 Samir Kumar Das (2005), Where do the Autonomous Institutions<br />

come from?, in Ranabir Samaddar (ed.), The Politics of Autonomy<br />

– Indian Experiences, Kolkata, S.71-92<br />

Bundesregierung an die autonomen Gebiete müssen<br />

über die jeweilige Gliedstaatsregierung fließen und<br />

die lokalen Panchayati Raj Institutionen sind ebenfalls<br />

von der Staatsregierung finanziell abhängig.<br />

Insgesamt betrachtet ist die von den Artikel 370 und<br />

371 der Unionsverfassung vorgesehene Autonomie<br />

nie gänzlich umgesetzt und eingehalten worden. Die<br />

indische Regierung hat weder Jammu und Kaschmir noch<br />

den Staaten des Nordostens den verfassungsmäßig<br />

zuerkannten Sonderstatus jemals voll in Anwendung<br />

gebracht. Die regionalen Autonomiebewegungen<br />

des Nordostens konnten auch nicht mit einer<br />

bloßen Neuformulierung des 6. Abschnitts der<br />

Bundesverfassung zufrieden gestellt werden. 280<br />

Folgen dieser Politik war eine zunehmende politische<br />

Entfremdung, andauernde Guerrillaaktivitäten,<br />

ausufernde Menschenrechtsverletzungen und<br />

ethnische Spannungen. Während mächtige Gruppen<br />

der Minderheitenvölker dieser Gebiete politische<br />

Vertretungsrechte, echte Selbstverwaltung und<br />

politische Autonomie verlangen, antwortet die Indische<br />

Union unter dem Banner der nationalen Sicherheit und<br />

territorialen Integrität mit<br />

- militärischer Unterdrückung und<br />

polizeistaatlicher Repression<br />

- Wirtschaftspopulismus<br />

(Entwicklungsprogramme und Projekte<br />

ohne die Befugnisse und die Kontrolle der<br />

natürlichen Ressourcen an die lokalen<br />

Verantwortlichen zu übertragen)<br />

- Zusammenarbeit mit vor Ort diskreditierten<br />

politischen Führungsgruppen.<br />

3.20.3 Distriktautonomie gemäß dem 5.<br />

und 6. Anhang der Verfassung<br />

Die Rechtsgrundlage <strong>für</strong> besondere Formen von<br />

Autonomie ist in der indischen Verfassung verankert<br />

(Artikel 14, 15, 16, 19 und 29). 281 Art. 26 gewährt<br />

Religionsfreiheit und Art. 30 schreibt das Recht der<br />

Minderheiten auf eigene Bildungseinrichtungen fest.<br />

In der Sonderschutzklausel des Art. 371 werden<br />

traditionelle Rechte, Entscheidungsverfahren und<br />

Landrechte der Stammesgesellschaften geschützt.<br />

Teil XVI der Verfassung umfasst Sonderbestimmungen<br />

<strong>für</strong> die anerkannten Kasten, Stämme und sog.<br />

280 Ein gutes Beispiel <strong>für</strong> ungelöste Autonomiekonflikte ist auch<br />

die Jharkhand-Bewegung. Vgl. Sanjay Bosu Mullick (2003), The<br />

Jharkhand Movement: Indigenous Peoples Struggle for Autonomy<br />

in India, IWGIA Document. Copenhagen<br />

281 Die indische Verfassung findet sich unter: http://www.oefre.<br />

unibe.ch/law/icl/in01000_.html

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