Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
Nordostens Nagaland, Assam, Manipur, Meghalaya,<br />
Mizoram, Tripura und Arunachal Pradesh in Art.<br />
371 Sonderrechte zu. 276 Dabei ist die Anerkennung<br />
von traditionellem Stammesrecht, traditionellen<br />
Entscheidungsverfahren, Landrechten und die<br />
Schaffung von autonomen Regionen und Distrikten<br />
vorgesehen, wann immer ein Stammesvolk oder<br />
ethnische Minderheit dies verlangen sollte.<br />
Weitere Sonderbestimmungen wurden <strong>für</strong> die<br />
Verwaltung der Stammesgebiete in den Staaten<br />
Assam, Meghalaya, Tripura und Mizoram in Kraft<br />
gesetzt (6. Abschnitt, Art. 244). 277 Darin werden<br />
die Stammesgebiete nach der Reorganisation der<br />
Gliedstaaten des Nordostens wie oben erläutert als<br />
autonome Distrikte etabliert, nämlich das North<br />
Cachar Berggebiet, die Mikir Berge, Karbi Anglong, das<br />
Khasi Berggebiet, die Jaintia Berge, die Garo Berge,<br />
Pawai, Laktar, die Tripura Stammesgebiete und jene<br />
der Chakma, Mara und La in Mizoram. Diese Distrikte<br />
werden entweder von den gewählten Distrikträten<br />
oder Regionalräten verwaltet, die im Wesentlichen<br />
<strong>für</strong> die Regelung der Wassernutzungsrechte,<br />
Waldnutzung, den Wanderfeldbau, Eigentums- und<br />
Erbschaftsrechte, Eherechte und traditionelle Sitten<br />
und Bräuche zuständig sind. Darüber hinaus haben<br />
die Regional- bzw. Distrikträte auch das Recht, Steuern<br />
auf Grund und Boden und andere kleinere Steuern<br />
einzuheben. 278 Die Autonomie der Distrikt- und<br />
Regionalräte wird auch insofern vom 6. Abschnitt der<br />
Verfassung geschützt, als kein Rechtsakt oder Gesetz<br />
des jeweiligen Gliedstaats ohne ihre Zustimmung<br />
auf ihr Gebiet Anwendung findet. Die Anwendbarkeit<br />
von Unionsgesetzen auf diese Regionen und Distrikte<br />
erfordert die Zustimmung des Gouverneurs im Fall des<br />
Gliedstaats Assam und jene des Staatspräsidenten im<br />
Fall der übrigen Gliedstaaten des Nordostens. 279 Die<br />
institutionelle Regelung dieser Territorialautonomien ist<br />
jedoch mit anderen Institutionen des bundesstaatlichen<br />
Aufbaus verzahnt, was die konkrete Ausübung von<br />
Autonomie schwächt, was sich vor allem bei der<br />
Finanzierung bemerkbar macht. Die Verwaltung der<br />
Distrikt- und Regionsfonds wird durch Erlässe des<br />
Gouverneurs geregelt. Die Darlehen und Zuschüsse der<br />
276 Eine Übersicht über diese Problematik findet sich bei Gurudas<br />
Das (2004), Identity and Autonomy in India’s North-East: the<br />
Constitutional Framework, unter: http://www.mcrg.in/civilsocietydialogue3.htm<br />
277 Sanjay Barbora (2005), Autonomy in the Northeast: The Frontiers<br />
of Centralized Politics, Ranabir Samaddar (ed.), The Politics of<br />
Autonomy – Indian Experiences, Kolkata, S.196-215<br />
278 A. Kumar Das (1996), The Constitution of India, S. 124-130<br />
279 Samir Kumar Das (2005), Where do the Autonomous Institutions<br />
come from?, in Ranabir Samaddar (ed.), The Politics of Autonomy<br />
– Indian Experiences, Kolkata, S.71-92<br />
Bundesregierung an die autonomen Gebiete müssen<br />
über die jeweilige Gliedstaatsregierung fließen und<br />
die lokalen Panchayati Raj Institutionen sind ebenfalls<br />
von der Staatsregierung finanziell abhängig.<br />
Insgesamt betrachtet ist die von den Artikel 370 und<br />
371 der Unionsverfassung vorgesehene Autonomie<br />
nie gänzlich umgesetzt und eingehalten worden. Die<br />
indische Regierung hat weder Jammu und Kaschmir noch<br />
den Staaten des Nordostens den verfassungsmäßig<br />
zuerkannten Sonderstatus jemals voll in Anwendung<br />
gebracht. Die regionalen Autonomiebewegungen<br />
des Nordostens konnten auch nicht mit einer<br />
bloßen Neuformulierung des 6. Abschnitts der<br />
Bundesverfassung zufrieden gestellt werden. 280<br />
Folgen dieser Politik war eine zunehmende politische<br />
Entfremdung, andauernde Guerrillaaktivitäten,<br />
ausufernde Menschenrechtsverletzungen und<br />
ethnische Spannungen. Während mächtige Gruppen<br />
der Minderheitenvölker dieser Gebiete politische<br />
Vertretungsrechte, echte Selbstverwaltung und<br />
politische Autonomie verlangen, antwortet die Indische<br />
Union unter dem Banner der nationalen Sicherheit und<br />
territorialen Integrität mit<br />
- militärischer Unterdrückung und<br />
polizeistaatlicher Repression<br />
- Wirtschaftspopulismus<br />
(Entwicklungsprogramme und Projekte<br />
ohne die Befugnisse und die Kontrolle der<br />
natürlichen Ressourcen an die lokalen<br />
Verantwortlichen zu übertragen)<br />
- Zusammenarbeit mit vor Ort diskreditierten<br />
politischen Führungsgruppen.<br />
3.20.3 Distriktautonomie gemäß dem 5.<br />
und 6. Anhang der Verfassung<br />
Die Rechtsgrundlage <strong>für</strong> besondere Formen von<br />
Autonomie ist in der indischen Verfassung verankert<br />
(Artikel 14, 15, 16, 19 und 29). 281 Art. 26 gewährt<br />
Religionsfreiheit und Art. 30 schreibt das Recht der<br />
Minderheiten auf eigene Bildungseinrichtungen fest.<br />
In der Sonderschutzklausel des Art. 371 werden<br />
traditionelle Rechte, Entscheidungsverfahren und<br />
Landrechte der Stammesgesellschaften geschützt.<br />
Teil XVI der Verfassung umfasst Sonderbestimmungen<br />
<strong>für</strong> die anerkannten Kasten, Stämme und sog.<br />
280 Ein gutes Beispiel <strong>für</strong> ungelöste Autonomiekonflikte ist auch<br />
die Jharkhand-Bewegung. Vgl. Sanjay Bosu Mullick (2003), The<br />
Jharkhand Movement: Indigenous Peoples Struggle for Autonomy<br />
in India, IWGIA Document. Copenhagen<br />
281 Die indische Verfassung findet sich unter: http://www.oefre.<br />
unibe.ch/law/icl/in01000_.html