Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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Referendum über die Mitgliedschaft Grönlands in der<br />
EG abgehalten. 53% der grönländischen Wählerschaft<br />
stimmten gegen die EG-Mitgliedschaft und somit wurde<br />
Grönland am 1.1.1985 zum „Überseeterritorium der<br />
EG“ ohne Rechte und Pflichten einer Mitgliedschaft.<br />
3.5.5 Grönlands Autonomie<br />
Grönlands Autonomiegesetz wurde vom dänischen<br />
Parlament als normales Staatsgesetz in Kraft gesetzt und<br />
kann darum jederzeit mit einfacher Mehrheit abgeändert<br />
werden. Im dänischen Folketing ist Grönland trotz<br />
seiner geringen Bevölkerung mit zwei Abgeordneten<br />
vertreten. Obwohl immer noch Teil Dänemarks hat<br />
Grönland nun einen beträchtlichen Bereich autonomer<br />
Gesetz-gebung, während zahlreiche dänische Gesetze<br />
auf Grönland keine Gültigkeit haben. Die rechtliche<br />
Situation weist zusätzliche Besonderheiten auf, wie<br />
z.B. das indigene Gewohnheitsrecht der Inuit, spezielle<br />
Regeln <strong>für</strong> die Justiz und Ausnahmeregelungen bei der<br />
Mitglied-schaft in supranationalen Organisationen.<br />
Die grönländische Regierung muss seit 1979 in<br />
internationale Verhandlungen der Kopenhagener<br />
Regierung einbezogen werden, wenn die Insel direkt<br />
betroffen ist. Das bisher wichtigste Beispiel <strong>für</strong> diese<br />
Regelung ist die Übereinkunft zwischen der EU und<br />
Grönland zur Nutzung der Küsten-Fischgründe.<br />
Außerdem hat Grönland das Recht, eigene Abkommen<br />
mit anderen Staaten abzuschließen und Mitglied<br />
in inter-nationalen Organisationen zu werden.<br />
Grönland ist z.B. Mitglied der „Inuit Circumpolar<br />
Conference“ und seit 1984 selbstständiges Mitglied<br />
des Nordischen Rates. Es hat mit Island und den<br />
Färöern die „Westliche Nordische Zusammenarbeit“<br />
ins Leben gerufen, um gemeinsam die Fischgründe<br />
des nördlichen Atlantiks besser zu kontrollieren. Die<br />
grönländische Versammlung hat überdies ein „Komitee<br />
<strong>für</strong> Außen- und Sicherheitspolitik“ bestimmt, das von<br />
der Regierung in Kopenhagen gehört werden muss,<br />
bevor Verhandlungen <strong>für</strong> internationale Verträge und<br />
Beziehungen aufgenommen werden, insbesondere<br />
im Bereich der Abgrenzung von Hoheitsgebieten auf<br />
dem Meer, den Verteidigungsanlagen und andere<br />
Abkommen, die Grönland betreffen.<br />
Grönland kann jedoch nicht Mitglied von internationalen<br />
Organisationen werden, die nur Staaten als Mitglieder<br />
aufnehmen. Das Autonomiegesetz erlaubt es Grönland,<br />
eigene Vertreter innerhalb der dänischen Botschaft<br />
in Nachbarländern wie z.B. Kanadas zu bestimmen.<br />
Außerdem hat die grönländische Regierung das Recht,<br />
3 Territorialautonomie am Werk<br />
in der dänischen Vertretung bei einigen internationalen<br />
Organisationen präsent zu sein wie etwa bei der<br />
dänischen EU-Vertretung in Brüssel. 189<br />
Das grönländische Regierungssystem ähnelt sehr<br />
stark jenem der Färöer Inseln. Gesetzgebende Gewalt<br />
übt das 27 Mitglieder umfassende Landsting (Landtag)<br />
aus, der in drei Wahlkreisen <strong>für</strong> vier Jahre direkt<br />
gewählt wird. Die beiden Abgeordneten Grönlands<br />
zum dänischen Parlament werden ebenfalls <strong>für</strong> vier<br />
Jahre direkt gewählt. Die autonome Regierung heißt<br />
auch auf Grönland Landsstyre, unter dem Vorsitz<br />
des Lagmadur, des Präsidenten der Region. Die<br />
Landesregierung umfasst drei bis sechs „Minister“<br />
und wird vom Landtag aus seinen Reihen gewählt. Sie<br />
ist zuständig <strong>für</strong> nahezu alle inneren Angelegenheiten<br />
der Insel. So z.B. hat Grönland die ausschließliche<br />
Befugnis <strong>für</strong> das lokale Steuersystem, die Fischerei, die<br />
Wirtschaftsplanung, Kulturpolitik und Religionsfragen,<br />
Umweltschutz, das Bildungssystem, soziale Wohlfahrt<br />
und den Arbeitsmarkt. Grönland hat eine eigene Flagge,<br />
doch dieselbe Währung wie Dänemark (die dänische<br />
Krone). Die am meisten gesprochene Sprache ist das<br />
Inuktitut, die Inuit-Sprache, die zusammen mit dem<br />
Dänischen auch die offizielle Sprache Grönlands ist.<br />
Der dänische Staat ist auf Grönland seit 1979 durch<br />
einen Hochkommissar vertreten.<br />
In der Gerichtsbarkeit ist Grönland in 18 Gerichtsbezirke<br />
aufgeteilt worden, die mit Laienrichtern besetzt sind.<br />
Diese Gerichte sind <strong>für</strong> die Verhandlungen in erster<br />
Instanz zuständig. Berufung kann beim Landsret,<br />
dem Landesgericht in Nuuk, eingelegt werden, das<br />
einzige mit einem professionellen Richter besetzte<br />
Gericht der Insel. Die schwerer wiegenden Fälle<br />
werden vom Landesgericht in 1. Instanz behandelt<br />
mit Berufungsmöglichkeit beim Höchst-gericht in<br />
Kopenhagen.<br />
3.5.6 Jüngste Entwicklungen<br />
Zur Zeit sind im Landtag drei größere Parteien<br />
vertreten: 190 die Siumut (“Vorwärts”), die Atassut<br />
(“Das Bindeglied”) und die Inuit Ataqatigiit (“Inuit<br />
Bruderschaft”). Die Siumut-Partei, Initiatorin und<br />
Verfechterin der Autonomie, betrieb den Rückzug<br />
Grönlands aus der EG und macht sich <strong>für</strong> die Kontrolle<br />
189 International Committee of Lawyers for Tibet, Forms of<br />
Autonomy, New York 1999, S.181-192<br />
190 Vgl.http://www.ulapland.fi/home/hkunta/swalter/essays/autonomy_greenland.htm<br />
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