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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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2 Das Konzept der politischen Autonomie<br />

Recht haben, Klage bei dieser internationalen<br />

Instanz zu erheben. Die Autoren des Vorschlags <strong>für</strong><br />

eine Konvention zum Recht auf Autonomie schlagen<br />

den Europäischen Menschenrechts-gerichtshof und<br />

die Europäische Menschenrechtskommission als<br />

Letztinstanz sowohl <strong>für</strong> Klagen von Staaten als auch<br />

<strong>für</strong> Klagen von Einzelpersonen vor. 81<br />

Auch Gruppen (z.B. das Parlament einer autonomen<br />

Region) können ermächtigt werden, durch das Statut<br />

die Interessen ihrer Region bzw. einer speziellen<br />

Minderheit vor Gericht zu vertreten. Außerhalb<br />

Europas kann die dem Europarat entsprechende<br />

Regionalorganisation (OAS, AU, Konferenz der<br />

Pazifikstaaten usw.) diese Rolle übernehmen oder auch<br />

VN-Unterorganisationen. Außerdem können Staaten,<br />

die sich in bilateralen Verträgen zur Gewährung einer<br />

Autonomie bereit gefunden haben, verpflichtet werden,<br />

offizielle Berichte zum Fortschritt der Umsetzung<br />

der Autonomie herauszu-bringen. Doch die meisten<br />

bestehenden Autonomien sind bloß im nationalen<br />

Staats- oder Verfassungsrecht verankert. 82<br />

2.6.3 Wichtige Faktoren <strong>für</strong> den Erfolg<br />

einer Autonomie<br />

Bei der Schaffung einer Territorialautonomie müssen<br />

zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden, um ihren<br />

Erfolg zu gewährleisten. In der Geschichte gab es<br />

sowohl gescheiterte Territorialautonomien als auch<br />

<strong>Autonomiesysteme</strong>, die bis heute gut funktionieren.<br />

Da der historische, politische, rechtliche Hintergrund<br />

dieser Erfahrungen recht unterschiedlich ist und auch<br />

die Ausgestaltung der einzelnen realen Autonomien<br />

sich ziemlich unterscheidet, ist das Herausfiltern von<br />

Erfolgsbedingungen mit allgemeiner Gültigkeit ein<br />

schwieriges Unterfangen. Es bleibt fragwürdig, ob jeder<br />

in einem bestimmten historischen Fall verzeichnete<br />

Erfolgsfaktor auch nur theoretisch betrachtet in allen<br />

übrigen bestehenden Territorialautonomien hilfreich<br />

war geschweige dies in den heute offenen ethnischen<br />

Konflikten genauso wäre. Somit muss betont<br />

werden, dass die folgenden Erfolgsfaktoren nicht<br />

als allgemeines Gesetz interpretiert werden können,<br />

sondern nur als Elemente modellhafter Praxis.<br />

81 Vgl. 14, Paragraph 3, „Diskussions-Entwurf einer Sonder-Konvention<br />

Autonomierechte der Volksgruppen in Europa“ der FUEV<br />

von 1994 (vollständiger Text im Anhang, Teil 1). Derartige ständige<br />

Kommissionen arbeiten erfolgreich in den autonomen Regionen der<br />

nordischen Staaten, in Südtirol, im Südsudan und in Bougainville.<br />

82 Vgl. Art. 15, Diskussions-Entwurf einer Sonder-Konvention Autonomierechte<br />

der Volksgruppen in Europa“ der FUEV von 1994<br />

(vgl. Anhang Teil 1).<br />

a)<br />

Geopolitische und demografische Aspekte<br />

Die geographische Entfernung der autonomen Region<br />

zur Zentralregierung bzw. ihre periphere Lage innerhalb<br />

des Staats beeinflusst auch die Beziehungen zwischen<br />

den Akteuren auf beiden Seiten und die Bereitschaft<br />

des Zentralstaats, in Verhandlungen über eine<br />

Autonomielösung einzutreten. Je peripherer die Lage<br />

einer Region und je geringer ihr demographisches<br />

Gewicht, desto geringer ist der Widerstand von<br />

Zentralregierungen gegen Autonomielösungen. 83 Die<br />

Grenzen einer autonomen Region müssen präzise<br />

definiert werden. Jede Änderung der Grenzen des<br />

autonomen Territoriums muss die Zustimmung<br />

der betroffenen Bevölkerung vorausgehen. Wenn<br />

in einem Staat eine nationale Minderheit einen<br />

beträchtlichen Teil der Bevölkerung darstellt und<br />

spezifischen Schutz verlangt, muss geprüft werden,<br />

ob nicht all ihre Siedlungsgebiete in einer Region<br />

zusammengefasst werden können, um einzelne Teile<br />

eines Minderheitenvolkes mit einer gemeinsamen<br />

Territorialautonomie auszustatten. Dies bedeutet<br />

nicht, neue Grenzen nach ethnischen Linien zu<br />

schaffen, sondern bloß möglichst allen Mitgliedern<br />

einer schutzbedürftigen ethnischen Minderheit die<br />

Möglichkeit zu bieten, in den Genuss des besonderen<br />

Schutzmechanismus einer Territorialautonomie zu<br />

kommen.<br />

Außerdem muss festgestellt werden, ob Autonomie allen<br />

Bewohnern einer fraglichen Region zugutekommen<br />

soll (Territorialautonomie) oder ob nur die Mitglieder<br />

einer Minderheitengruppe mit besonderen Rechten<br />

und Schutzmaßnahmen bedacht werden können.<br />

Letzterer Fall würde auf eine Regelung im Sinne der<br />

oben erläuterten Kultur- oder Personal-autonomie<br />

hinauslaufen. Doch Territorial-autonomie mag die<br />

angemessene Lösung sein, wenn eine ethnische<br />

Gruppe oder ein Volk eine deutliche zahlenmäßige<br />

Mehrheit in einer Region darstellen. Wenn ethnische<br />

Minderheiten über ein breites Gebiet verstreut leben,<br />

kommt wiederum höchstens Kulturautonomie in<br />

Frage. Wenn eine nationale Minderheit in einer Region<br />

nicht dominant ist, sondern verstreut lebt, kann<br />

auch eine Kombination aus Territorial-autonomie und<br />

Kulturautonomie ins Auge gefasst werden.<br />

Die Art der Autonomie hängt wesentlich von der<br />

ethnischen Zusammensetzung einer Region ab.<br />

83 Man nehme als Beispiel die Fälle Neukaledonien (Frankreich),<br />

Grönland (Dänemark) und Französisch-Polynesien<br />

(Frankreich), die als autonome Regionen desselben Staatsgebiets<br />

gar einem anderen Kontinent zugehören als das Mutterland.<br />

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