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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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4 Besondere Formen von Autonomie<br />

und die Vertreter der Mehrheitsparteien der CHT nach<br />

längerem Blutvergießen das CHT-Friedensabkommen<br />

ab, das als zentralen Punkt eine begrenzte Autonomie<br />

<strong>für</strong> die gesamte Region vorsah. Doch kam echte<br />

Selbstregierung und der volle Schutz der Rechte der<br />

indigenen <strong>Völker</strong> in diesem Gebiet in Form einer in der<br />

Verfassung verankerten Territorialautonomie nie zum<br />

Tragen. (94)<br />

Das Friedensabkommen <strong>für</strong> die CHT von 1997 legte<br />

eine in drei Ebenen gegliederte Selbstverwaltung<br />

des gesamten Gebiets fest, wobei die zentrale Rolle<br />

dem Regionalrat (District Council) der CHT zukommen<br />

sollte. In Dhaka wurde ein Sonderministerium <strong>für</strong> die<br />

Angelegenheit der CHT geschaffen. Doch das Gesetz<br />

zur Konstituierung des Regionalrats der CHT legte<br />

die im Friedensabkommen von 1997 vorgesehene<br />

Autonomie sehr eng aus. Die Bezirksräte sollten<br />

laut Abkommen 33 Kompetenzbereiche erhalten,<br />

tatsächlich waren es nur 19. Die <strong>für</strong> die CHT wichtige<br />

Frage des Landrechts und die lokale Polizei waren<br />

ausgeschlossen. Die im Friedensabkommen von 1997<br />

vorgesehenen Bezirksräte auf der Stufe unterhalb des<br />

Regionalrats sind nicht gewählt, sondern bloß ernannt<br />

worden und haben keine Gesetzgebungsbefugnisse.<br />

Somit fehlt diesen Institutionen sowohl die Legitimität,<br />

als auch das Potenzial, echte Autonomie auszuüben.<br />

Die Landrechtskonflikte zwischen den Ureinwohnern und<br />

den bengalischen Siedlern konnten somit nicht vor Ort<br />

gelöst werden. Überdies wurde das Friedensabkommen<br />

von 1997 nicht verfassungsrechtlich abgesichert.<br />

Es verfehlte den Hauptzweck, eine Vertrauensbasis<br />

zwischen den staatstragenden Parteien Bangladeshs<br />

und den wichtigsten Kräften der indigenen <strong>Völker</strong><br />

herzustellen. Zudem gab es auch keinen klaren Zeitplan<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung des Abkommens. Aufgrund dieses<br />

Scheiterns griff ein Teil der indigenen Bewegungen<br />

wieder zu den Waffen. Sie fordern echte Autonomie,<br />

die dem Zentralstaat nur die Verteidigung, das<br />

Geldwesen, die Steuerpolitik und die Schwerindustrie<br />

überantworten sollte. Solange die Kernfrage des<br />

Konflikts, nämlich echte Gesetzgebungshoheit,<br />

verfassungsrechtliche Absicherung der Autonomie,<br />

Stopp der Zuwanderung und Schutz der Landrechte<br />

der indigenen <strong>Völker</strong> – nicht geregelt werden, scheint<br />

es <strong>für</strong> die CHT keine von beiden Seiten akzeptierte<br />

Lösung zu geben.<br />

4.6.2 Azad Jammu und Kaschmir und<br />

Gilgit-Baltistan: autonome Regionen<br />

Pakistans?<br />

Azad Jammu und Kaschmir (AJK, wörtlich “Freies<br />

Jammu und Kaschmir”) ist der westliche Teil des<br />

früheren Fürstenstaats von Jammu&Kashmir, heute<br />

ein Teil Pakistans. Gilgit-Baltistan, der nördlichste<br />

Teil dieses Fürstenstaats, wurde 1947 als “Northern<br />

Areas” Pakistan einverleibt. Bei der Teilung von<br />

Britisch-Indien 1947 erhielten die Fürstenstaaten die<br />

Möglichkeit, <strong>für</strong> Indien oder Pakistan zu optieren. Doch<br />

der letzte Maharadscha von Jammu und Kaschmir, Hari<br />

Singh, wollte sein Fürstentum als unabhängige Einheit<br />

erhalten. Im Oktober 1947 drangen pakistanische<br />

Freischärler aus dem Nordwesten Pakistans mit<br />

Unterstützung der pakistanischen Armee in Kaschmir<br />

ein, worauf der Maharadscha die Hilfe Indiens<br />

anforderte. Indien war dazu nur unter der Bedingung<br />

bereit, dass Kaschmir sich Indien anschloss. Am<br />

20. Oktober 1947 unterzeichnete Hari Singh die<br />

“Beitrittserklärung zu Indien” und gab damit den Weg<br />

frei <strong>für</strong> die militärische Intervention der indischen<br />

Armee gegen den Anspruch Pakistans auf ganz Jammu<br />

und Kaschmir. 1948 kam es entlang der sog. “Line of<br />

Control” (LoC) zu einer militärischen Pattsituation: die<br />

LoC wurde im Abkommen von Shimla 1972, nach dem<br />

neuerlichen indisch-pakistanischen Krieg um Kaschmir,<br />

als vorläufige Grenze zwischen dem indischen und<br />

pakistanischen Teil Kaschmirs festgeschrieben. Die<br />

beiden Staaten einigten sich darauf, den Konflikt in<br />

bilateralen Verhandlungen friedlich lösen zu wollen.<br />

Schon 1949 teilte die pakistanische Regierung<br />

den nördlichen und westlichen Teil des früheren<br />

Fürstenstaats von Jammu und Kaschmir in zwei völlig<br />

getrennt verwaltete Einheiten mit unterschiedlichem<br />

Status auf:<br />

• Azad Jammu und Kaschmir (AJK, mit 13.297<br />

km 2 ): ein Landstreifen im Westen des von<br />

Indien verwalteten Kaschmirtals.<br />

• Die von der Bundesregierung direkt verwalteten<br />

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