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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

92<br />

systems der spanischen Territorialautonomien.<br />

Anfänglich kontroverse Institutionen und Regelungen<br />

sind nun die Autonomiestatuten aufgenommen<br />

worden von anderen Autonomen Gemeinschaften,<br />

wie z.B. Die Anerkennung von zivilen Rechten<br />

und Pflichten, die Proklamation von Prinzipien mit<br />

Programmcharakter, die Bezugnahme auf historische<br />

Rechte, die Erweiterung der Rechte der Beteiligung<br />

der Autonomen Gemeinschaft an zentralstaatlichen<br />

Entscheidungsverfahren, wann immer regionale<br />

Interessen berührt werden; die Ausdehnung des<br />

Umfangs regionaler Befugnisse, striktere finanzielle<br />

Verpflichtungen des Staats gegenüber den<br />

Gemeinschaften, die Dezentralisierung der Justiz. All<br />

diese Neuerungen haben dazu beigetragen, sodass<br />

der verfassungsrechtliche Prozess zum Ausbau der<br />

Regionalautonomie Spaniens vorangetrieben wird.<br />

3.2.8 Erfahrungen mit Territorialautonomie<br />

in Spanien<br />

Die Demokratisierung Spaniens war eng verknüpft mit<br />

dem Versuch, den Interessen der Minderheitenvölker<br />

entgegenzukommen. 157 Die Demokratie war mit den<br />

ersten freien Wahlen der Post-Franco-Zeit am 15. Juni<br />

1977 wiederhergestellt worden. 1980 wurden fast 88%<br />

der öffentlichen Ausgaben vom Zentralstaat in Madrid<br />

getätigt. 1,3 Millionen öffentliche Angestellte arbeiteten<br />

<strong>für</strong> den Staat, nur eben 350.000 <strong>für</strong> die regionalen und<br />

lokalen Gemeinschaften. Diese politische Landschaft<br />

hat sich seit 1980 grundlegend gewandelt. 1996 flossen<br />

schon 26% der gesamten öffentlichen Ausgaben über<br />

die Kassen der Autonomen Gemeinschaften, die<br />

über 600.000 Personen beschäftigten. Doch diese<br />

Gemeinschaften wiesen immer noch unterschiedliche<br />

Niveaus an Selbstregierung auf und nutzten ihre<br />

rechtlichen Möglichkeiten in von Region zu Region<br />

unterschiedlicher Weise, was zu einer Asymmetrie<br />

in der Gesetzgebungstätigkeit, Verwaltungs-effizienz<br />

und im institutionellem Aufbau geführt hat.<br />

Noch immer bestehen in Spanien Konflikte zwischen<br />

der Zentralregierung und den Regionen und auch<br />

zwischen den reicheren und ärmeren Regionen.<br />

Bei den Verwaltungsstrukturen kam es mit dem<br />

Aufbau einer regionalen und lokalen Ebene zu<br />

einer Reproduktion von öffentlichen Strukturen. Auf<br />

157 Die Basken, Katalanen und Galizier (Gallegos) lehnen es<br />

i.d.R. ab, als “ethnische Minderheiten“ bezeichnet zu werden und<br />

ziehen Bezeichnungen wie „minoritäre <strong>Völker</strong>“oder “historische<br />

Nationen” vor.<br />

diese Weise wurden auch so manche Mängel wie<br />

fehlende Effizienz, Kompetenzüberschneidungen,<br />

Verantwortungsmangel, Zersplitterung neu aufgelegt.<br />

Es gibt keinen eindeutigen und verallgemeinerbaren<br />

Befund bei den Leistungen der öffentlichen<br />

Verwaltung der Autonomen Gemeinschaften. Seit<br />

1980 sind diese Gemeinschaften theoretisch in der<br />

Lage, die Erwartungen der regionalen Wählerschaft<br />

zu erfüllen. 1978 bevorzugte noch fast die Hälfte der<br />

Bevölkerung Spaniens eine zentralistische Staatsform<br />

anstatt der autonomen Regionen. 1998 sprachen sich<br />

nur mehr 13% <strong>für</strong> diese Lösung aus, während 70%<br />

sich <strong>für</strong> die Autonomie oder sogar <strong>für</strong> den Ausbau<br />

der bestehenden Autonomie der Gemeinschaften<br />

aussprachen. In Spanien herrscht heute die Meinung<br />

vor, dass die Umwandlung des Staats in einen „Staat<br />

der Autonomien“ eine positive Erfahrung war, was<br />

aufgrund der autoritären und zentralistischen Tradition<br />

des Landes nicht so sicher zu erwarten war. 158<br />

Doch sind die Staatsbürger heute auch kritischer<br />

gegenüber den Leistungen der Institutionen der<br />

jeweiligen autonomen Gemeinschaften. Kritische<br />

Positionen meinen, man hätte sich in Entsprechung zur<br />

erheblichen Umschichtung in öffentlichen Ausgaben<br />

und Bediensteten auch einen wesentlichen Anstieg<br />

der Leistungen der autonomen Verwaltungsinstanzen<br />

erwartet. Hier muss natürlich nach jeweiliger<br />

Gemeinschaft differenziert werden. Überdies gibt es<br />

tief verwurzelte Unterschiede im wirtschaftlichen<br />

Entwicklungsstand zwischen Extremadura und<br />

Andalusien am einen Ende und Katalonien und<br />

Baskenland am anderen Ende. Die wahrgenommene<br />

Ungleichheit hat in all diesen Jahren der Autonomie<br />

eher zugenommen. Vor allem Katalonien wird als am<br />

stärksten privilegierte Region betrachtet, gefolgt von<br />

Andalusien und dem Baskenland.<br />

Es lässt sich eine wachsende Identifizierung der Bürger<br />

mit ihrer regionalen Gemeinschaft feststellen. Mehr<br />

als die Hälfte der Staatsbürger Spaniens sehen sich<br />

selbst gleichermaßen als Bürger des Staates wie ihrer<br />

jeweiligen Autonomen Gemeinschaft. In der Bewertung<br />

der globalen Wirkung der Errichtung der Autonomen<br />

Gemeinschaft gibt es profunde Unterschiede. Bei<br />

einer 1996 veröffentlichen Meinungsumfrage zum<br />

Entwicklungsstand des „Staats der Autonomien“<br />

meinten 45% der Staatsbürger, dass sich die Autonomie<br />

positiv auf das Verhältnis zwischen den Regionen<br />

158 Joan Subirat (1998), Balanc de 16 anys de funcionament de<br />

l’Estat de les autonomies, in “Catalunya y Espana, Las relaciones<br />

historicas, culturales y politicas, Fundació Ramon T. Fargas, Barcelona<br />

1998, S.122-145

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