Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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3 Territorialautonomie am Werk<br />
1975 hatten einige Vereinigungen auf Bougainville<br />
die Selbstbestimmung verlangt. Man wollte in den<br />
Dorfgemeinschaften völlige Selbstverwal-tung,<br />
Steuerbefreiung und eine Rückkehr zu den traditionellen<br />
Führungsstrukturen erreichen. So bildete sich eine<br />
politische Bewegung <strong>für</strong> soziale, wirtschaftliche und<br />
politische Autonomie heraus. Doch trotz seiner engen<br />
geschichtlichen und kulturellen Verbindungen zu den<br />
Solomon-Inseln wurde Bougainville zu PNG geschlagen,<br />
als dieses Land 1975 unabhängig wurde.<br />
3.17 Bougainville (Papua<br />
Neuguinea)<br />
Bevölkerung (2005) 175.160<br />
Fläche 9.300 km 2<br />
Hauptstadt<br />
Amtssprache<br />
Arawa<br />
Englisch<br />
Autonomie seit 2002<br />
Ethnische<br />
Zusammensetzung<br />
http://en.wikipedia.org/<br />
Verschiedene Ethnien mit 19<br />
Sprachen<br />
Die Insel Bougainville mit einigen dazugehörigen<br />
kleineren Inseln liegt rund 1.000 Kilometer östlich<br />
von der Hauptstadt von Papua Neu Guinea (PNG).<br />
Die kulturelle Identität Bougainvilles ist eindeutig<br />
melanesisch geprägt, doch gibt es eine Reihe<br />
verschiedener Ethnien mit insgesamt 19 Sprachen<br />
Diese Ethnien teilen einige Sitten und Bräuche, wie<br />
z.B. eine gegenüber PNG bessere Stellung der Frau in<br />
der <strong>Gesellschaft</strong> und der Auffassung des Landes als<br />
göttlicher Urgrund. 247<br />
3.17.1 Der Hintergrund des Konflikts<br />
Bougainville wurde erst relativ spät kolonisiert.<br />
Anfänglich unter britisch-australischem Einfluss fiel<br />
Bougainville im späten 19. Jahrhundert an Deutschland.<br />
Nach Ende des 1. Weltkriegs wurde Bougainville zum<br />
Treuhandgebiet Australiens, das die Insel als eine<br />
Art Hinterhof behandelte. Trotz des Kolonialregimes<br />
entwickelten sich in der indigenen Bevölkerung<br />
dank besserer Bildungsmöglichkeiten eine kleine<br />
politische Elite. Bereits vor der Unabhängigkeit PNGs<br />
247 Roderic Alley, Ethnosecession in Papua New Guinea, S. 225-<br />
253, in: Yash Ghai (ed.), Autonomy and ethnicity: negotiating competing<br />
claims in multiethnic states, Hong Kong 2000<br />
Schon vorher, 1969, hatte die Errichtung eines<br />
Kupferbergwerks durch den britischen Bergbaukonzern<br />
Rio Tinto eine traumatische Wirkung auf die<br />
Entwicklung Bougainvilles ausgelöst. 800 Menschen<br />
wurden umgesiedelt, 1400 ihrer Fischereirechte<br />
beraubt, da <strong>für</strong> das Bergwerk Land beschlagnahmt<br />
und enteignet wurde. Rio Tinto brannte 220 Hektar<br />
Regenwald nieder und vergiftete die Böden rings ums<br />
Bergwerk im Tagebau. Nach 20 Jahren Tätigkeiten<br />
hatte die Kupferförderung im Tagbau eine Tiefe von<br />
500 Metern und einen Durchmesser von 7 km erreicht,<br />
wobei über eine Milliarde Tonne an Abraummaterial<br />
und Müll erzeugt worden war, das die Flüsse<br />
vergiftete. Nach 19 Jahren vergeblichen Protestes<br />
und Entschädigungs-forderungen hatten 1988 einige<br />
Bougainvilleaner genug. Sie entwendeten Sprengstoff<br />
und jagten Elektromasten, Gebäude und Anlagen des<br />
Bergbaukonzerns in die Luft. Mit Guerrillataktik setzten<br />
sie schließlich die Schließung des Bergwerks durch.<br />
Vor Ausbruch der Feindseligkeiten im März 1988<br />
hatte dieses Kupferbergwerk immerhin rund 45%<br />
der gesamten Exporterlöse PNGs bestritten. Diese<br />
wirtschaftliche Bedeutung verleitete die Regierung<br />
in PNG mit Unterstützung Australiens zu einer<br />
harten militärischen Repression des Aufstands auf<br />
Bougainville. Die Bougainvilleaner gründeten die<br />
„Bougainville Revolutionary Army““ (BRA), um ihr<br />
Land und die Bevölkerung vor weiterer Ausbeutung<br />
zu schützen. Australien war infolge seiner früheren<br />
Rolle als Kolonialmacht in PNG von 1918 bis<br />
1975 (mit kurzer Unterbrechung während des 2.<br />
Weltkriegs) kompromittiert. Nun versorgte Australien<br />
PNG mit militärischer Ausrüstung, Waffen und<br />
Ausbildung und unterstützte die Niederschlagung<br />
der Aufständischen auch finanziell. Die Marine PNGs<br />
konnte Bougainville nur dank der von Australien<br />
gelieferten Schnellboote und Versorgungs-schiffe,<br />
Helikopter und Waffen in den Würgegriff nehmen. Die<br />
Bevölkerung der Operationsgebiete der BRA wurde in<br />
Konzentrationscamps zwangsumgesiedelt.<br />
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