06.11.2013 Aufrufe

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

5 Schlussfolgerungen<br />

Seit 1990 ist es immer wieder zu Protesten und<br />

gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, die<br />

von Islamabad blutig unterdrückt wurden. Aufgrund<br />

der Zuwanderung aus dem restlichen Pakistan<br />

brechen verstärkt Konflikte zwischen Sunniten und<br />

einheimischen Schiiten auf. Eine wachsende Zahl der<br />

politischen Kräfte von weder auf regionaler noch auf<br />

nationaler fordern eine echte Territorialautonomie<br />

im Rahmen des pakistanischen Staats, wobei diese<br />

Region aus dem Gesamtkonflikt Jammu und Kaschmir<br />

endgültig ausgeklammert werden soll.<br />

9. Türkisch-Kurdistan<br />

Der seitens der Türkei „Anatolien“ benannte<br />

südöstliche Teil der heutigen Türkei wird vorwiegend<br />

von Kurden bewohnt. Er ist eines der Kernländer des<br />

historischen und kulturgeografischen Kurdistans, das<br />

sich über vier Staaten des Nahen Ostens erstreckt. Die<br />

Kurden sind in der Türkei bis heute nicht als eigenes<br />

Volk anerkannt, wurden vielmehr bis vor Kurzem als<br />

„Bergtürken“ betrachtet. Die kurdische Bevölkerung<br />

lebt verstreut über 18 Provinzen der Türkei mit einer<br />

Gesamtfläche von 209.000 km 2 . Weitere Millionen<br />

Kurden sind in die westlichen Großstädte der Türkei<br />

und ins Ausland abgewandert. Der Jahrhunderte alte<br />

Traum der Kurden von einem eigenen Staat schien sich<br />

1920 mit dem Abkommen von Sèvres zu erfüllen, als<br />

ein Rumpf-Kurdistan (ohne die kurdischen Gebiete in<br />

Iran, Irak und Syrien) nationale Rechte zugesprochen<br />

bekam. Doch schon im 1923 folgenden Vertrag<br />

von Lausanne wurde Türkisch-Kurdistan mit einem<br />

vagen Versprechen auf Autonomie als ein integraler<br />

Bestandteil der Türkei anerkannt. Seitdem versuchen<br />

kurdische nationale Bewegungen immer wieder, die<br />

Anerkennung kollektiver kultureller und politischer<br />

Grundrechte der Kurden in der Türkei durchzusetzen<br />

gegen die zentralistischen, vom Kemalismus geprägte<br />

Politik des türkischen Staats. 20 Jahre lang dauerte<br />

der bewaffnete Aufstand und Guerrillakrieg der PKK,<br />

der über 30.000 Menschenleben kostete und zur<br />

Zerstörung von 2.000 kurdischen Dörfern führte.<br />

Seit drei Jahrzehnten werden die Menschenrechte<br />

in Türkisch-Kurdistan systematisch missachtet.<br />

Die Politik der Türkei ist immer wieder sowohl von<br />

Menschenrechtsorganisationen wie vom Europarat, der<br />

OSZE und der EU verurteilt worden, und bildet eines<br />

der größten Hindernisse <strong>für</strong> den Beitritt der Türkei zur<br />

EU. Die Einrichtung einer Territorialautonomie, wie von<br />

kurdischer Seite in jüngster Zeit mehrfach gefordert,<br />

scheint auf dem Hintergrund des von Nationalismus<br />

und Zentralismus geprägten Staats zur Zeit noch als<br />

wenig wahrscheinlich, doch ist klar geworden, dass<br />

weder Sezession noch weitere Unterdrückung eine<br />

Konfliktlösung bringen wird.<br />

10. Korsika und die Bretagne (Frankreich)<br />

Korsika ist die viertgrößte Insel des Mittelmeers nach<br />

Sizilien, Sardinien und Zypern, vor den Balearen. Offiziell<br />

bildet Korsika eine der 26 Regionen Frankreichs und<br />

ist staatsrechtlich eine „Territoriale Kollektivität“ mit<br />

etwas mehr Kompetenzen als die normalen Regionen<br />

Frankreichs. Korsikas Status unterscheidet sich von<br />

jenem der Überseedépartements (z.G. Guyana,<br />

Réunion, Martinique) und von den „Pays d‘outre<br />

Mèr“, den echten Territorialautonomien Frankreichs in<br />

Ozeanien, nämlich Neukaledonien und Polynesien.<br />

Korsikas Forderung nach Selbstbestimmung und<br />

Autonomie wird mit der historischen und sprachlichkulturellen<br />

Eigenart der Insel begründet. 1982<br />

verstanden etwa 70% der ansässigen Bevölkerung<br />

Korsisch, eine mit dem Alt-Toskanischen verwandte<br />

Sprache. Korsisch ist bis heute keine Pflicht-<br />

Vehikularsprache im Bildungssystem der Insel, sondern<br />

kann als Wahlfach belegt werden. Da Korsisch nicht als<br />

Amtssprache anerkannt ist, spielt es in der Verwaltung,<br />

265

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!