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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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3 Territorialautonomie am Werk<br />

Schifffahrtsregister, das Rentenrecht und die soziale<br />

Sicherheit, das Bank- und Kreditwesen. In einigen<br />

Instanzen sieht sich die Regierung von Åland jedoch<br />

konfrontiert mit der Anfechtung von Verwaltungsakten<br />

durch Helsinki.<br />

Doch auch auf zentralstaatlicher Ebene sind Ålands<br />

Interessen repräsentiert, nämlich zum einen durch<br />

einen gewählten Abgeordneten der Åland-Inseln zum<br />

finnischen Parlament und zum andern durch die Åland<br />

Delegation. Außerdem können die Institutionen der<br />

autonomen Inselregion in Bereichen der staatlichen<br />

Gesetzgebung und Verwaltung der finnischen<br />

Regierung Initiativen unterbrei-ten, die ihrerseits<br />

verpflichtet ist, diese dem Parlament vorzulegen.<br />

Der Landtag unterliegt in seiner Gesetzgebung<br />

einer klaren, doch begrenzten Kontrolle seitens des<br />

Zentralstaats. Alle vom Landtag verabschiedeten<br />

Gesetze müssen vom Präsidenten Finnlands innerhalb<br />

von vier Monaten gegengezeichnet werden. Dieser<br />

kann in nur zwei Fällen ein Veto einlegen: wenn der<br />

Landtag seine Gesetzgebungskompetenz überschritten<br />

hat oder wenn das Gesetz die interne oder äußere<br />

Sicherheit des Landes berührt. Um derartige Vetos aufs<br />

Minimum zu beschränken, muss ein Gesetzesvorhaben<br />

vor der Vorlage an den Staatspräsidenten der „Åland-<br />

Delegation“ zur Prüfung vorgelegt werden, was schon im<br />

Vorfeld ein mögliches Veto des Präsidenten verhindern<br />

kann. Diese Delegation ist eine gemischte Kommission<br />

des Staats und der Åland-Inseln unter dem Vorsitz des<br />

Gouverneurs. Sie besteht aus jeweils zwei Experten,<br />

die von der Regierung in Helsinki und vom Landtag<br />

ernannt werden. Unter anderem ist diese Kommission<br />

auch <strong>für</strong> den jährlichen Finanzausgleich zuständig, der<br />

auch Steuerrückerstattung genannt wird. Die „Åland-<br />

Delegation“ kann vom Staatspräsidenten, nach<br />

Konsultation des Sprechers des Landtags, aufgelöst<br />

werden.<br />

Während der Präsident Finnlands in allen 12 konstitutiven<br />

Provinzen Finnlands einen Gouverneur ernennt,<br />

kann die Ernennung des Gouverneurs auf den Åland<br />

Inseln nur im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden<br />

des Landtags erfolgen. Der Gouverneur wird aus<br />

den Reihen der größten der im Landtag vertretenen<br />

Parteien ausgewählt. Dieser Gouverneur muss bei<br />

der Regierungsbildung in drei Schritten vorgehen,<br />

um eine möglichst breite Koalition <strong>für</strong> die Bildung der<br />

Landesregierung (Landskapsstyrelse) unter Einschluss<br />

der größten Fraktionen des Landtags zu finden. Wenn<br />

dieser Versuch scheitert kann eine Regierung auch mit<br />

knapper Mehrheit gebildet werden.<br />

Bezüglich der Justiz gibt es auf den Åland Inseln<br />

kein getrenntes System, sondern das in ganz<br />

Finnland angewandte System von kommunalen und<br />

Kreisgerichten als auch das Höchstgericht in Helsinki<br />

als Berufungsinstanz und zentrale Verwaltungsbehörde<br />

der Justiz.<br />

Obwohl das Autonomiegesetz keine besonderen<br />

Verfahren <strong>für</strong> die Schlichtung von Streitigkeiten<br />

zwischen Finnland und den Åland Inseln vorsieht,<br />

enthält es zahlreiche rechtliche Absicherungen<br />

<strong>für</strong> beide Seiten. Auf der Ebene der Justiz kann<br />

ein Rechtmäßigkeitsverfahren gegen Rechtsakte<br />

der aländischen Regierung vor dem höchsten<br />

Verwaltungsgericht Finnlands angestrengt werden.<br />

Jeder andere Konflikt zwischen der autonomen Region<br />

und dem Zentralstaat muss vom Höchst-gericht in<br />

Helsinki entschieden werden.<br />

Das Autonomiegesetz von 1991 hat die<br />

wirtschaftliche Autonomie der Inseln gestärkt und<br />

die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Staat und<br />

den autonomen Inseln neu geregelt. Für die Finanzen<br />

der Åland Inseln ist der Landtag und die gemischte<br />

Åland-Kommission zuständig. Die autonomen Inseln<br />

tragen den Großteil der Kosten der Autonomie selbst<br />

und verfügen über die Zuständigkeit, eine zusätzliche<br />

Einkommenssteuer zu erheben. Der Landtag erstellt<br />

und verabschiedet das Jahresbudget und erhebt eigene<br />

Zusatzsteuern und Gebühren <strong>für</strong> Dienstleistungen<br />

der autonomen Verwaltung. Die gemischte Åland-<br />

Kommission hingegen hat die Aufgabe, den jährlichen<br />

Finanzbeitrag an Åland auszuhandeln, den Helsinki<br />

zur Abdeckung der Kosten der Autonomie jährlich<br />

überweist. Diese werden nach dem Maßstab der<br />

Kosten der staatlichen Maßnahmen berechnet, die<br />

die Regierung in den normalen Provinzen selbst<br />

trägt. Finnland hebt auf Åland die allgemeinen<br />

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