06.11.2013 Aufrufe

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

228<br />

<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

Im Mai 2004 wurden drei weitere Abkommen<br />

unterzeichnet. Das wichtigste dieser Abkommen regelt<br />

die gemeinsame Ausübung der Regierungsgewalt.<br />

Omar Al Bashir sollte Staatspräsident bleiben,<br />

während der Führer der SPLA/M, John Garang,<br />

Vizepräsident mit einem Vetorecht gegenüber den<br />

Entscheidungen des Präsidenten werden sollte. Eine<br />

gemeinsame Regierung wurde gebildet und binnen<br />

sechs Monaten erstellte eine Verfassungskommission<br />

einen neuen Verfassungsentwurf, den ersten seit der<br />

Unabhängigkeit.<br />

Erst nach der Wiederwahl des US-Präsidenten George<br />

Bush im November 2004 war das sudanesische Regime<br />

zu einem endgültigen Kompromiss bereit. Inzwischen<br />

hatte sich auch die gänzlich muslimische Region<br />

Darfur im Westsudan gegen die Zentralregierung<br />

aufgelehnt. Dieser noch andauernde Krieg mit bisher<br />

rund 200.000 Opfern beweist, dass der Konflikt im<br />

Sudan nicht in erster Linie ein religiöser Konflikt ist,<br />

sondern darauf zurückzuführen ist, dass eine relativ<br />

kleine arabische Machtelite im Niltal das gesamte<br />

Land unter ihrer Herrschaft behalten möchte. Darauf<br />

deutet auch die wachsende politische Unruhe in der<br />

ausschließlich arabischen Provinz Kordofan, in den<br />

Regionen des Blauen Nils, im südlichen Kordofan und<br />

in den Nuba-Bergen im Ost-Sudan hin.<br />

Das am 9. Januar 2005 in Nairobi unterzeichnete<br />

„Umfassende Friedensabkommen“ (Comprehensive<br />

Peace Treaty, CPT) beendete einen 19 Jahre<br />

dauernden kriegerischen Konflikt mit gut 1,5 Millionen<br />

Toten, 4 Millionen Binnenflüchtlingen und 600.000<br />

Südsudanesen, die in die Nachbarstaaten geflüchtet<br />

sind. Die komplexen Verhandlungen hatten 30 Monate<br />

gedauert. Offen blieb zunächst die Frage, wie die<br />

politische Opposition sowohl im Süden wie im Norden<br />

in den Friedensprozess einbezogen und das CPT<br />

konkret umgesetzt wird.<br />

Das CPT sieht die Möglichkeit vor, im Südsudan<br />

2011 ein Referendum über die Unabhängigkeit<br />

abzuhalten, was auch geschehen ist. 2007 wurde<br />

eine Volkszählung durchgeführt und 2008 die ersten<br />

Parlamentswahlen abgehalten. Getrennte autonome<br />

Regionalverwaltungen sollen in Abyei, in den Nuba-<br />

Bergen und im südlichen Teil der Provinz des Blauen<br />

Nil eingerichtet werden. Die Bevölkerung dieser<br />

Provinzen ist ethnisch und religiös gemischt, Araber,<br />

Schwarzafrikaner, Christen, Muslime und animistische<br />

Religionen. Während des Kriegs waren diese Regionen<br />

von der SPLA kontrolliert worden.<br />

Die größten Mängel dieses komplexen Abkommens<br />

liegen in den Verhandlungspartnern selbst. Das<br />

heutige Regime in Khartum entwickelte sich aus einem<br />

Militärputsch der „Nationalen Islamischen Front“<br />

(NIF), die 1986 nur 7% der Stimmen auf sich vereinen<br />

konnte. Heute repräsentiert die NIF gerade 10-15%<br />

der Wählerschaft des Sudan. Auf der anderen Seite<br />

kontrolliert die SPLA/M bei weitem nicht den gesamten<br />

Südsudan, sondern auch andere südsudanesische<br />

Parteien haben lokal eine gewisse Macht. Darüber<br />

hinaus gibt es verschiedene von der SPLA unabhängige<br />

und mit ihr rivalisierende Milizen. Die SPLA rekrutiert<br />

ihre Soldaten vor allem aus dem Volk der Dinka, die<br />

in anderen, vor allem von Nuer bewohnten Regionen<br />

nicht gerne als Machthaber akzeptiert werden. Die<br />

Signatarmächte des CPT repräsentieren insgesamt<br />

höchstens 30% der Bevölkerung.<br />

Ein weiteres Hindernis <strong>für</strong> die Umsetzung des<br />

Friedensabkommens ist der andauernde blutige<br />

Konflikt in Darfur. In dieser wüstenhaften Region im<br />

Westsudan an der Grenze zum Tschad und zu Libyen<br />

war die völlig muslimische Bevölkerung aus Arabern<br />

und Schwarzafrikanern von den Regimes in Khartum<br />

seit Beginn des Kriegs 1983 vernachlässigt worden.<br />

Politisch und ökonomisch war der Darfur genauso<br />

diskriminiert worden wie der Süden. Als 2002 beim<br />

Durchbruch bei den Nord-Süd-Verhandlungen die<br />

politischen Kräfte des Darfur mitbekamen, dass<br />

gewaltsamer Widerstand die Regierung zur Achtung der<br />

Grundrechte der Minderheitenvölker und Minderheiten<br />

bewogen hatte, starteten Rebellengruppen Angriffe<br />

in der Hoffnung, ebenfalls zum Verhandlungstisch<br />

geladen zu werden. Dies war eine bittere Illusion.<br />

Weitere Fragen tauchten in Zusammenhang mit<br />

der Umsetzung des Abkommens auf: werden die<br />

Ölvorkommen transparent verwaltet und wird der<br />

Südsudan seinen zustehenden Anteil erhalten?<br />

Wird die SPLA/M ihrerseits imstande sein, alle<br />

Regierungsverantwortung in der gemeinsamen<br />

Regierung der nationalen Einheit zu übernehmen?<br />

Wird der militärische Arm der SPLA/M die lange Zeit<br />

bis 2011 überstehen? Wird der tiefe Riss zwischen<br />

dem reichen, arabischen Norden und dem armen,<br />

verwüsteten Süden überbrückt werden können?<br />

4.5.4 Die transitorische Autonomie des<br />

Südsudan<br />

Das CPT war insofern ein Kompromiss, als die SPLA/M<br />

auf die sofortige Loslösung des Südens verzichtete

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!