Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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4 Besondere Formen von Autonomie<br />
eingerichtet worden, da Hong Kong zur übergroßen<br />
Mehrheit von Han-Chinesen bewohnt wird. Vielmehr<br />
dient diese Autonomie der Koexistenz und Integration<br />
eines anderen wirtschaftlichen und politischen<br />
Systems, jenes der ehemaligen Kronkolonie Hong<br />
Kong, in den „Mutterstaat“ China. Diese Autonomie<br />
gründet auf einem internationalen Vertrag, der<br />
Chinesisch-Britischen Erklärung von 1984, der die<br />
Erhaltung des besonderen Charakters dieses Gebiets<br />
zum Inhalt hat. 347<br />
Bevölkerung (2005<br />
7.041.000<br />
geschätzt)<br />
Fläche 1.104 km 2<br />
Wichtigste Sprachen<br />
Chinesisch, Englisch<br />
Autonomie seit 1997<br />
http://en.wikipedia.org/<br />
Einen besonderen Fall von politisch-territorialer<br />
Autonomie stellt heute Hong Kong dar. Diese Autonomie<br />
ist nicht zum Schutz von ethnischen Minderheiten<br />
eingerichtet worden, da Hong Kong zur übergroßen<br />
Mehrheit von Han-Chinesen bewohnt wird. Vielmehr<br />
dient diese Autonomie der Koexistenz und Integration<br />
eines anderen wirtschaftlichen und politischen<br />
Systems, jenes der ehemaligen Kronkolonie Hong<br />
Kong, in den „Mutterstaat“ China. Diese Autonomie<br />
gründet auf einem internationalen Vertrag, der<br />
Chinesisch-Britischen Erklärung von 1984, der die<br />
Erhaltung des besonderen Charakters dieses Gebiets<br />
zum Inhalt hat. 348<br />
Ist Hong Kong nun nach der Übertragung der<br />
Souveränität von Großbritannien auf die VR China am<br />
1. Juli 1997 tatsächlich Autonomie eingeräumt worden?<br />
China hat Hong Kong im Abtretungsabkommen vom<br />
19.12.1984 Garantien gegeben, dass Hong Kong<br />
eine „Sonderverwaltungsregion“ (Hong Kong Special<br />
347 Vgl. http://www.info.gov.hk: Die Chinesisch-Britische Deklaration<br />
und Grundgesetz<br />
348 Vgl. http://www.info.gov.hk: Die Chinesisch-Britische Deklaration<br />
und Grundgesetz<br />
Administrative Region of the People’s Republic<br />
of China) 349 ) mit besonderen legislativen und<br />
exekutiven Befugnissen sein wird, mit Ausnahme<br />
der Außen- und Verteidigungspolitik. Dank Hong<br />
Kongs führender Position als Welthandelsplatz und<br />
seines wirtschaft-lichen Erfolgs erklärte China seine<br />
Absicht, die Regierung Hong Kongs trotz Übergang<br />
der Souveränität unangetastet zu lassen. Diese<br />
geschichtlich einzigartige Operation spielt sich auf<br />
dem Hintergrund der beschleunigten Transformation<br />
der chinesischen Wirtschaft in eine Markwirtschaft ab,<br />
ohne jedoch der Bevölkerung die in westlichen und<br />
östlichen Industriestaaten erreichten demokratischen<br />
Rechte und Freiheiten zu gewähren. Die Chinesisch-<br />
Britische Erklärung von 1984 setzte das Prinzip des<br />
„Ein Land, zwei Systeme“ mit einer Geltungsdauer von<br />
1997 bis 2047 in Kraft. In diesem halben Jahrhundert<br />
sollte Chinas sozialistisches System in der „Hong Kong<br />
Sonderverwaltungsregion“ nicht eingeführt werden<br />
dürfen.<br />
Heute kann Hong Kong als moderner kapitalistischer<br />
Staat mit innerer Selbstverwaltung bezeichnet werden<br />
unter der Souveränität der VR China, die befugt<br />
ist, die nationale Einheit und territoriale Integrität<br />
im gesamten Mutterland aufrechtzuerhalten. Das<br />
Verfassungsdokument Hong Kongs ist das Grundgesetz<br />
(Basic Law), das vom chinesischen Volkskongress mit 1.<br />
Juli 1997 in Kraft gesetzt worden ist. 350 Es stattet Hong<br />
Kong mit einem hohen Grad an Autonomie aus, erklärt<br />
sein kapitalistisches System <strong>für</strong> unantastbar und hält<br />
die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive<br />
und Gerichtsbarkeit aufrecht. Alle vorher in Hong<br />
Kong geltenden Gesetze sollten in Kraft bleiben, es<br />
sei denn, sie befinden sich in eklatantem Widerspruch<br />
zum Grundgesetz. Diese Art von Verfassung erkennt<br />
allen ansässigen Staatsbürgern, also den Bürgern von<br />
Hong Kong, das Recht auf freie Meinungsäußerung,<br />
auf Medienfreiheit, das Versammlungs- und<br />
Demonstrationsrecht, das Recht auf freie Information,<br />
Religionsausübung und auch das Streikrecht und Recht<br />
auf Bildung von Gewerkschaften zu. Die Grundnormen<br />
der Internationalen Pakte über bürgerliche und<br />
politische Rechte und der Internationalen Pakte über<br />
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966<br />
bleiben in Kraft. 351 Darüber hinaus bleibt Hong Kong ein<br />
349 Für eine kritische Rezeption vgl. Yash Ghai, Autonomy with<br />
Chinese Characteristics: the Case of Hong Kong, in Pacifica Review,<br />
vol. 10, n.1/February 1998<br />
350 Das “Basic Law of the Hong Kong Administrative Region of<br />
the People’s Republic of China”, Prämbel vgl. http://www.info.gov.<br />
hk<br />
351 Vgl. Bundeszentrale <strong>für</strong> politische Bildung, Menschenrechte –<br />
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