Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
Grönlands über jene natürlichen Ressourcen stark, die<br />
noch vom dänischen Staat beansprucht werden. Atassut<br />
sieht die politische und wirtschaftliche Entwicklung<br />
der Insel am besten innerhalb des dänischen Staats<br />
aufgehoben und be<strong>für</strong>wortet den Status quo, wobei<br />
die Dominanz der Inuit auf Grönland beibehalten<br />
werden soll. Die Inuit Ataqatigiit-Partei betrachtet<br />
das Autonomie-arrangement als eine Fortsetzung<br />
des früheren Kolonialverhältnisses und be<strong>für</strong>-wortet<br />
die volle Unabhängigkeit Grönlands. Sie will auch die<br />
Abkommen <strong>für</strong> die US-Militärbasen neu verhandeln<br />
und den Pachtzins erhöhen. Bei den Wahlen zum<br />
Landtag 2002 errang die regierende Siumut-Partei 10<br />
Sitze (29,3%), gefolgt von Inuit Ataqatigiit mit acht<br />
Sitzen (25,8%) und Atassut mit 5 Sitzen (20,9%). 191<br />
Heute bestehen verschiedene Optionen <strong>für</strong> eine<br />
Erweiterung der Autonomie: Siumut tritt <strong>für</strong> die<br />
Beibehaltung der heutigen Autonomie ein, will aber<br />
die vollständige Kontrolle über die Ressourcen der<br />
Insel, was der traditionellen Forderung der Grönländer<br />
auf volle Inanspruchnahme der Landrechte entspricht.<br />
Die ILO-Konvention <strong>für</strong> die indigenen <strong>Völker</strong> von<br />
1991 bekräftigt das Recht dieser <strong>Völker</strong> auf das<br />
angestammte Eigentum an Land und Gewässern. 192 .<br />
Würde Dänemark diese Konvention ratifizieren, wäre<br />
eine weitere Rechts-grundlage <strong>für</strong> die Übertragung<br />
der Landrechte an die Inuit geschaffen.<br />
Atassut drängt auf die nationale Einheit <strong>für</strong> den<br />
Ausbau der Autonomie als bestmögliche Lösung <strong>für</strong><br />
Grönlands Entwicklung und betont die Notwendigkeit,<br />
mehr Einfluss auf die auswärtigen Angelegenheiten<br />
zu gewinnen. Eine Reform der Autonomie in diesem<br />
Sinne käme den politischem Programm beider<br />
Regierungs-parteien zupass. Inuit Ataqatigiit hingegen<br />
tritt <strong>für</strong> die volle Unabhängigkeit von Dänemark ein.<br />
Kopenhagen hat bereits mehrfach festgestellt, dass<br />
es die Unabhängigkeit gewähren würde, wenn alle<br />
Grönländer dies wünschten. Doch erlaubt es die<br />
heutige wirtschaftliche Lage der Insel nicht, auf die<br />
jährlichen Unterstützungs-zahlungen Dänemarks von<br />
rund 375 Millionen USD zu verzichten.<br />
Der Langzeit-Perspektive Eigenstaatlichkeit stimmen<br />
grundsätzlich alle Inuit-Parteien zu, vertreten jedoch<br />
unterschiedliche Positionen, wie es erreicht werden<br />
soll. So bilden die Ratifizierung der ILO-Konvention<br />
und der Ausbau der Autonomie heute die zentralen<br />
mittelfristigen Ziele der grönländischen Mehrheit.<br />
Mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit soll den Boden<br />
<strong>für</strong> die volle Unabhängigkeit einem späteren Zeitpunkt<br />
bereiten.<br />
Ein wichtiges Thema in diesem Zusammen-hang<br />
bildet auch die militärische Nutzung Grönlands<br />
durch die NATO-Staaten, vor allem durch die USA.<br />
Nach Gewährung der Autonomie 1979 drängte<br />
Grönland immer wieder auf eine Revision dieser<br />
militärischen Aktivitäten. Dies ergab sich sowohl aus<br />
der antimilitaristischen Inuit-Traditionen, als auch aus<br />
dem Interesse der Grönländer, die Lebensgrundlagen<br />
und Umwelt zu erhalten. Vor allem die US-Militärbasis<br />
in Thule stellt eine ernsthafte Bedrohung atomarer<br />
Verseuchung dar, nachdem bereits mehrfach US-<br />
Flugzeuge in Grönlands Küstengewässern abgestürzt<br />
sind. 1983 verabschiedete die Regierung in Nuuk eine<br />
Resolution, Grönland zur atomfreien Zone zu erklären.<br />
Die autonome Regierung ist bestrebt, diese Frage des<br />
Umweltschutzes gegen die dänischen militärischen<br />
Interessen auf rechtlicher Ebene durchzufechten,<br />
wobei man sich auf die ernsthafte Bedrohung der<br />
Sicherheit und Gesundheit der Grönländer durch<br />
nukleare Tätigkeiten beruft.<br />
Die neue Autonomie Grönlands, die von der<br />
Regionalversammlung Grönlands und dem dänischen<br />
Parlament verabschiedet worden war, ist am 21.<br />
Juni 2009 in Kraft getreten, dem Nationalfeiertag der<br />
Grönländer, genau 30 Jahre nach dem ersten Statut.<br />
Alle Parteien Grönlands mit Ausnahme der Demokraten<br />
haben das Statut be<strong>für</strong>wortet.<br />
Das gesamte Reformpaket ist vier Jahre lang zwischen<br />
Kopenhagen und Grönland verhandelt worden, wobei<br />
als schwierigste Frage die neuen Finanzbeziehungen<br />
zu lösen waren. Nun rechnen die Grönländer mit<br />
steigenden Einnahmen aus der Ölförderung, um die<br />
finanzielle Abhängigkeit von Dänemark zu verringern.<br />
Die Regelung der Aufteilung der Einnahmen aus der<br />
Ölförderung sieht vor, dass Grönland die ersten 75<br />
Millionen Kronen (10 Mio. Euro) erhält, während der<br />
Rest 50:50 zwischen der Insel und dem Mutterland<br />
aufgeteilt wird. Die jährliche Finanzierung Grönlands<br />
durch die dänische Regierung von 375 Mio. Euro,<br />
immerhin 2/3 des BIP Grönlands, werden stufenweise<br />
abgebaut.<br />
116<br />
191 Über die neuesten Entwicklungen auf Grönland berichtet auch<br />
das BBC: http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/2543303.htm<br />
192 Der Text der ILO-Konvention über indigene <strong>Völker</strong> von 1991<br />
findet sich in: http://www.ciesin.org/docs/010-282/010-282.html