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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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der Kandidat spricht ausreichend gut Schwedisch.<br />

Die Åländer sind ansonsten dem finnischen<br />

Staatsbürgerschaftsrecht unterworfen, doch sind sie<br />

von der Wehrpflicht freigestellt.<br />

Auf den Åland Inseln leben derzeit rund 1.100<br />

Personen mit finnischer Muttersprache (etwa 5% der<br />

Gesamtbevölkerung). Sie kommen in den Genuss<br />

einiger Ausnahme-bestimmungen wie z.B. bei den<br />

Sprachen-rechten vor Gericht oder im Schriftverkehr<br />

mit öffentlicher Verwaltung. Dennoch wurde in<br />

Finnland die Frage aufgeworfen, ob gegenüber den<br />

finnischsprachigen Åländern nicht Diskriminierungstatbestände<br />

vorlägen.<br />

Obwohl die finnische Regierung grundsätzlich <strong>für</strong><br />

die Außenpolitik zuständig ist, hat Åland auch<br />

international eine eigene Stimme, zumindest in den<br />

skandinavischen und EU-Institutionen. Seit 1975<br />

sind die Åland Inseln Mitglied im Nordischen Rat auf<br />

Augenhöhe mit den skandinavischen Staaten und den<br />

autonomen Inseln Dänemarks. 183 Somit nimmt der<br />

Präsident der Landesregierung Ålands am Ministerrat<br />

des Nordischen Rates teil. Åland hat auch einen<br />

ständigen Vertreter in der finnischen Vertretung bei<br />

der EU in Brüssel, der keine Botschafter-funktion<br />

ausübt, sondern eher als „Verbindungsoffizier“ wirkt.<br />

Auch einer der Vertreter Finnlands im EU-Ausschuss<br />

der Regionen stammt aus Åland.<br />

Gemäß den Bestimmungen des Autonomiegesetzes<br />

zu internationalen Abkommen, kann die Regierung<br />

von Åland Verhandlungen mit einem ausländischen<br />

Staat bezüglich eines Abkommens vorschlagen.<br />

Außerdem muss die Åländer Regierung informiert<br />

werden, wenn Gegenstände eines internationalen<br />

Vertrags die Befugnisse der autonomen Region Åland<br />

berühren. In diesem Fall hat Åland das Recht, zu<br />

den Verhandlungen beigezogen zu werden. Schließt<br />

Finnland einen internationalen Vertrag ab, der die<br />

Kompetenzen Ålands berührt, muss das Einverständnis<br />

des Landtags eingeholt werden, damit das Abkommen<br />

auch auf Åland rechtskräftig werden kann. Als<br />

Finnland 1995 der EU beitrat, wurde ein Teil der<br />

legislativen Befugnisse des Staats und Ålands an die<br />

EU-Institutionen übertragen. Somit war der Konsens<br />

Ålands nötig, bevor der Beitritt zur EU in Kraft gesetzt<br />

werden konnte. Nach Finnlands EU-Beitritt wurde das<br />

Autonomiegesetz von 1991 um ein Kapitel erweitert,<br />

183 Der Nordische Rat ist 1952 als ein Forum interparlamentarischer<br />

Zusammenarbeit gegründet worden mit den Mitglieder:<br />

Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Dänemark, Färöer Inseln,<br />

Grönland und die Åland Inseln.<br />

3 Territorialautonomie am Werk<br />

um die Beteiligung Ålands an EU-Angelegenheiten zu<br />

regeln. Ausnahmebestimmungen zugunsten Ålands<br />

sind in einem Zusatzprotokoll zum Beitrittsvertrag<br />

Finnlands zur EU verankert. Einige EU-Bestimmungen<br />

wie z.B. die Zollunion, haben <strong>für</strong> die Åland Inseln keine<br />

Geltung, die sich auch von Fall zu Fall vom EU-Recht<br />

ausnehmen können (opting out). Darüber hinaus sind<br />

die Åland Inseln seit vielen Jahrzehnten demilitarisiert.<br />

Militär-basen sind verboten und keine Art von Militär<br />

darf auf den Inseln stationiert werden.<br />

3.4.5 Lehren aus dem Fall Åland<br />

Heute sehen die allermeisten Åländer die Autonomie<br />

sehr positiv. Sowohl die aländischen Politiker als auch<br />

das offizielle Finnland präsentieren diese autonome<br />

Region als eine erfolgreiche Politik zum Schutz der<br />

Rechte der nationalen Minderheiten Finnlands. Die<br />

Inselregion war immer sehr friedlich, obwohl während<br />

des Wahlkampfs 1999 zum ersten Mal der Ruf nach<br />

Unabhängigkeit in der Debatte auftauchte. Doch ist<br />

es höchst unwahrscheinlich, dass sich auf Åland in<br />

nächster Zukunft eine Unabhängigkeits-bewegung<br />

bilden könnte.<br />

Die Erhaltung der Identität der schwedischen<br />

Minderheiten auf Åland ist gelungen. Die Kombination<br />

von weitreichenden Schutzbestimmungen in der<br />

Sprachen- und Bildungspolitik als auch die regionale<br />

„Inselbürgerschaft“ haben zur Erhaltung der<br />

kulturellen Eigenart Ålands wesentlich beigetragen.<br />

Be<strong>für</strong>chtungen, dass eine staatliche Assimilationspolitik<br />

oder verstärkte Immigration aus Finnland den<br />

schwedischen Charakter Ålands aushöhlen könnten,<br />

sind zerstreut worden. Seit 1921 war die politischinstitutionelle<br />

Lage auf den Inseln stets stabil. Durch<br />

die Klärung der Kompetenzen und Erweiterung der<br />

Autonomie in der Wirtschaftspolitik im Rahmen<br />

der Autonomiereform von 1991 ist die Effizienz der<br />

Institutionen verbessert worden.<br />

Obwohl es bei der Einführung der Autonomie noch einige<br />

Stolpersteine auszuräumen galt, können die Åland<br />

Inseln als Beispiel erfolgreicher Konflikt-regulierung<br />

betrachtet werden, die auf einem Kompromiss der<br />

beiden Konfliktparteien beruht. Die Autonomiegesetze<br />

von 1921, 1951 und 1991 enthalten einerseits<br />

zahlreiche Grundlagen des Schutzes der schwedischen<br />

Minderheiten, doch steht andererseits die territoriale<br />

Dimension der Autonomie im Vordergrund. Welche<br />

Faktoren haben nun, zusammen-fassend betrachtet,<br />

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