Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Da das nationale Verfassungsgericht aus der Sicht der<br />
autonomen Region nicht ausreichend ausgewogen<br />
besetzt sein kann, bestehen historische Beispiele von<br />
Verfassungs-gerichten mit Beteiligung ausländischer<br />
Richter (Zypern bis 1974, Bosnien-Herzegowina seit<br />
1996). Andererseits muss die Möglichkeit gewährt<br />
werden, Berufung gegen die Entscheidungen der<br />
Gerichtsinstanzen innerhalb der autonomen Region<br />
bei nationalen Höchstgerichten einlegen zu können.<br />
Schließlich muss eine eigene Instanz damit betraut<br />
werden, welches Gericht überhaupt mit welchem<br />
Fall betraut wird. In einigen autonomen Regionen ist<br />
eine eigene Verwaltungs-gerichtsbarkeit geschaffen<br />
worden.<br />
Die Zentralregierung wird in der autonomen Region<br />
vertreten durch einen offiziellen Repräsentanten,<br />
der nicht als „Gouverneur“ agieren kann, sondern<br />
vielmehr eine Art Botschafterstatus des Zentralstaat<br />
in der Region einnimmt. Dieser Repräsentant darf<br />
keine Macht besitzen, in die Sphäre autonomer<br />
Legislative und Exekutive einzugreifen, sondern ist<br />
nur <strong>für</strong> die Anwendung der staatlichen Politik in den<br />
dem Staat vorbehaltenen Kompetenzen zuständig.<br />
Seine Berufung kann vom Einvernehmen des<br />
regionalen Parlaments abhängig gemacht werden.<br />
Die entsprechende Person darf nicht Mitglied eines<br />
der gewählten Organe des Autonomiesystems sein,<br />
und kann sich auch um die Herstellung verschiedener<br />
Formen der Zusammenarbeit zwischen Zentralstaat<br />
und autonomen Institutionen bemühen.<br />
Eine zukünftige Aufgabe von autonomen Regionen<br />
wird ihre institutionelle Vertretung auf internationaler<br />
(innerhalb internationaler oder supranationaler<br />
Organisationen) sowie innerregionaler Ebene sein<br />
(z.B. <strong>für</strong> die grenzüberschrei-tende Zusammenarbeit<br />
zwischen Regionen), entweder im Rahmen<br />
diplomatischer Missionen des Staats oder in einer<br />
davon getrennten Form durch eigene Missionen und<br />
Repräsentantensbüros (z.B. die autonomen Regionen<br />
bei der EU in Brüssel).<br />
2 Das Konzept der politischen Autonomie<br />
2.7.2 Kompetenzbereiche von Territorialautonomie<br />
Territorialautonomie bedeutet nicht volle Staatlichkeit,<br />
weshalb einige zentrale Staatsfunktionen in keiner<br />
bestehenden Territorialautonomie vorhanden sind.<br />
Diese Kernkompetenzen verbleiben beim Zentralstaat:<br />
Verteidigung, Außenpolitik, Zölle, Währungssystem,<br />
Immigration und Staatsbürgerschaft, Grenzkontrollen,<br />
einige Aspekte der internationalen Kommunikation<br />
im Post und Telephonie, das Strafrecht und<br />
in unterschiedlichem Ausmaß die allgemeine<br />
Wirtschaftspolitik. Es gibt keine Regeln im geltenden<br />
<strong>Völker</strong>recht, die die Einrichtung und Reichweite einer<br />
Territorialautonomie <strong>für</strong> nationales Recht festschreiben.<br />
Ebensowenig gibt es ein einheitliches Muster in der<br />
Ausgestaltung einer Territorialautonomie. Jede heute<br />
funktionierende Autonomie ist unter spezifischen<br />
politischen Umständen auf einem unverwechselbaren<br />
historischen Hintergrund entstanden.<br />
Die konkrete Form einer Autonomie hängt von mehreren<br />
Variablen ab: die ethnische Mehrheit (Titularnation)<br />
und ihre Bereitschaft, Autonomie zu gewähren, das<br />
Vorhanden-sein einer Schutzmacht, das Gewicht und<br />
der Einfluss der ethnischen Minderheit, die allgemeinen<br />
internationalen Rahmenbedingungen und andere<br />
mehr. Obwohl die Autonomiestatute ganz verschieden<br />
geregelt und verankert werden können, gibt es<br />
Gemeinsamkeiten von Territorial-autonomien, die sich<br />
durch alle bestehenden Formen ziehen und Autonomie<br />
von anderen Formen vertikaler Gewaltenteilung<br />
unterscheiden, wie etwa jener der Föderalsysteme<br />
oder bei bloßer Verwaltungsdezentralisierung:<br />
• Exekutive und legislative Befugnisse müssen<br />
per Verfassung oder Staatsgesetz (mit<br />
eventueller völkerrechtlicher Absicherung) der<br />
autonomen Einheit übertragen werden. Judikative<br />
Kompetenzen werden mancherorts ebenfalls<br />
autonom wahrgenommen, stellen aber keine<br />
notwendige Voraussetzung <strong>für</strong> Autonomie dar.<br />
• Das Territorium, dessen Bevölkerung Trägerin der<br />
Territorial-autonomie ist, muss genau definiert<br />
sein.<br />
• Die Notwendigkeit eines Verhand-lungsprozesses<br />
zwischen dem betroffenen autonomen Region und<br />
der Zentralregierung muss festgeschrieben sein,<br />
wann immer die Autonomie abgeändert wird.<br />
• In der Praxis sind Kompetenzen der inneren und<br />
äußeren Souveränität (Verteidigungspolitik,<br />
Außenpolitik, Währung, aber auch die Polizei und<br />
das Zivil- und Strafrecht).<br />
• Tkacik argumentiert, dass die verschiedenen<br />
Formen von Autonomie durch die Gesamtzahl<br />
51