Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
108<br />
Steuern und Zölle ein, erstattet jedoch den Inseln<br />
den Pauschalbeitrag von 0,45% der gesamten<br />
Staatseinnahmen (ohne Kreditaufnahme) zurück. Der<br />
Landtag ist in der Verausgabung seiner Budgetmittel<br />
frei. Die regulären Ausgaben <strong>für</strong> das Gesundheitswesen,<br />
die Sozialhilfe, das Bildungswesen und die Kulturpolitik<br />
machen den Löwenanteil des Budgets aus. Gemäß<br />
einer weiteren Bestimmung des Autonomiegesetzes<br />
haben die Åland Inseln Anrecht auf einen zusätzlichen<br />
„Ausgleichsbeitrag“ seitens des Staates, wenn das<br />
Aufkommen der Einkommens- und Vermögenssteuer<br />
auf den Inseln 0,5% des Aufkommens im gesamten<br />
Staatsgebiet übersteigt. Dank seiner Autonomie und<br />
seinem solidem Finanzierungssystem hat Åland eine<br />
stabile Wirtschaft und einen hohen Lebensstandard.<br />
3.4.3 Sprachen- und Kulturpolitik<br />
94% der Bevölkerung der Åland Inseln sind<br />
schwedischer Muttersprache, und Schwedisch ist<br />
auch die Amtssprache der Inseln. 179 Die schwedische<br />
Sprache, schwedische Bräuche und Kultur wurzeln<br />
in den 650 Jahren schwedischer Herrschaft über die<br />
Inseln und werden vom Autonomiegesetz ausdrücklich<br />
geschützt. Schwedisch ist die offizielle Sprache<br />
der Inseln und alle öffentlich Bediensteten müssen<br />
Schwedisch beherrschen. Offizielle Schreiben und<br />
Dokumente, die von der Regierung in Helsinki an Åland<br />
übermittelt werden, müssen auch auf Schwedisch<br />
verfasst sein. 180 Allerdings dürfen finnischsprachige<br />
Åländer vor Gericht und bei der Klärung persönlicher<br />
Fragen mit öffentlichen Beamten auch das Finnische<br />
benutzen. Im Prinzip funktioniert die Verwaltung<br />
jedoch einsprachig schwedisch, weshalb alle Beamten<br />
Ålands fließend Schwedisch sprechen und schreiben<br />
können müssen 181 .<br />
Åland hat weitestgehende Autonomie im Bildungswesen.<br />
Die Unterrichtssprache in allen öffentlich finanzierten<br />
Schulen ist Schwedisch. Während Englisch als<br />
Fremdsprache Pflicht ist, stellt Finnisch bloß ein<br />
Wahlfach dar. Eine Ausbildung auf Hochschulebene<br />
wird auf den Inseln kaum geboten, weshalb die<br />
meisten Studenten nach Schweden und manche nach<br />
179 International Committee of Lawyers for Tibet, Forms of Autonomy,<br />
New York 1999, S. 12-13<br />
180 Vgl. Farima Daftary (2000), S. 14-15<br />
181 Finnland hat bereits 1899 das erste finnische Sprachengesetz<br />
verabschiedet, das Schwedisch und Finnisch zu den offiziellen<br />
Staatssprachen erklärte. Somit war dem Schwedischen ein privilegierter<br />
Stellenwert zugeordnet. Dies führte zu einem weit entwickelten<br />
System der Zweisprachigkeit in den Gebieten mit auch nur<br />
minimaler schwedischer Bevölkerung.<br />
Finnland ziehen und später arbeitsmarktbedingt kaum<br />
zurückkehren.<br />
Auf die Frage, ob sie sich eher als Schweden oder<br />
als Finnen betrachten, werden Åländer am ehesten<br />
antworten: „Ich fühle mich als Åländer“. Ob sie als eine<br />
von der restlichen schwedischen Minderheit Finnlands<br />
ganz verschiedene Minderheit betrachtet werden<br />
können, ist umstritten. Aufgrund ihrer Insellage haben<br />
die Åländer jedenfalls eine ausgeprägte Identität<br />
ausgeformt, die sie von der schwedischen Minderheit<br />
des Festlands unterscheidet, die sich stark mit<br />
Finnland identifiziert. 182 Mit der Zeit entwickelte sich<br />
auch diese Identität weiter und heute bezeichnen sich<br />
viele Åländer als Europäer, Skandinavier, finnische<br />
Staats-angehörige und Åländer.<br />
3.4.4 Die Regionsbürgerschaft und<br />
internationale Beziehungen<br />
Eine erhebliche Bedeutung <strong>für</strong> den Schutz der<br />
spezifischen Identität der Inseln nimmt das Konzept der<br />
regionalen Bürgerschaft oder auch “Inselbürgerschaft”<br />
(hembygdsrätt) ein. Diese Form von Bürgerschaft<br />
ist unverzichtbar, um auf Åland politische Rechte<br />
auszuüben, vor allem das aktive und passive Wahlrecht<br />
<strong>für</strong> den Lagting, um Liegenschaften zu erwerben und<br />
ein Geschäft oder anderes Gewerbe zu betreiben.<br />
Um eine regionale Bürgerschaft zu erwerben, muss<br />
eine Person finnischer Staatsangehöriger sein,<br />
eine ausreichende Kenntnis des Schwedischen<br />
vorweisen (Abschnitt 7 des Autonomiegesetzes).<br />
Nicht-Åländern kann das Recht auf den Erwerb von<br />
Liegenschaften und die Ausübung eines Gewerbes<br />
von der autonomen Verwaltung verweigert werden.<br />
Ein Kind erwirbt die Regionsbürgerschaft, wenn ein<br />
Elternteil bereits Åländer Bürger oder Bürgerin ist.<br />
Die Regionsbürgerschaft kann wieder aberkannt<br />
werden, wenn eine Person mehr als 5 Jahre keinen<br />
Wohnsitz mehr auf Åland gehabt hat. Die Pässe der<br />
Åländer tragen die Zusatzbezeichnung „Åland“. Diese<br />
„Inselbürgerschaft“ kann auch ehrenhalber von der<br />
Åländer Regierung verliehen werden, vorausgesetzt<br />
182 Die schwedische Minderheit Finnlands umfasst fast 300.000<br />
Personen oder 6% der Bevölkerung. Die Sprachenrechte der Schwedischsprecher<br />
sind im Abschnitt 17 der finnischen Verfassung sowie<br />
im Sprachengesetz von 1922 verankert. Die Mehrheit der Schwedisch-Sprecher<br />
Finnlands lebt in zweisprachigen Kommunen, doch<br />
gibt es auch einsprachig schwedische Gemeinden in Ostrobothnia<br />
und im Südwesten Finnlands. Eine Kommune wird als zweisprachig<br />
betrachtet, wenn mindestens 8% oder 3.000 Schwedisch-Sprecher<br />
dort leben. Der Text der neuen Verfassung, die am 1. März 2000<br />
in Kraft getreten ist, findet sich unter: http://www.vn.fi/vn/english/<br />
index.htm