06.11.2013 Aufrufe

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

176<br />

indigenen Kanaken riefen daraufhin ihre Landsleute<br />

auf, die Fragebögen nicht zurückzugeben, sofern<br />

nicht Fragen zur ethnischen Zugehörigkeit enthalten<br />

seien. Die ganze Volkszählung wurde damit in Frage<br />

gestellt. Schließlich wurden doch Fragen zur Ethnizität<br />

zugelassen, doch ist nicht bekannt, ob sie allen<br />

Bewohnern Neu-Kaledoniens gestellt wurden. Bisher<br />

sind auch keine Ergebnisse bekannt gegeben worden,<br />

weshalb immer noch auf die Daten von 1996 Bezug<br />

genommen werden muss. Die Volkszählung 2004<br />

ergab jedoch, dass die Einwanderung auf die Insel nicht<br />

so stark angestiegen war, wie die indigenen Kanaken<br />

be<strong>für</strong>chtet hatten. Von 1996 bis 2004 hatten sich<br />

jährlich rund 1.000 Personen neu auf Neu-Kaledonien<br />

angesiedelt.<br />

3.19.3 Das Autonomiesystem<br />

Neu-Kaledonien hat eine im französischen Staat<br />

einzigartige Stellung zwischen einer regulären<br />

„Überseegemeinschaft“ (collectivité) und einem<br />

assoziierten Staat, doch de facto ist die Insel ein<br />

autonomer Teil der französischen Republik. Eine<br />

demokratisch gewählte Regionalversammlung<br />

(Congrés du territoire) und eine Regierung sind<br />

eingerichtet worden, die auf Grundlage des Nouméa-<br />

Abkommens eine Reihe von Kompetenzen erhielten.<br />

Schlüsselbereiche wie das Steuersystem, das<br />

Arbeitsrecht, Gesundheit und Hygiene und der<br />

Außenhandel werden jetzt vom Regionalparlament<br />

geregelt und weitere Zuständigkeiten werden in<br />

nächster Zukunft übertragen. Am Ende wird der<br />

französische Zentralstaat in Neu-Kaledonien nur mehr<br />

<strong>für</strong> die Außenpolitik, die Justiz, die Verteidigung, die<br />

öffentliche Ordnung und die Geldpolitik zuständig<br />

sein.<br />

Dieses Autonomiesystem und seine Institutionen<br />

werden im französischen Staatsgesetz vom 16. Februar<br />

1999 geregelt, das eine Art Autonomiestatut vorgibt.<br />

Dieses Gesetz teilt die legislativen und exekutiven<br />

Kompetenzen des Gebiets auf vier Ebenen auf: den<br />

Zentralstaat Frankreich, die autonome Insel Neu-<br />

Kaledonien als Ganzes, die drei Provinzen (Nord, Süd und<br />

die Inseln Loyauté) und die Kommunen. Die wichtigsten<br />

Institutionen sind der Neukaledonische Kongress und<br />

die Regierung, der traditionelle „Kanak-Senat“, die<br />

Provinzial- und Kommunalräte. Die Provinzen sind <strong>für</strong><br />

all jene Bereiche zuständig, die nicht explizit dem Staat,<br />

der Region und den Gemeinden zugeordnet sind. Das<br />

Regionalparlament ist gemäß Gesetz vom 16. Februar<br />

1999 u.a. <strong>für</strong> die Steuereinhebung, die Bekämpfung<br />

der Wirtschaftskriminalität, die Preisregulierung, die<br />

Entwicklungsplanung, das Gesundheitswesen und die<br />

Sozialpolitik zuständig. Daneben ist ein 16-köpfiger<br />

„Kanak-Senat“ eingerichtet worden, der als eine Art<br />

indigenen Traditionen verpflichteter Ältestenrat <strong>für</strong><br />

die Kultur, Sitten und Bräuche zuständig ist. Jeweils<br />

zwei Mitglieder vertreten die acht Traditionsgebiete<br />

(Stammesgebiete). Das Staatsgesetz vom 16. Februar<br />

1999 legt auch die Leitlinien <strong>für</strong> die Abhaltung der<br />

politischen Wahlen und es nach 2014 abzuhaltenden<br />

Referendums über den Status Neu-Kaledoniens fest.<br />

Die Regierung Neu-Kaledoniens mit fünf bis elf<br />

Mitgliedern wird von einem Präsidenten geleitet, der<br />

direkt vom regionalen Kongress gewählt wird. Der Hohe<br />

Kommissar, der offizielle Vertreter des französischen<br />

Staats auf der Insel, nimmt an den Sitzungen der<br />

Regionalregierung teil.<br />

Im Jahr 2000 hat Neu-Kaledonien weitere Kompetenzen<br />

erhalten: die Regelung der zivilen Bräuche, die<br />

Regelung des Bodenrechts und Grundverkehrs,<br />

die Arbeitsimmigration, das Gewerberecht,<br />

Berufsausbildung, Außenhandel, die Nutzung von<br />

Sonderwirtschaftszonen und die Nutzung natürlicher<br />

Ressourcen, insbesondere vom Nickel und Erdgas.<br />

Neu-Kaledonien verfügt nämlich über rund ein Viertel<br />

der weltweiten Nickelreserven. Zur Zeit erfolgt<br />

die Übertragung der Zuständigkeit gemäß dem<br />

vereinbarten Zeitplan. Zusätzliche Gesetzgebungsund<br />

Verwaltungskompetenzen sind 2004 auf die<br />

autonomen Institutionen übergegangen und auf<br />

Wunsch des Neukaledonischen Kongresses können<br />

2009 weitere Kompetenzen übertragen werden.<br />

In der letzten Phase der Entwicklung der Autonomie<br />

Neu-Kaledoniens wird der französische Zentralstaat<br />

nur mehr <strong>für</strong> Kernbereiche wie die Außenpolitik, die<br />

Verteidigung, die Währung, Justiz und öffentliche<br />

Sicherheit verantwortlich sein. Diese Entwicklung<br />

ist Gegenstand eines ständigen Dialogs zwischen<br />

Neu-Kaledonien und der französischen Regierung.<br />

Periodische Konsultationen werden abgehalten<br />

<strong>für</strong> Fragen wie Einwanderung, öffentliche<br />

Sicherheit, Forschung und Hochschulausbildung,<br />

Telekommunikation. Neu-Kaledonien ist auch an der<br />

Verwaltung auswärtiger Angelegenheiten interessiert,<br />

insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit<br />

pazifischen Nachbarn. Bereits heute kann die autonome<br />

Insel unter französischer Aufsicht Übereinkommen mit<br />

Nachbar-staaten im Pazifik abschließen.<br />

Die Einwohner der Insel sind französische Staatsbürger

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!