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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

86<br />

im Medienbereich, z.B. einen eigenen Rundfunk- und<br />

Fernsehsender, der ein volles Programm in baskischer<br />

Sprache und immer mehr baskisch synchronisierte<br />

Spielfilme bietet. Das Spanische (die kastilische<br />

Sprache) und das Baskische sind im Baskenland<br />

gleichgestellte „ko-offizielle“ Sprachen (Art. 6 Aut.<br />

St.). Die Sprachenfrage war im Baskenland schon seit<br />

jeher eine Schlüsselfrage im Kampf der Basken <strong>für</strong> die<br />

Erhaltung ihrer Identität und <strong>für</strong> Autonomie. Laut einer<br />

neueren Studie 146 verwendeten 2003 auf eine Gesamtbevölkerung<br />

von 2,1 Millionen nur 667.000 Personen<br />

aktiv täglich die baskische Sprache. Es gibt keine klare<br />

Unterscheidung zwischen den „gebürtigen Baskisch-<br />

Sprechern“ und der spanischsprachigen Bevölkerung.<br />

Doch die Kenntnis des Baskischen gewinnt mit einer<br />

verstärkten baskischsprachigen Sozialisation der<br />

jungen Generation seit Einführung der Autonomie<br />

1979 an Boden. Im Baskenland sind es nicht so<br />

sehr die Sprachenunterschiede, die die sozialen und<br />

politischen Differenzen und Spannungen markieren.<br />

Die nationale Identität des Baskenlandes wird von<br />

vielen seiner Bewohner mehr aus einem ideologischen<br />

Konzept der baskischen Nation abgeleitet denn aus<br />

der objektiven Sprachbeherrschung.<br />

Das baskische Bildungssystem ist gemischt. Die<br />

Eltern und Kinder können wählen zwischen einer<br />

Schule mit Spanisch als Unterrichtssprache (Modell<br />

A), jener mit Baskisch als Unterrichtssprache (Modell<br />

D) oder einer Kombination der beiden (Modell B).<br />

Obwohl das Baskische auch innerhalb der Autonomen<br />

Region immer noch eine Minderheitensprache ist,<br />

entscheidet sich die große Mehrheit der Eltern zu<br />

ungefähr gleichen Teilen <strong>für</strong> die Modelle A und D in<br />

der Grundschule, während das zweisprachige Modell<br />

B eher ein Auslaufmodell darstellt.<br />

Im Baskenland hat jeder das Recht, gegenüber allen<br />

öffentlichen Ämtern und Gerichten eine der offiziellen<br />

Sprachen seiner Wahl zu gebrauchen. Unbeschadet<br />

davon kann jeder Bürger Spaniens auf dem gesamten<br />

Staatsgebiet die spanische Sprache im öffentlichen<br />

Bereich benutzen. Das baskische Autonomiestatut<br />

hat <strong>für</strong> die Anwendung der Sprachbestimmungen ein<br />

Territorialmodell entwickelt, das auch einige Gebiete<br />

von Navarra betrifft, doch rechtliche Umstände haben<br />

dort die volle Anwendung dieser Bestimmungen bisher<br />

verhindert. Vor allem jene Bereiche der Verwaltung,<br />

die unter Kontrolle des Zentralstaats verblieben<br />

sind, lassen nur widerstrebend den Ge-brauch des<br />

146 Vgl. Susanne Tumler (2004), Zur sprachlichen und sprachenpolitischen<br />

Situation im Baskenland, in: Europa Ethnica 2004,<br />

S.75-81<br />

Baskischen in ihren Ämtern zu.<br />

Welche rechtliche Verankerung genießt das baskische<br />

Autonomiestatut? Die spanische Verfassung erkennt in<br />

Art. 2 das Recht auf Autonomie der Nationalitäten, die<br />

die „Spanische Nation“ bilden an, doch gibt es keine<br />

Liste oder Karte jener autonomen Gemeinschaften mit<br />

spezifischen Garantien <strong>für</strong> ihren Status noch gibt es<br />

eine internationale bzw. völkerrechtliche Verankerung<br />

der baskischen Autonomie. Das Baskenland hat keine<br />

Schutzmacht im Ausland. 147<br />

3.2.4 Die jüngste politische<br />

Entwicklung<br />

Das Bestreben der Mehrheit der Bevölkerung<br />

des Baskenlandes ist die volle Anerkennung der<br />

baskischen nationalen Identität und des Rechts auf<br />

Selbstbestimmung der “baskischen Nation”. Dieser<br />

übergreifende Grundwert, zu dem sich die baskische<br />

Nationalbewegung bekennt, steht in Konflikt mit dem in<br />

der Verfassung verankerten Grundsatz der nationalen<br />

Einheit Spaniens. Diese teilweise widersprüchliche<br />

Grundausrichtung und die Forderung der Basken,<br />

die Autonomie weiter auszubauen, birgt allerhand<br />

politisches Konfliktpotenzial. Auch der baskische<br />

Nationalismus und sein Widerstand gegen den<br />

spanischen Zentralismus hat alte Wurzeln Letzterer<br />

begann in repressiver Form im 19. Jahrhundert unter<br />

den Karlisten, setzte sich fort unter der Diktatur von<br />

Primo de Rivera (1923-1928) und artete unter Franco<br />

von 1937 bis 1975 in regelrechte Unterdrückung<br />

aus. Inspiriert vom Beispiel kleinerer europäischer<br />

Nationen, die in jüngster Zeit unabhängig geworden<br />

sind und allesamt weniger Einwohner als das<br />

Baskenland zählen (Estland, Slowenien, Kosovo,<br />

Montenegro), schwebt verschiedenen politischen<br />

Kräften des Baskenlandes heute noch die volle<br />

Staatlichkeit vor. In dieser Perspektive wird die<br />

Autonomie als eine Übergangsphase gesehen. Der<br />

baskische Nationalismus ist ein starkes Element in<br />

der Sozialisierung und im Gemeinschaftsleben im<br />

modernen Baskenland und wird sowohl von älteren<br />

politischen Kräften (PNV) wie von jüngeren Bewegungen<br />

(Herri Batasuna, Eusko Alkartasuna) gefördert, wird<br />

aber auch genährt in einem breiten Netz von Kultur-,<br />

Sport- und Freizeitvereinen, kirchlichen Gruppen,<br />

alternativen Medien, tief verwurzelten Traditionen und<br />

beliebten Großveranstaltungen und Volksfesten. Dies<br />

147 Daniel Elazar (1991), Federal Systems of the World, A Handbook<br />

of Federal, Confederal and Autonomy Arrangements, Longman<br />

Group UK, 235

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