Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
Andererseits sind Tausende von Krimtataren nach 50<br />
Jahren Exil in Usbekistan auf die Krim zurückgekehrt,<br />
allein 1991 41.000. Seitdem ging die Zahl der<br />
Rückkehrer Jahr <strong>für</strong> Jahr zurück, zumal die Spannungen<br />
um die Autonomie der Krim eine Beschleunigung der<br />
Rückkehr verhinderten. Während 1989 erst 1,9%<br />
der Bevölkerung Tataren waren, stieg ihre Zahl in de<br />
1990er Jahren stetig an und liegt heute bei 250.000.<br />
In Usbekistan leben heute noch 188.000 Krimtataren,<br />
von welchen 73% die Rückkehr auf die Krim wünschen.<br />
Schlechte Wohnverhältnisse, die hohe Arbeitslosigkeit<br />
und allgemein schwierigen Lebensbedingungen<br />
verhindern jedoch eine rasche Rückkehr sämtlicher<br />
Rückkehr-willigen. Nahezu die Hälfte der Krimtataren<br />
ist arbeitslos und 41% hatten 2001 keine eigene<br />
Wohnung.<br />
Die Krimtataren, heute rund 12% der Bevölkerung der<br />
Krim, lehnen es jedoch ab, als nationale Minderheit<br />
bezeichnet zu werden. Sie fordern vielmehr, als<br />
indigenes Volk (Ureinwohner) gemäß der ILO-<br />
Konvention Nr. 169 vom 27. Juni 1989 betreffend<br />
indigene und Stammesvölker in unabhängigen<br />
Ländern, anerkannt zu werden. Diese Konvention<br />
erkennt auch kollektive Rechte eines Volkes an. In ihrer<br />
kulturellen Entwicklung sind die Krim-Tataren durch die<br />
Assimilierung in die russische Kultur bedroht. 90% der<br />
tatarischen Kinder der Krim sind gezwungen, Schulen<br />
mit russischer Unterrichtssprache zu besuchen.<br />
Die ukrainische Volksgruppe schließlich <strong>für</strong>chtet immer<br />
noch die Dominanz der Russen in vielen Bereichen der<br />
Wirtschaft, Politik und Kultur und sieht die russische<br />
Hegemonie auf der Krim mit Unbehagen. Doch<br />
Studien 210 haben gezeigt, dass die meisten Russen der<br />
Ukraine die Staatlichkeit der Ukraine unterstützen und<br />
dass Forderungen nach der Sezession der Krim unter<br />
der russischen Bevölkerung keine Mehrheit mehr<br />
findet.<br />
3.8.3 Der Aufbau der Autonomie<br />
Die Autonome Republik Krim (ARK) hat das Recht,<br />
sich selbst eine Verfassung zu geben, die vom<br />
Parlament der Ukraine gutgeheißen werden muss. Ein<br />
besonderer und wesentlicher Aspekt in der Entstehung<br />
und Legitimation der Autonomie der Krim ist nicht nur<br />
der ukrainisch-russische Konflikt, sondern sind auch<br />
die historischen Verbrechen an der angestammten<br />
Bevölkerung der Krim, den Tataren und anderen<br />
Gruppen. Die Verfassung garantiert „die Entwicklung<br />
210 Vgl. Bill Bowring (2002), S. 78<br />
der ethnischen, kulturellen, sprachlichen und<br />
religiösen Identität aller Ureinwohner und nationalen<br />
Minderheiten der Ukraine“ (Art.11). 211 Art. 134 der<br />
Verfassung der Ukraine besagt: „Die Aut. Republik Krim<br />
ist ein untrennbarer, konstitutiver Teil der Ukraine und<br />
entscheidet über die Anliegen in seiner Zuständigkeit<br />
innerhalb der von der ukrai-nischen Verfassung<br />
gegebenen Grenzen.“<br />
Die Verfassung der ARK muss laut Art. 135 der<br />
ukrainischen Verfassung vom Parlament in Kiew<br />
gutgeheißen werden und darf der Staatsverfassung<br />
nicht widersprechen. In der Staatsverfassung ihrerseits<br />
sind die Autonomie der Krim und ihre demokratischen<br />
Institutionen verankert, aber auch das Recht des<br />
Präsidenten der Ukraine, in die Autonomie der Krim<br />
einzugreifen. Er kann jeden Akt des Parlaments der<br />
Ukraine aufheben und zur endgültigen Entscheidung<br />
vor das Verfassungsgericht bringen. Zudem kann<br />
der Präsident der Ukraine die Politik der ARK über<br />
seinen offiziellen Repräsentanten auf der Krim direkt<br />
kontrollieren. Die Autonomie der Krim hat somit auch<br />
ziemlich klare Grenzen. Grundsätzlich eingeräumt wird<br />
der ARK die rechtliche, finanzielle, organisatorische,<br />
eigentums-rechtliche und ressourcengebundene<br />
Eigenständigkeit innerhalb der von der ukrainischen<br />
Verfassung gesetzten Grenzen. Diese garantiert<br />
die Einhaltung der Kompetenzen der ARK sowie<br />
die Pflicht der ukrainischen Regierung, die von der<br />
Verfassung eingeräumten Sonderrechte der ARK zu<br />
berücksichtigen, wann immer Entscheidungen des<br />
Staates auch die ARK betreffen.“ 212<br />
Art. 137 der Verfassung der Ukraine umschreibt die<br />
autonomen Kompetenzen der Krim wie folgt: “Die<br />
Autonome Republik Krim kann die folgenden Bereiche<br />
gesetzlich regeln:<br />
1. Land- und Forstwirtschaft<br />
2. Bodenrecht und Bergbau<br />
3. Öffentliche Arbeiten, Handwerk und Handel,<br />
Wohlfahrt<br />
4. Städtebau, Gastgewerbe, Messen<br />
5. Museen, Bibliotheken, Theater und<br />
andere Kulturinstitutionen, historische<br />
6.<br />
Kulturdenkmäler<br />
Öffentlicher Transport, Straßen,<br />
7.<br />
Wasserversorgung<br />
Jagd und Fischerei<br />
8. Krankenhäuser, Gesundheitsdienste<br />
Weitere im Art. 138 aufgelistete Befugnisse der ARK<br />
umfassen das lokale Wahlrecht und Volksabstimmungen,<br />
211 Die Verfassung der Autonomen Republik der Krim findet sich<br />
unter: http://www.kmu.gov.ua/en/publish<br />
212 Bill Bowring (2002), S.89