Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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zusammen stiftet immer wieder kulturelle Identität<br />
und Gemeinschaft. Die Autonomie scheint heute schon<br />
dieser Art von kultureller nationaler Selbstfindung viel<br />
Raum zu bieten.<br />
Wie kann nun das baskische Autonomiestatut<br />
abgeändert werden? Art.1 des Statuts sieht vor, das<br />
„die Basken das Recht auf Selbstregierung und auf<br />
die Konstituierung einer autonomen Gemeinschaft<br />
innerhalb des spanischen Staaten haben unter<br />
der Bezeichnung ‚Baskenland’ oder Euzkadi, in<br />
Übereinstimmung mit der spanischen Verfassung und<br />
dem Autonomiestatut“. Sein politischer Status kann<br />
nur durch eine Abänderung des Autonomiestatuts<br />
geändert werden. Solche Abänderungen können vom<br />
baskischen Parlament auf Vorschlag von mindestens<br />
1/5 seiner Mitglieder, von der baskischen Regierung<br />
und dem spanischen Parlament initiiert werden.<br />
Das Parlament in Madrid muss jede Abänderung mit<br />
einem Staatsgesetz genehmigen, und daraufhin die<br />
baskische Wählerschaft in einer Volksabstimmung<br />
befragen. Dieses Verfahren ist dann erforderlich, wenn<br />
sich die Abänderung auf die Beziehung zwischen<br />
dem Baskenland und dem spanischen Staat bezieht.<br />
Dessen ungeachtet nahm das baskische Parlament im<br />
Februar 1989 eine Resolution einseitig an, worin das<br />
Recht des baskischen Volkes auf Selbstbestimmung<br />
proklamiert wird sowie sein Recht, frei über seinen<br />
politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Status abzustimmen.<br />
Im Baskenland hat die politisch motivierte Gewalt<br />
der ETA nicht nur die politische Debatte, sondern<br />
auch das Alltagsleben der ganz normalen Bürger in<br />
Mitleidenschaft gezogen. Im März 2003 wurde die<br />
Partei Herri Batasuna, die als politischer Arm der ETA<br />
betrachtet wird und in der Regel bei den Wahlen im<br />
Baskenland rund 20% der Stimmen auf sich vereinte,<br />
vom spanischen Höchstgericht auf der Grundlage eines<br />
2002 verabschiedeten Gesetzes des Zentralstaats<br />
verboten, das von allen baskischen Parteien<br />
abgelehnt worden war. Obwohl die Unterstützung <strong>für</strong><br />
politische Gewalt im Baskenland in den letzten Jahren<br />
kontinuierlich abgenommen hat, genießt die ETA noch<br />
allerhand Sympathien. Erst im März 2006 kündigte die<br />
ETA einen permanenten und definitiven Verzicht auf<br />
Gewalt an.<br />
Somit können heute drei ziemlich unterschiedliche<br />
Gruppen in der baskischen Politik beobachtet<br />
werden. Zum ersten die Verteidiger des Rechts auf<br />
Selbstbestimmung durch Ausbau der Autonomie; zum<br />
zweiten Gegner dieses Rechts, die auch der Erweiterung<br />
der Autonomie mit großer Skepsis begegnen, und<br />
3 Territorialautonomie am Werk<br />
eine dritte Gruppe, die das Selbstbestimmungsrecht<br />
sofort in Anspruch nehmen will. Es gibt also keinen<br />
allgemeinen Konsens zum gesamten politischen<br />
Rahmen. Während <strong>für</strong> die spanischen Parteien das<br />
bestehende Statut schon maximalen Spielraum <strong>für</strong><br />
die baskische Selbstregierung darstellt, ist die heutige<br />
Autonomie <strong>für</strong> die baskischen Parteien nur ein Schritt<br />
weiter im Prozess zunehmender Eigenständigkeit.<br />
Somit kann die heutige Autonomie nicht als<br />
die endgültige Lösung des Baskenlandkonflikts<br />
betrachtet werden und bleibt ein Dauerbrenner der<br />
spanischen Innenpolitik. Der spanische Staat hat<br />
bereits Erfahrung mit vielen Asymmetrien in der<br />
Gewährung von Autonomie an die 17 Autonomen<br />
Gemeinschaften des Landes gesammelt. Die<br />
Gewährung weiterer „Privilegien“ ans Baskenland und<br />
Katalonien könnte aus der Perspektive der nationalen<br />
Parteien Forderungen nach ähnlicher Selbstregierung<br />
anderer Gemeinschaften aufschaukeln. Drei Szenarien<br />
zum zukünftigen politischen Status sind somit<br />
vorstellbar: 148<br />
1. die Beibehaltung des Status quo<br />
2. die Schaffung eines höheren Grads an<br />
Autonomie <strong>für</strong> das Baskenland innerhalb des<br />
spanischen Staats<br />
3. die Sezession und Bildung eines unabhängigen<br />
Baskenlandes<br />
Die Beibehaltung des Status quo wäre verbunden<br />
mit Instabilität, was die institutionellen Beziehungen<br />
zwischen Madrid und dem Baskenland verschlechtern<br />
könnte. Die Schaffung eines neuen Rahmens einer<br />
weiterreichenden Autonomie innerhalb des spanischen<br />
Staats könnte auch von den spanischen Linksparteien<br />
unterstützt werden. Doch auch wenn ein neues<br />
Statut des Baskenlands verabschiedet würde, gäbe<br />
es einen Konflikt bezüglich der Grenzziehung, da der<br />
nördliche Teil (Frankreich) und Navarra von diesem<br />
hypothetischen baskischen Staat ausgeschlossen<br />
blieben.<br />
Seit 1990 haben verschiedene baskische Parteien und<br />
Organisationen eine Reihe von Vorschlägen zur Lösung<br />
dieser Frage vorgelegt, doch fast alle scheiterten am<br />
Widerstand der Zentralregierung. Das Grundanliegen<br />
der politischen Kräfte des Baskenlandes, geführt vom<br />
derzeitigen Präsidenten der Autonomen Gemeinschaft<br />
Juan José Ibarretxe, war es, das Statut von 1979<br />
zu erneuern. Die aus PNV, Eusko Alkartasuna (EA)<br />
und Vereinter Linken (EB-IU) gebildete baskische<br />
148 Der Text findet sich in der Website des Präsidenten des autonomen<br />
Baskenlandes: http://www.lehendakaritza.ejgv.euskadi.net<br />
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