Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
7. Cabinda (Angola)<br />
264<br />
Die angolanische Provinz Cabinda (4.000 km 2 , 600.000<br />
Einwohner) wird durch einen etwa 60 km 2 breiten<br />
Streifen kongolesischen Gebiets vom Hauptterritorium<br />
Angolas getrennt. Dank seiner reichen Ölvorkommen<br />
wird Cabinda manchmal als Afrikas Kuwait bezeichnet.<br />
Die vor der Küste gelegenen Ölquellen sorgen <strong>für</strong> gut die<br />
Hälfte der jährlichen Fördermenge Angolas. Dennoch<br />
ist Cabinda eine der ärmsten Regionen Angolas<br />
geblieben. Eine 1996 zwischen der Zentralregierung<br />
und der Provinzregierung von Cabinda geschlossene<br />
Vereinbarung sieht die Abtretung von 10% der Steuern<br />
auf die in Cabinda geförderte Ölmenge an die Provinz<br />
Cabinda vor. Doch floss auch der größte Teil dieser<br />
10% in die korrupte Bürokratie des Zentralstaats. Seit<br />
den 1960er Jahren fordern verschiedene Bewegungen<br />
wie etwa die MLEC (Movement for the Liberation of<br />
the Enclave of Cabinda) und die FLEC (Front for the<br />
Liberation of the Enclave of Cabinda). Diese suchten<br />
vergeblich internationale Anerkennung <strong>für</strong> ihre<br />
Exilregierung. Als 1975 Angola unabhängig wurde,<br />
forderten beide Bewegungen einen Sonderstatus<br />
<strong>für</strong> ihre Provinz. Zunächst wurde eine weitgehende<br />
Autonomie in Betracht gezogen nach dem Modell<br />
der portugiesischen Inseln Madeira und Azoren. Die<br />
Autonomieforderungen wurden mit den ethnischen und<br />
kulturellen Besonderheiten Cabindas begründet. 1993<br />
brach militärischer Widerstand aus und die Guerrilleros<br />
des FLEC-FAC proklamierten im Exil die unabhängige<br />
Republik Cabinda. Luanda stellte klar, dass eine<br />
Sezession von Cabinda nicht in Frage käme, weil<br />
jede angolanische Provinz kulturelle Besonderheiten<br />
aufweise, war aber bereit, mit den Guerrilla-<br />
Organisationen zu verhandeln. Angola betrachtet<br />
eine begrenzte Autonomie oder Selbstverwaltung im<br />
Rahmen der Dezentralisierung des gesamten Staats<br />
als mögliche Lösung des Konflikts.<br />
8. Gilgit-Baltistan<br />
Gilgit-Baltistan ist der historische Name der riesigen<br />
Region (84.931 km 2 ) zwischen dem westlichen<br />
Himalaya und dem Karakorum, die heute den Norden<br />
Pakistans bildet und dementsprechend lange Zeit<br />
als „Northern Areas“ bezeichnet worden ist. Ihre<br />
Bevölkerung von 1,5 Millionen teilt sich auf ein Dutzend<br />
Volksgruppen auf, einschließlich der Einwanderer<br />
aus den übrigen Provinzen Pakistans. Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts kam dieses Gebiet unter die Oberhoheit<br />
des Fürstenstaats Jammu und Kaschmir, während<br />
das Königreich der Hunza bis 1878 Widerstand<br />
leistete. Nach der Teilung Britisch-Indiens 1947 und<br />
dem anschließenden Krieg um Jammu und Kaschmir,<br />
erklärte die Befreiungsbewegung in Gilgit-Baltistan<br />
am 1. November 1947 die Unabhängigkeit von Jammu<br />
und Kaschmir, musste aber gleich anschließend den<br />
Schutz des eben gegründeten pakistanischen Staats<br />
und dessen Armee in Anspruch nehmen.<br />
Während der westliche Teil des geteilten Jammu und<br />
Kaschmir zum Freistaat erklärt wurde (Azad Jammu<br />
and Kashmir) mit eigener Verfassung, Parlament und<br />
Regierung mit einer gewissen Autonomie, blieb Gilgit-<br />
Baltistan in einer Art rechtlichem Schwebezustand,<br />
zumal der definitive Status der früheren Gebiete des<br />
Fürstenstaats Jammu und Kaschmir ungeklärt und<br />
umstritten blieb. Seit 1947 wird Gilgit-Baltistan somit<br />
von Islamabad aus regiert und verfügt weder auf<br />
regionaler noch auf nationaler Ebene über eine echt<br />
demokratische Vertretung. In der Regionalhauptstadt<br />
tagt zwar ab und zu eine Art Regionalrat, allerdings mit<br />
bloß beratender Funktion und geringen Kompetenzen.