Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker
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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />
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außer auf dem Wege der Anfechtung vor dem<br />
Höchstgericht oder Verfassungsgericht, bleibt bei<br />
einer Verwaltungsdezentralisierung die Regierung<br />
befugt, die Akte der dezentralen Behörden oder<br />
Institutionen zu kontrollieren und zu revidieren. Im<br />
Fall von bloß dezentralisierten Befugnissen verbleibt<br />
die Letztverantwortung bei den jeweiligen staatlichen<br />
Ministerien. Territorial-autonomie bedeutet dagegen<br />
die rechtskräftig beschlossene und rechtlich formell<br />
verankerte Übertragung eines Mindestmaßes an<br />
legislativen und exekutiven Befugnissen an eine Region<br />
(bzw. Gebietseinheit), die von demokratisch gewählten<br />
Institutionen ausgeübt werden. Wenn in solchen<br />
Gebietseinheiten keine demokratischen Verfahren<br />
zur Entscheidungsfindung Anwendung finden, kann<br />
auch nicht von einem „modernen Autonomiesystem“<br />
gesprochen werden.<br />
„Ist diese Vielfalt im Verständnis von Autonomie zu<br />
begrüßen oder stiftet sie Verwirrung zum Nachteil der<br />
Bestrebungen von Minderheiten?“ fragen Legaré und<br />
Suksi. 31 Aus meiner Sicht ist es unverzichtbar, sich<br />
auf eine stimmige, widerspruchsfreie Definition von<br />
Autonomie in engem Sinne festzulegen. Andere Formen<br />
territorialer Selbstregierung oder Selbstverwaltung,<br />
die Autonomievorstellungen in einem weiteren<br />
Sinne entsprechen, müssen einer Restkategorie<br />
zugeordnet werden, die man als „Autonomieähnliches<br />
Arrangement territorialer Gewaltenteilung“<br />
bezeichnen kann. An diesem Punkt liegt die Flexibilität<br />
des Autonomiekonzepts nicht mehr in der Definition<br />
der grundlegenden Kriterien der Bestimmung eines<br />
solchen Systems der territorialen Selbstregierung,<br />
sondern im Umfang und der Regelungsart der<br />
übertragenen Zuständigkeiten und in der Art und<br />
Weise ihrer Anwendung<br />
Hannum (1993) und Lapidoth (1998) haben erste,<br />
schlüssige Definitionen von Autonomie angeboten. In<br />
der Zwischenzeit sind neue Formen von Autonomie<br />
eingerichtet worden. Autonomie ist – genauso wie<br />
Föderalismus – tatsächlich ein flexibles Instrument, doch<br />
nicht willkürlich flexibel. Ihre wertvollste Eigenschaft<br />
ist die Chance, Konfliktlösungen zu erlauben, ohne<br />
bestehende Staaten aufbrechen zu müssen. Es wird<br />
eine theoretische fundierte und allgemein akzeptierte<br />
Definition von Autonomie benötigt, auch um einen<br />
klaren theoretischen und praktischen Bezugsrahmen<br />
<strong>für</strong> Staaten und politische Bewegungen zu schaffen,<br />
die eine solches Konfliktlösungsmodell anpeilen.<br />
Im vorliegenden text liegt der Schwerpunkt auf<br />
31 André Legaré/Markku Suksi(2008), op. cit, 145<br />
einem theoretischen, nicht normativen Ansatz.<br />
Die grundlegenden Kriterien zur Bestimmung<br />
von Territorialautonomie gründen im Konzept<br />
der demokratischen Selbstregierung eines oder<br />
mehrerer Teilgebiete eines Staats. Wie in der<br />
modernen Föderalismustheorie muss eine noch<br />
zu erarbeitende Theorie der Autonomie die<br />
zentralen institutionellen Merkmale eines solchen<br />
Arrangements der Gewaltenteilung festlegen.<br />
Einige dieser Merkmale, wie etwa die dauerhafte<br />
Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen an<br />
regionale Entscheidungsträger sind nicht umstritten.<br />
Andere, wie etwa die demokratische Natur des<br />
autonomen Legislativ- und Exekutivorgans müssten<br />
geklärt werden. Es gibt gute Gründe da<strong>für</strong>, sich auf<br />
eine begrenzten, aber genauen Kriterienset der<br />
konstituierenden Merkmale einer Territorialautonomie<br />
zu einigen. Eines ist die exakte Definition eines<br />
modernen Autonomiesystems, etwas andres die<br />
verschiedensten Formen der konkreten Ausgestaltung<br />
eines solchen Systems in der politischen Realität,<br />
ähnlich den verschiedenen Formen der bestehenden<br />
Bundesstaaten.<br />
2.2.2 Autonomie und andere Formen<br />
territorialer Gewaltenteilung<br />
a) Autonomie und freie Assoziation<br />
Laut Ruth Lapidoth wird ein Status freier Assoziation<br />
“mit dem Einverständnis beider Kontrahenten, dem<br />
assoziierten und dem assoziierenden Staat eingerichtet.<br />
Der assoziierte Staat hat ein Interesse an der Assoziation,<br />
um seine Sicherheit und seinen wirtschaftlichen<br />
Wohlstand zu gewährleisten.“ 32 Ein assoziierter<br />
Staat hat seine eigene Verfassung und volle innere<br />
Selbstregierung, doch ein Mindestmaß an Bereichen<br />
wird vom assoziierenden Staat wahrgenommen, vor<br />
allem die Verteidigung und Außenpolitik und in den<br />
meisten konkreten Fällen auch das Währungssystem.<br />
Bezüglich der Außenpolitik bestehen verschiedene<br />
Formen der Machtübertragung an den größeren Staat.<br />
In manchen Fällen ist dieser Staat verpflichtet, den<br />
assoziierten Staat zu konsultieren, wann immer seine<br />
unmittelbaren Interessen betroffen sind. In anderen<br />
Fällen wird die Außenpolitik gemeinschaftlich geregelt.<br />
Der Haupt-unterschied zwischen Autonomie und freier<br />
32 Bezüglich der Definition und der aktuellen<br />
Liste der Subjekte assoziierter Staaten siehe Anhang,<br />
Teil 4. Vgl. auch Ruth Lapidoth (1997), op.cit., S. 50-58