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Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

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<strong>Moderne</strong> <strong>Autonomiesysteme</strong><br />

24<br />

außer auf dem Wege der Anfechtung vor dem<br />

Höchstgericht oder Verfassungsgericht, bleibt bei<br />

einer Verwaltungsdezentralisierung die Regierung<br />

befugt, die Akte der dezentralen Behörden oder<br />

Institutionen zu kontrollieren und zu revidieren. Im<br />

Fall von bloß dezentralisierten Befugnissen verbleibt<br />

die Letztverantwortung bei den jeweiligen staatlichen<br />

Ministerien. Territorial-autonomie bedeutet dagegen<br />

die rechtskräftig beschlossene und rechtlich formell<br />

verankerte Übertragung eines Mindestmaßes an<br />

legislativen und exekutiven Befugnissen an eine Region<br />

(bzw. Gebietseinheit), die von demokratisch gewählten<br />

Institutionen ausgeübt werden. Wenn in solchen<br />

Gebietseinheiten keine demokratischen Verfahren<br />

zur Entscheidungsfindung Anwendung finden, kann<br />

auch nicht von einem „modernen Autonomiesystem“<br />

gesprochen werden.<br />

„Ist diese Vielfalt im Verständnis von Autonomie zu<br />

begrüßen oder stiftet sie Verwirrung zum Nachteil der<br />

Bestrebungen von Minderheiten?“ fragen Legaré und<br />

Suksi. 31 Aus meiner Sicht ist es unverzichtbar, sich<br />

auf eine stimmige, widerspruchsfreie Definition von<br />

Autonomie in engem Sinne festzulegen. Andere Formen<br />

territorialer Selbstregierung oder Selbstverwaltung,<br />

die Autonomievorstellungen in einem weiteren<br />

Sinne entsprechen, müssen einer Restkategorie<br />

zugeordnet werden, die man als „Autonomieähnliches<br />

Arrangement territorialer Gewaltenteilung“<br />

bezeichnen kann. An diesem Punkt liegt die Flexibilität<br />

des Autonomiekonzepts nicht mehr in der Definition<br />

der grundlegenden Kriterien der Bestimmung eines<br />

solchen Systems der territorialen Selbstregierung,<br />

sondern im Umfang und der Regelungsart der<br />

übertragenen Zuständigkeiten und in der Art und<br />

Weise ihrer Anwendung<br />

Hannum (1993) und Lapidoth (1998) haben erste,<br />

schlüssige Definitionen von Autonomie angeboten. In<br />

der Zwischenzeit sind neue Formen von Autonomie<br />

eingerichtet worden. Autonomie ist – genauso wie<br />

Föderalismus – tatsächlich ein flexibles Instrument, doch<br />

nicht willkürlich flexibel. Ihre wertvollste Eigenschaft<br />

ist die Chance, Konfliktlösungen zu erlauben, ohne<br />

bestehende Staaten aufbrechen zu müssen. Es wird<br />

eine theoretische fundierte und allgemein akzeptierte<br />

Definition von Autonomie benötigt, auch um einen<br />

klaren theoretischen und praktischen Bezugsrahmen<br />

<strong>für</strong> Staaten und politische Bewegungen zu schaffen,<br />

die eine solches Konfliktlösungsmodell anpeilen.<br />

Im vorliegenden text liegt der Schwerpunkt auf<br />

31 André Legaré/Markku Suksi(2008), op. cit, 145<br />

einem theoretischen, nicht normativen Ansatz.<br />

Die grundlegenden Kriterien zur Bestimmung<br />

von Territorialautonomie gründen im Konzept<br />

der demokratischen Selbstregierung eines oder<br />

mehrerer Teilgebiete eines Staats. Wie in der<br />

modernen Föderalismustheorie muss eine noch<br />

zu erarbeitende Theorie der Autonomie die<br />

zentralen institutionellen Merkmale eines solchen<br />

Arrangements der Gewaltenteilung festlegen.<br />

Einige dieser Merkmale, wie etwa die dauerhafte<br />

Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen an<br />

regionale Entscheidungsträger sind nicht umstritten.<br />

Andere, wie etwa die demokratische Natur des<br />

autonomen Legislativ- und Exekutivorgans müssten<br />

geklärt werden. Es gibt gute Gründe da<strong>für</strong>, sich auf<br />

eine begrenzten, aber genauen Kriterienset der<br />

konstituierenden Merkmale einer Territorialautonomie<br />

zu einigen. Eines ist die exakte Definition eines<br />

modernen Autonomiesystems, etwas andres die<br />

verschiedensten Formen der konkreten Ausgestaltung<br />

eines solchen Systems in der politischen Realität,<br />

ähnlich den verschiedenen Formen der bestehenden<br />

Bundesstaaten.<br />

2.2.2 Autonomie und andere Formen<br />

territorialer Gewaltenteilung<br />

a) Autonomie und freie Assoziation<br />

Laut Ruth Lapidoth wird ein Status freier Assoziation<br />

“mit dem Einverständnis beider Kontrahenten, dem<br />

assoziierten und dem assoziierenden Staat eingerichtet.<br />

Der assoziierte Staat hat ein Interesse an der Assoziation,<br />

um seine Sicherheit und seinen wirtschaftlichen<br />

Wohlstand zu gewährleisten.“ 32 Ein assoziierter<br />

Staat hat seine eigene Verfassung und volle innere<br />

Selbstregierung, doch ein Mindestmaß an Bereichen<br />

wird vom assoziierenden Staat wahrgenommen, vor<br />

allem die Verteidigung und Außenpolitik und in den<br />

meisten konkreten Fällen auch das Währungssystem.<br />

Bezüglich der Außenpolitik bestehen verschiedene<br />

Formen der Machtübertragung an den größeren Staat.<br />

In manchen Fällen ist dieser Staat verpflichtet, den<br />

assoziierten Staat zu konsultieren, wann immer seine<br />

unmittelbaren Interessen betroffen sind. In anderen<br />

Fällen wird die Außenpolitik gemeinschaftlich geregelt.<br />

Der Haupt-unterschied zwischen Autonomie und freier<br />

32 Bezüglich der Definition und der aktuellen<br />

Liste der Subjekte assoziierter Staaten siehe Anhang,<br />

Teil 4. Vgl. auch Ruth Lapidoth (1997), op.cit., S. 50-58

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