06.11.2013 Aufrufe

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

Moderne Autonomiesysteme - Gesellschaft für bedrohte Völker

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

instabilen Lage des Iraks, der chronischen Rivalität<br />

zwischen den kurdischen Organisationen konnte<br />

sich die selbstverwaltete Region Kurdistan nicht als<br />

unabhängiger Staat konstituieren. Aufgrund erneuter<br />

innerkurdischer Konflikte in der Region und der<br />

Einmischung der Regionalmächte brach 1994 ein<br />

erbitterter „Bruderkrieg“ zwischen den beiden größten<br />

Parteien PUK (Patriotische Union Kurdistans) und KDP<br />

(Kurdischen Demokratischen Partei) aus. der sogar<br />

soweit ging, dass die KDP Saddam Hussein um Hilfe<br />

bat, um ihren Gegner, die PUK, aus Arbil zu vertreiben.<br />

Das tat Saddam Hussein 1996 auch. Der Konflikt<br />

endete erst mit dem Abkommen von Washington im<br />

September 1998. Erst 1998 einigten sich die kurdischen<br />

Konfliktparteien in der Region durch die Vermittlung<br />

der US-Regierung auf eine Friedensvereinbarung. Die<br />

Region und ihre Regionalregierung bleiben aber immer<br />

noch jahrelang in zwei Einflussgebiete geteilt.<br />

Am dritten Golfkriegs ab 2003 nahmen die kurdischen<br />

Widerstandskämpfer (Peschmerga) an der Nordfront<br />

aktiv teil. Das Baath-Regime von Saddam Hussein<br />

stürzte am 9. April 2003. Die Weichen <strong>für</strong> einen neuen<br />

Irak wurden dann von der ehemaligen irakischen<br />

Opposition gestellt. Die Kurden sowie die nationalen<br />

und religiösen Minderheiten wurden zum ersten<br />

Mal an den provisorischen zentralen Institutionen in<br />

Bagdad und an den Provinzverwaltungen (besonders<br />

in Kirkuk und Mossul) beteiligt und waren politisch<br />

gleichberechtigt mit den schiitischen und sunnitischen<br />

Arabern. Die neue provisorische Verfassung des Irak<br />

anerkannte die Regionalregierung Kurdistans in<br />

ihrer bisherigen Grenzen bis zur Übernahme einer<br />

permanenten Verfassung und regelte außerdem die<br />

Beseitigung der Folgen der Arabisierungspolitik der<br />

Baath-Partei in den Gebieten Kurdistans.<br />

3.11.2 Status innerhalb des Irak 218<br />

In der neuen demokratischen und föderalen Verfassung<br />

des Irak wurde der Status der Region anerkannt<br />

und ihr Souveränität innerhalb des Staatsverbands<br />

zugesichert. Der Status und die endgültige Größe<br />

der autonomen Region sollen in den nächsten Jahren<br />

geklärt werden. Am 30. Januar 2005 fanden die ersten<br />

Wahlen zum neuen kurdischen Parlament unter dieser<br />

Verfassung statt. Dabei sollten die beiden getrennten<br />

Regierungen wieder vereint werden. Am 13. Juni 2005<br />

trat nach monatelangen Verhandlungen über die Art<br />

und Besetzung des Präsidentenamtes das Parlament<br />

in Arbil zusammen und wählte Massud Barzani zum<br />

218 Vgl.http://de.wikipedia.org/wiki/Autonome_Region_Kurdistan<br />

[Zugriff am 20.1.2012]<br />

3 Territorialautonomie am Werk<br />

Präsidenten der Region. Ministerpräsident wurde sein<br />

Neffe Nêçîrvan Idrîs Barzanî.<br />

Der Autonomen Region Kurdistan wurden im<br />

Unterschied zum übrigen Staatsgebiet des Irak<br />

spezifische Souveränitätsrechte eingeräumt. So darf<br />

kein Soldat der irakischen Armee ohne Erlaubnis der<br />

Region in die kurdischen Gebiete. Die Armee der<br />

Kurden, der Peschmerga, deren Mannschaftsstärke<br />

auf 110.000 beziffert wird, darf hingegen auch im<br />

übrigen Irak operieren, wo sie zum Beispiel in Mossul<br />

und Kirkuk die US-Truppen unterstützt. Am 21. Januar<br />

2006 konnten sich die beiden großen Parteien endlich<br />

über die Zusammenlegung der beiden Regierungen in<br />

Erbil und Sulaymaniah einigen. Am 7. Mai 2006 trat<br />

zum ersten Mal das wiedervereinigte Parlament in<br />

Erbil zusammen. Dabei wurde Barzani als Präsident<br />

und sein Neffe Nêçîrvan Barzani als Ministerpräsident<br />

bestätigt. Die Ministerien wurden unter den Parteien<br />

aufgeteilt. Die Autonome Region Kurdistan verfügt<br />

auch über eine Art Verteidigungsminister, den Minister<br />

<strong>für</strong> die Peschmerga, und einen Minister <strong>für</strong> auswärtige<br />

Angelegenheiten.<br />

Im August 2006 verkündete Barzani in einem Dekret,<br />

dass in der gesamten Region an öffentlichen Gebäuden<br />

nur die kurdische Fahne gehisst werden soll. Seiner<br />

Meinung nach repräsentierte die derzeitige irakische<br />

Fahne eine Vergangenheit voller Gewalt, Krieg und<br />

Tod <strong>für</strong> die Kurden. Dieses Dekret führte zu einem<br />

„Fahnenstreit“, der unter der arabischen Mehrheit<br />

des Irak den Eindruck verstärkte, dass die Kurden<br />

eigentlich keine Föderation, sondern einen eigenen<br />

Staat wollen. Doch mit der Zustimmung des irakischen<br />

Parlamentes <strong>für</strong> eine Interimsflagge <strong>für</strong> den Irak, ließ<br />

Barzani verkünden, dass von nun an allen offiziellen<br />

Gebäuden die kurdische und die irakische Flagge<br />

gemeinsam gehisst werde. Ein Grund <strong>für</strong> die Annahme<br />

der Interimsflagge war die Tatsache, dass der Gipfel<br />

der Arabischen Liga Anfang 2008 in Erbil tagen sollte<br />

und daher ein Flaggenstreit nicht wünschenswert<br />

war.<br />

Auch wenn innerhalb des Irak das autonome Gebiet<br />

Kurdistan die freiheitlichste Region ist, ist die<br />

Pressefreiheit nicht auf westlichem Standard. Laut<br />

Amnesty International und WADI-Austria kommt es<br />

immer wieder von Seiten der Autonomiebehörde zu<br />

Aktionen gegen oppositionelle Journalisten. Der Nordirak<br />

ist seit dem zweiten Golfkrieg 1991 ein Rückzugsgebiet<br />

der PKK. Die Türkei besteht seit Jahren darauf, dass<br />

die Verantwortlichen vor Ort die PKK bekämpfen<br />

sollen. Die USA und die kurdische Regierung kamen<br />

dem nicht nach. Nach dem das türkische Parlament<br />

in einer Resolution im Oktober 2007 dem Militär freie<br />

137

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!